Nicht die Firma Colt, sondern die Firma Kimber aus Yonkers im US-Staat New York ist bei Single-Action-Selbstladepistolen im Stil der Colt M 1911 weltweit der unbestrittene Marktführer, wie allein die 16 im 1911er Stil gehaltenen Baureihen dieses Unternehmens zeigen. Eine davon ist die Tactical Pro II, eine von fünf Ausführungen der Tactical II-Reihe. Passend zu dem Namen liefert Kimber diese Kompakt-Waffe in der einer Colt Commander vergleichbaren Größe ebenso für militärische Zwecke wie für zivile Träger von verdeckt geführten Waffen. Hauptkaliber der Tactical II ist der US-Klassiker .45 ACP, Kimber offeriert nur die Tactical Pro II in 9 mm Luger. Zur Ausstattung: Anders als im 1911er Sortiment Usus, kommen bei der Tactical-Reihe drei Pistolentypen mit einem Aluminium-Unterbau, versehen mit KimPro-II-Finish. Gemäß Hersteller eine selbstschmierende Behandlung der Oberflächen mit "herausragender Widerstandskraft gegen Chemikalien, Feuchtigkeit, Salz und UV-Licht, welche andere Finishes zerstören könnten." Fraglos ist das ein sorgsam produziertes Finish – aber Amerikaner lieben es bei der Werbung für Neuheiten nun mal bombastisch: Neutral formuliert sieht das Finish aus wie gestrahlt und beschichtet.
Die Visierung besteht aus einem verschiebbaren Balkenkorn und einer starren, weil von oben verschraubten Kimme vom Typ "Fixed Slant Night Sight". Beide Elemente haben die üblichen drei Punkte, hier allerdings mit Meprolight-Einsätzen (das Kürzel "MH3" steht für "M" wie "Meprolight" und "H3" wie "Tritium"). Und sonst? Üppig: Beavertail-Handballensicherung, lange, verbreiterte Flügelsicherung (beidseitig), längsgeriffelter Alu-Skelettabzug mit justierbarem Triggerstop, lange Federführung sowie ein feines Checkering (30 lines per inch, lpi) vorn am Griff und unten am Abzugsbügel. Vorn am Magazinschacht gibt es zudem eine Verlängerung mit schräg gekappter Frontpartie. Sie soll das Einschieben des nominell für neun Patronen ausgelegten Magazins mit dem angeschraubten Kunststoff-Bodenpuffer erleichtern.
Zum Test der Kimber Tactical Pro II:
Stichwort Magazin – zu den Bedienelementen: Neun Patronen hätte allenfalls der Unglaubliche Hulk einpressen können, Normalsterbliche kamen auf acht, und das auch nur zum Preis schmerzender Finger. Und so super die Flügelsicherung arbeitete, so sehr behinderte sie bei einhändigem Schießen den Daumen auf dem Weg zum Schlittenfang (-2 Punkte). Bei der Abzugscharakteristik fiel ein minimales Kriechen des sonst super justierten Abzugs auf (-1 Punkt), beim Prüfschritt Verarbeitung gab es einige leichte Werkspuren im Inneren zu bemängeln (-1 Punkt), aber auch sehr viel zu loben: Brillante Passungen mit saugend laufendem Schlitten, tolles Finish, bombenfest verriegelte Läufe mit sehr gut bearbeitetem Inneren.
Die Visierung dieser zum verdeckten Führen konzipierten Waffe erwies sich für den ihr zugedachten Zweck schlichtweg als perfekt (-0 Punkte), dasselbe Urteil lässt sich dem Abzugs-Griff-Design bescheinigen: verglichen mit anderen 1911ern hat die Kimber Tactical Pro II ein geradezu fantastisch gut liegendes Griffelement (-0 Punkte). Zum Schießtest, zuerst mit Blick auf Repetierablauf/Sicherheit: In der Ransom Rest muckte das Eisen beim Nachschub-Bewältigen ein paar Mal, ehe es dann anstandlos repetierte. Und im Freihand-Schießbetrieb gab es zwei Zuführstörungen mit der dicken Winchester-Patrone (-2 Punkte). Beim Präzisionstest lieferte die Kimber Tactical Pro II mit 48 mm ihr bestes Resultat (-7 Punkte).
Testfazit zur Kimber Tactical Pro II:
Die Kimber Tactical Pro II ist eine zu Verteidigungszwecken gebaute und dennoch sehr schmuck ausgeführte, vorzüglich gearbeitete Pistole in klassischem Look – dank all der fürs 1911er Feld vielen Dreingaben ist sie gerechtfertigterweise nicht billig. In Deutschland stellt sie zum Beispiel etwas für einen Jäger dar, der beim Jagdschutz neben Leistung auch auf Stil und Eleganz achten möchte.
VISIER-Bewertung der Kimber Tactical Pro II in 9 mm Luger:
VISIER-Bewertung | Punkte |
Präzision (max. 50 Punkte) | 43 Punkte |
Repetierablauf/Sicherheit (max. 10 Punkte) | 8 Punkte |
Abzugscharakteristik (max. 10 Punkte) | 9 Punkte |
Abzugs-Griff-Design (max. 5 Punkte) | 5 Punkte |
Bedienelemente (max. 10 Punkte) | 8 Punkte |
Visierung (max. 5 Punkte) | 5 Punkte |
Verarbeitung (max. 10 Punkte) | 9 Punkte |
Gesamtpunktzahl (max. 100 Punkte) | 87 Punkte |
Testurteil | sehr gut |
Prädikate | 5 von 6 |
Schießtest: Kimber Tactical Pro II
Nr | Fabrikpatrone | Streukreis* | v2 | E2 |
1. | 95 grs Magtech JSP TC | 71 mm | 400 m/s | 492 J |
2. | 115 grs Remington JHP | 69 mm | 337 m/s | 423 J |
3. | 120 grs Lapua CEPP | 48 mm | 337 m/s | 442 J |
4. | 124 grs GECO FMJ | 107 mm | 331 m/s | 440 J |
5. | 147 grs Winchester FMJ TC | 67 mm | 301 m/s | 432 J |
Hinweise: Streukreis = 5-Schuss-Gruppen, geschossen über 25 Meter Distanz aus der Ransom-Rest-Einschießmaschine, angegeben in Millimetern, gemessen von Einschussmitte zu Einschussmitte.
v2 = Geschossgeschwindigkeit zwei Meter vor der Laufmündung, in Meter pro Sekunde. E2 = Geschossenergie zwei Meter vor der Mündung, in Joule.
Geschoss-Abkürzungen: JSP = Jacketed Soft Point. TC = Truncated Cone. CEPP = Controlled Effect Police Projectile (werkseigene Markenbezeichnung). FMJ = Full Metal Jacket, JHP = Jacketed Hollow Point.