Für die US-Tochterfirma von SIG Sauer mausert sich die in Newington, New Hampshire, USA, gefertigte P320 und allen voran die Fullsize-Variante scheinbar gerade zu einem großen Erfolg. Neben diversen einzelnen US-Polizeidienststellen - wie etwa dem Hight Point N.C. oder dem Hooksett N.H. Police Department - hat auch die Oklahoma Highway Patrol die extrem wandlungsfähige Dienstpistole beschafft. Zudem beabsichtigt wohl gerade die thailändische Polizei die Beschaffung von 150.000 Pistolen der neuen P320-Baureihe. Aber auch auf dem sportlichen Sektor erfreut sie sich einer wachsenden Beliebtheit, was SIG Sauer USA unter anderem kürzlich dazu veranlasst hat, ein 26-köpfiges Werksteam ins Leben zu rufen (www.teamsigsauer.com), dessen Mitglieder vorrangig mit der Fullsize-Variante der P320 bei USPSA, IDPA, 3-Gun und NRA Action Pistol an den Start gehen. Erste nationale Erfolge gehen auch bereits auf ihr Konto.
So konnte SIG Sauers Top-Schütze Max Michel Jr. bei den diesjährigen US Steel Challenge Nationals mit einer P320 Fullsize in 9 mm Luger die Production Wertung mit einem Ergebnis gewinnen, welches ihm nicht nur den Sieg in der Standard Klasse eingebracht hätte, sondern auch noch für einen 6. Platz in der Gesamtwertung gut war. Zudem war er mit der P320 auf den 8 Stages pro Durchgang gerade einmal im Durchschnitt 0,3 Sekunden langsamer als mit seiner hochgezüchteten Matchpistole für die Offene Klasse.
SIG Sauer P320: Liebe auf den ersten Blick
Gleich der erste Schießstandbesuch, bei dem die Pistole eigentlich nur kurz angeschossen werden sollte, verlief hierbei so positiv, dass kurzer Hand der Entschluss fiel, die P320 Fullsize einer richtigen Feuertaufe zu unterziehen - mit ihr sollte die nur wenige Wochen später stattfindende Deutsche Meisterschaft IPSC in der Production Division bestritten werden. Also wurde die bis dahin vom Autor favorisierte Wettkampf-Ganzstahlwaffe in Gestalt einer SIG Sauer X-Five Allround auf die Ersatzbank verbannt und es galt, sich in den bis zur Meisterschaft verbleibenen drei Wochen möglichst gut auf die neue Waffe einzustimmen.
Der ein oder andere mag sich jetzt sicherlich fragen, warum man solch ein Wagnis eingeht. Die Antwort ist jedoch recht schnell gefunden. Die P320 Fullsize konnte gleich durch ihre ausgesprochen gute Handlage sowie ihr angenehmes Rück- und Hochschlagverhalten überzeugen. Und auch der teilvorgespannte Abzugsmechanismus ließ sich gut beherrschen, so dass bald die Neugier überwog, wie sich denn die puristische P320 Fullsize im Feld der eigens für die Production Division geschaffenen Sportpistolen a la Tanfoglio Stock II/ III oder CZ SP-01 schlagen würde. Was bot sich daher mehr an, als mit ihr über den Verlauf der 12 fordernden Stages der Deutschen Meisterschaft wertvolle Erfahrungen zu sammeln und am Ende einen realistischen Leistungsvergleich mit etablierten Modellen zu haben?
SIG Sauer P320: Minimal modifiziert
Werksmäßig wird die P320 Fullsize mit einer starren Visierung ausgeliefert, wobei sowohl das Korn als auch die Kimme über weiße Kontrasteinlagen verfügen; eine Veränderung der Treffpunktlage kann über seitliches Verschieben oder Austauschen der Visierelemente erfolgen. Dankenswerterweise griff man bei SIG Sauer hinsichtlich der Schwalbenschwanzführung auf die Maße der bewährten P226-Baureihe zurück, so dass hier der geneigte Anwender aus einer Vielzahl an Austauschvisierungen zurückgreifen kann.
Von dieser Möglichkeit haben wir selbst recht schnell Gebrauch gemacht, weil uns die standardmäßige Visierung für den Verwendungszweck nicht optimal erschien. Zum einen wirkt das Visierbild durch die Kontrastmarken etwas überfrachtet und zum anderen verdeckt das 3,5 mm breite Korn zu viel vom Ziel. Daher wurde kurzerhand das Korn gegen ein 2,3 mm schmales Scheibenkorn einer SIG Sauer X-Five aus dem eigenen Fundus und die Kimme gegen eine solche ohne Dämmerungsmarken/ Kontrastpunkte getauscht. Im Handumdrehen wies unsere Testwaffe nun ein in den Augen des Autors für das IPSC-Schießen optimales Visierbild auf. Im Nachgang zur DM erreichte uns noch eine Austauschvisierung des bekannten amerikanischen Zubehörherstellers Dawson Precision aus Texas (www.dawsonprecision.com), die mittlerweile auf der Waffe montiert wurde. Das Set besteht aus einer starren Kimme sowie einem leicht hinterschnittenen Leuchtkorn mit einer Breite von 2,54 mm und passt von der Höhe ideal zu standardmäßigen 124 grains Vollmantel-Laborierungen (wobei wir im Rahmen unseres Tests selbst bei schwereren Geschossen - wie etwa GECO 154 grains - die Treffpunktveränderung für das IPSC-Schießen noch als im akzeptablen Bereich erachten würden).
Bis auf den Austausch der Visierung wurden keine weiteren Veränderungen an der Waffe vorgenommen. Insbesondere wurde der Abzug im werksmäßigen Zustand belassen. Ohnehin setzt das IPSC-Regelwerk hier enge Grenzen hinsichtlich der weiteren Überarbeitung; so ist lediglich das Polieren der relevanten Gleitflächen erlaubt und es muss ein Mindestabzugsgewicht von 2,27 kg für den ersten Schuss im Double-Action Modus (bei Pistolen mit Schlagbolzenschloss bei jedem Schuss) eingehalten werden. Da der Abzug unseres Testexemplars bei einem Mittelwert aus fünf Messungen von 2.960 Gramm brach, eine gefällige Charakteristik mit klar definiertem Vorzug und Druckpunkt aufwies und auch der Rückstellweg angenehm kurz ausfiel, hielten wir weitere Tuningmaßnahmen für unnötig. Häufig genug verfügen Waffen mit Polymergriffstücken über vergleichsweise glatte Griffoberflächen, die einen sicheren Halt bei schnellen Schussfolgen erschweren und Abhilfe verspricht hier nur das dauerhafte Aufrauen mittels eines Lötkolbens (sogenanntes „Stippling“; was aber nach dem Regelwerk bei Griffstücken nicht erlaubt ist) oder das Anbringen von Skateboardtape.
Nicht so jedoch bei der P320 Fullsize. Das Griffmodul weist hier umlaufend eine angenehm griffige Struktur auf, die selbst bei schnellsten Schussfolgen gute Dienste leistet und durch die drei verschiedenen Größen des Griffmoduls – Small, Medium und Large – kann zudem der Griffumfang wesentlich beeinflusst werden. Leider sind derzeit in Deutschland noch keine Wechselrahmen erhältlich und die Pistole wird vorerst nur mit dem 33,4 mm breiten Medium-Rahmen ausgeliefert. Ein entscheidender Pluspunkt der P320 bleibt damit leider im Moment auf der Strecke.
Auf Seite 2 erfahren Sie wie sich die SIG Sauer P320 im Wettkampf geschlagen hat und finden außerdem alle technischen Daten sowie Schussleistungen.
Die SIG Sauer P320 im Wettkampf erprobt
Am Ende hat es bei der Deutschen Meisterschaft in der Production Division zwar nicht für den Sieg oder das Podium gereicht, aber der Autor konnte mit der jungen P320 Fullsize mit 95,63 Prozent immerhin einen durchaus achtbaren 4. Platz erringen. Angesichts dieses Ergebnisses kann man der P320 Fullsize wohl mit Fug und Recht sportliche Ambitionen attestieren, so dass sie zumindest aus unserem Test als Gewinnerin hervorgeht.
Die P320 konnte auch in der Hitze des Wettkampfes voll überzeugen und ließ zu keinem Zeitpunkt das Gefühl aufkommen, die bewährte Ganzstahlwettkampfwaffe zu vermissen. Dank des sehr kurzen Rückstellweges des Abzuges und des gut beherrschbaren Rückstoßes waren kürzeste Schuss-zu-Schuss-Zeiten jederzeit reproduzierbar. Zudem ließen die Abzugsgeometrie und die fast einem Single-Action ähnelnde Charakteristik mit Vorzugsweg und anschließendem Druckpunkt einen fast vergessen, dass man eine Pistole mit Schlagbolzenschloss schießt.
Das hervorragende Präzisionspotential sorgte selbst bei kleinsten Zielmedien oder weiter entfernten Zielen für das notwendige Selbstvertrauen. Auch die übrigen Ausstattungsmerkmale wie die weit vorne angebrachten griffigen Durchladerillen, die raue Oberflächenstruktur des Griffmoduls, der hoch ausgekehlte Abzugsbügel oder der gut zu erreichende Magazinauslöser kommen einem bei der Punktejagd im schnellen praktischen Pistolenschießen zu gute.
SIG Sauer P320: Die technischen Daten im Überblick
Magazinkapazität | 17 Patronen |
Griffstück | Polymer mit Edelstahleinlage mit integraler Abzugseinheit |
Verschluss | Edelstahl mit Nitron-Beschichtung |
System | modifiziertes Browning-System mit offener Steuerkurve |
Lauflänge | 120 mm (4,7"), 6 Felder/ Züge |
Laufdiameter, Drall-Länge | 9,04 mm/ .356", 1-250mm |
Kimme | 3,9 mm mit zwei weißen, nicht nachleuchtenden Kontrastpunkten; seitlich driftbar |
Korn | 3,5 mm mit weißer, nicht nachleuchtender Punkteinlage; seitlich driftbar |
Visierlänge | 167,6 mm |
Abszugssystem/ Widerstand | DAO: 2.960 Gramm Durchschnitt* |
Sicherung | Interne Fallsicherung |
Abstand Griffrücken-Abzug | 68,5 mm |
Resetweg | 2,5 mm |
Abmessungen (LxBxH) | 203 mm x 35,5 mm x 140 mm |
Gewicht | 833 Gramm (inklusive Magazin) |
Preis | 799,- EUR |
*Mittel aus 5 Messungen mit einer digitalen Lymann Trigger Gauge
SIG Sauer P320: Die Schussleistungen im Vergleich
Geschoss Gewicht-Hersteller-Art-Dia. | Laborierung-Menge (grs.)-Hersteller-Sorte | OAL in mm | V2 in m/s | V2-Diff. in m/s | Faktor | Präzision in mm | Bemerkungen zu den Laborierungen |
95 Magtech JSP | Magtech Fabrikpatrone | 26,8 | 413,0 | 5,1 | 128,7 | 58 | sonst besser |
115 Hornady Z-Max | Hornady Fabrikpatrone | 27,3 | 345,9 | 3,5 | 130,5 | 21 | Defensivpatrone |
115 Hornady HAP .355" | 5,4 Reload Swiss RS20 | 28,1 | 320,9 | 2,5 | 121,0 | 37 | Steel Challenge Laborierung |
115 H&N HP.356" | 5,4 Reload Swiss RS20 | 28,1 | 311,2 | 3,5 | 129,0 | 43 | Steel Challenge Laborierung |
123 LOS HP .356" | 5,2 Reload Swiss RS20 | 28,1 | 334,6 | 5,2 | 135,0 | 66 | günstiges verkupfertes Geschoss |
124 Hornady XTP | Hornady Fabrikpatrone | 26,9 | 348,38 | 3,1 | 141,7 | 15 | American Gunner 9mm +P Luger |
124 Geco FMJ OG SX | GECO Fabrikpatrone | 29,4 | 339,24 | 5,4 | 138,0 | 37 | Schadstofffrei; verkapseltes Vollmantelgeschoss |
124 Geco Hexagon | GECO Fabrikpatrone | 28,6 | 326,1 | 3,9 | 132,6 | 23 | Match Grade |
130 G-4s CMJTC | 4,0 Vihtavuori N320 | 28,2 | 315,1 | 3,4 | 134,4 | 64 | vollverkupfertes Gießbleigeschoss |
130 G-4s CMJTC | 4,5 Vihtavuori N340 | 28,2 | 311,5 | 2,6 | 132,8 | 32 | beste Handladung im Test; Matchladung |
140 S&B FMJTC | S&B Fabrikpatrone | 26,7 | 290,2 | 2,6 | 133,2 | 35 | Unterschall-Laborierung |
150 S&B FMJ TC | S&B Fabrikpatrone | 26,8 | 268,0 | 2,4 | 131,8 | 44 | Unterschall-Laborierung |
154 Geco FMJ TC | Geco Fabrikpatrone | 28,3 | 261,0 | 2,2 | 131,9 | 37 | Unterschall-Laborierung |
Durchschnitt aller Laborierungen | 39 |
(Alle Geschoss- und Pulvergewichte in Grains (zum Umrechnen in Gramm bitte mit 0,0648 multiplizieren). v2 = Geschossgeschwindigkeit in Meter pro Sekunde, 2 Meter vor der Mündung gemessen. OAL = Overall Length = Patronengesamtlänge. Abkürzungen in caliber: CMJ = Copper Metal Jacket = Vollverkupfertes Geschoss. FMJ = Full Metal Jacket = Vollmantel. G-4s = Geschosse-4sport (Gegossene Bleigeschosse mit Vollverkupferung www.geschosse-4sport.de). HAP = Hornady Action Pistol = Hohlspitzgeschoss. Hexagon = Mantelgeschoss mit innenliegender Hohlspitze ohne kontrolliertes Deformationsverhalten. HP = Hollowpoint = Hohlspitzgeschoss. JSP = Jacketed Soft Point = Teilmantelgeschoss. OG = Ogive. RN = Round Nose = Rundkopfgeschoss. TC = Truncated Cone = Kegelstumpf. XTP = eXtreme Terminal Performance = Hohlspitzgeschoss. Z-Max = Zombie-Max = Entspricht dem FTX Geschoss (= Flex Tip eXpanding Geschoss; Deformationsgeschoss mit Gummispitze zur Einleitung.
Alle Handlungen in einmal abgeschossenen GECO-Hülsen mit Federal 100 Zündhütchen und Taper-Crimp.
Testaufbau: Die Geschossgeschwindigkeit (V2 in Meter pro Sekunde) wurde mit einer CED M2 Lichtschranke (Infrarot) gemessen. Die Präzisionsüberprüfung erfolgte mit je einer 5-Schuss-Gruppe von der Sandsack-Auflage auf der 15-Meter-Distanz. Die Schussbilder beziehen sich auf die am weitesten auseinander liegenden Schusslochmitten. Alle Ladeangaben ohne Gewähr. Jeder Wiederlader handelt nach dem Gesetz eigenverantwortlich.
Weitere Informationen zum Test der SIG Sauer P320 erhalten Sie in der caliber-Ausgabe 11+12/2015. Das Heft können Sie HIER im Online-Shop von VS-Medien bestellen.
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