Zäumen wir das Pferd von hinten auf: Die GLOCK G19 MHS in 9 mm Luger ist nach den von uns aktuell gesammelten Erfahrungen eine großartige Pistole. Es könnte auch kaum anders sein, schließlich gehörte sie zu den auserwählten Finalisten der harten Erprobungsreihen rund um den XM17 Modular Handgun System (MHS)-Wettbewerb der US-Army. Die neue Pistole sollte zur Ablösung der altgedienten, nicht mehr zeitgemäßen Beretta M9 führen.
Letztendlich wurde bekanntermaßen mit der SIG Sauer P320 eine andere Waffe zum Gewinner erklärt. Doch wie so oft in der behördlichen Waffenwelt war auch diese Entscheidung nicht ganz unumstritten. Wir haben darüber berichtet. Als uns der österreichische Hersteller GLOCK in den Hauptfirmensitz nach Deutsch-Wagram einlud, um die G19 MHS Dienstpistole vor Ort zu testen, waren wir ebenso begeistert wie fasziniert.
Unser erster Kontakt mit der Waffe war sehr positiv: Die G19 MHS gefällt in ästhetischer Hinsicht und vermittelt auf Anhieb ein "familiäres Gefühl" für jeden, der zuvor schon einmal eine GLOCK-Pistole in der Hand hatte.
Doch umso genauer wir hinsahen, desto mehr Detailunterschiede entdeckten wir im Vergleich zu den populären Dienstpistolen aller Generationen von 1 bis 4.
Natürlich springt die Farbgebung der Oberflächen sofort ins Auge. Über die Jahre hat GLOCK eingefärbte Polymerkunststoff-Griffstücke in "Desert Tan" (Sandfarbe), "Olive Drab" (Olivgrün), "Battle Field Green" (BFG; gedecktes Grün), "Flat Dark Earth" (FDE; Erdbraun) und "Gray" (Anthrazitgrau) auf den Markt gebracht. Doch erstmalig gibt es nun eine werksfertige GLOCK, die auch einen farbigen Verschluss besitzt.
Der GLOCK G19 MHS-Schlitten im "Coyote Tan"-Farbton weiß mit seinem weich-schimmernden Goldfarbtönen zu überzeugen, ist geradezu faszinierend "sexy". Das Herstellungsverfahren des extrem widerstandsfähigen Finishs ist zum jetzigen Zeitpunkt aber leider noch ein wohlgehütetes Betriebsgeheimnis.
GLOCK 19 MHS: die Eigenschaften der modularen Pistole
Zu den Proportionen: GLOCK hat bei der G19 MHS den Rahmen einer ausgewachsenen “Full-Size” G17 mit dem Schlitten der kompakten G19 gepaart und dabei die Schließfederrinne ("Dust Cover") des Griffstücks gekürzt.
Der Verschluss mit einer 151 mm langen Visierlinie weist eindeutig die typischen G19-Dimensionen auf und wurde im Laufmündungsbereich abgeschrägt, um das Holstern der Waffe zu erleichtern. Der 102 mm lange Lauf hat eine tiefere Senkung der Mündung, um das Innenprofil vor etwaigen Beschädigungen zu schützen.
GLOCK 19 MHS: Das Dilemma mit der manuellen Sicherung
Dann gibt es da noch die (un)populäre manuelle Sicherung, die letztendlich auch keine Neuigkeit darstellt. Denn GLOCK hat mit der G17S in der Vergangenheit bereits eine Dienstpistolenvariante mit einer externen, manuellen Sicherung für internationale Sicherheitsfachkräfte produziert. Sowohl die österreichische als auch die britische Armee haben solche Ausführungen erprobt. Diese Modelle wurden aber nur in sehr kleinen Stückzahlen gefertigt und sind heute Sammlerstücke.
Zudem hat GLOCK aus guten Gründen immer bekundet, dass der Zusatz einer manuellen Sicherung bei den Modellen Unsinn wäre. Die Pistolen von GLOCK haben bereits ein ausgeklügeltes, internes Sicherheitssystem mit drei voneinander unabhängig arbeitenden Sicherungsmechanismen. Es ist eine Pistole, deren Merkmale es eben ist, sofort einsatz- und feuerbereit zu sein, ohne dass der Nutzer bewusst zusätzlich jedwede Knöpfe oder Hebel betätigen muss. Die technische Modifikation einer manuellen Sicherung wäre also entgegen diesem Sinn.
Wie auch immer, die mittels Daumen zu bedienende, externe, manuelle Sicherung war eine spezifische Anforderung des MHS-Pflichtenheftes und hier ist sie nun: eine beidseitige Sicherung mit Taste auf der linken Seite und längerem Hebel auf der rechten Seite am Rahmen, die nur bei gespanntem Schlagbolzen aktiviert werden kann.
Andere bemerkenswerte Details des Griffstücks sind eine glatte Front ohne eingeprägte Fingermulden, eine klassische Fangriemenöse an der Unterseite des Griffrückens und ein geweiteter Magazinschachteingang mit einem vorderen Bund, der über die Frontseite der Bodenplatte des eingesetzten Magazins herausragt. Der Polymerrahmen kann dank des "Modular Backstrap Systems" (MBS), das vier verschiedene Griffrücken enthält, leicht und bequem an die individuelle Handgröße des Schützens angepasst werden.
Zudem besitzt die G19 MHS nicht den seit der 2. Generation eingeführten, dritten Querbolzen, um die vom Riegelblock auf das Kunststoff-Griffstück übertragene Energie besser verteilen zu können. Das aktuelle Design des Riegelblocks und seine Positionierung im Rahmen machen ihn überflüssig.
Die Pistole wird mit drei doppelreihigen Magazinen im Coyote Tan-Finish ausgeliefert. Ein Standardmagazin mit einer Kapazität für 17 sowie zwei überlange Magazine mit Kapazitäten für 19 Patronen. Mit einem geladenen Standardmagazin wiegt die G19 MHS 908 Gramm
Daneben sind weitere Verbesserungen zu den Standard-Modellen von GLOCK verbaut. Doch diese sind am offensichtlichsten.
GLOCK 19 MHS im Praxistest – exklusiv bei all4shooters.com
Nach der akribischen Prüfung der Waffe ging es ohne große Umschweife auf den hauseigenen Schießstand des Unternehmens, um die G19 MHS probeschießen zu können. Hier warteten weitere Überraschungen auf uns. Denn wir hatten die einmalige Möglichkeit, die Pistole nicht nur mit der GECO 124 Grains Vollmantel-Fabrik-Munition, sondern auch mit der originalen SP (Special Purpose)-Militärmunition, die im Rahmen des MHS-Programms entwickelt wurde, zu schießen.
Leider dürfen wir keine technischen Details verraten, außer dass es sich um eine äußerst leistungsstarke +P+ Munition handelt, die um die 20 % mehr Leistung als die gewöhnliche, militärische Vollmantelpatrone bringen dürfte und dabei über ein sehr hohes Präzisionspotential verfügt, was unsere Streukreise bestätigten.
Der Abzugscharakteristik war außergewöhnlich konstant und geschmeidig mit einem klar definierten Auslösemoment ohne jeglichen Durchfallweg. Der Rückstellweg ("reset") des Abzuges bis zur nächstmöglichen Schussauslösung war sehr kurz und sauber. Die neue Abzugseinheit mit integrierter, manueller Sicherung und anderen Federn als in standardmäßigen G17/G19-Modellen gefiel vollends, wobei der Hersteller einen Abzugsweg von 12,5 mm angibt.
Aufgrund des perfekten Griffwinkels und der griffigen Oberfläche liegt das Griffstück auch ohne Fingermulden satt und gut in der Hand, wobei viele Schützen die Meinung vertreten, dass der Rahmen ohne Fingermulden ohnehin besser ist.
Mit beiden Munitionssorten, auch mit der harten SP-Militärlaborierung, waren der Rückstoß und die Mündungsauslenkung im Schuss immer leicht zu kontrollieren. Hieraus resultierten ab dem ersten Schuss respektable Schussgruppen auf der 25-Meter-Distanz.
Während unserer Erprobung ereignete sich keine einzige Funktionsstörung, die Hülsen wurden positiv herauskatapultiert und fielen wiederholgenau auf die gleiche Bodenfläche rund einen Meter rechts kurz hinter dem Schützen.
Eine "zivile" GLOCK G19 MHS Pistole? Vielleicht schon bald…
Wie schon zu Beginn dieses Artikels angemerkt, ist die G19 MHS definitiv eine hervorragende Pistole, nach unserer Meinung eine der Besten, die GLOCK je gebaut hat. Doch nachdem sie auch aus Preisgründen in dem prestigeträchtigen MHS-Wettbewerb für die Bewaffnung der amerikanischen Streitkräfte geschlagen wurde - was wird aus ihr werden? Bleibt es bei einer Stilübung, die in den Schubladen verschwinden wird? Nun, wahrscheinlich eher nicht.
Obwohl der Hersteller in der jüngeren Vergangenheit wiederholt geäußert hat, dass die G19 MHS nicht auf dem Zivilmarkt offeriert werden wird, gibt es nun Gerüchte, dass GLOCK eventuell doch noch seine Meinung ändert.
Es gibt zwar noch keine offizielle Bestätigung seitens des Herstellers, doch es ist wohl mehr als reine Spekulation. Aus der Gerüchteküche stammt auch, dass die zivile G19 MHS dann ohne die manuelle Sicherung ausgestattet sein soll.
Diese Aussage passt zur GLOCK-Philosophie und bestätigt indirekt, dass der Hersteller wohl ernsthaft darüber nachdenkt, dass der Zivilmarkt eine gute Option sein könnte. Neben der G19 MHS hat GLOCK mit dem Modell G23 MHS auch eine Dienstpistolenausführung im leistungsstarken Kaliber .40 S&W entwickelt.
Wenn schon nicht beim Militär, dann könnte die G19 MHS ein wahrer Gewinner in der zivilen Bevölkerung werden. Es wäre eine wohlverdiente Revanche für den verlorenen Auftrag bei der US Army.
Wir bedanken uns beim GLOCK Management für die Einladung ins Headquarter und dass uns die Gelegenheit gegeben wurde, die Waffe in allen Details zu begutachten und sogar im Feuer zu testen. Weitere Details und ein Technikvergleich folgen in Kürze.
Weitere Informationen zu GLOCK finden Sie direkt auf der neuen Webseite von GLOCK.
Sie sind auf der Suche nach der richtigen Pistole von GLOCK, wissen aber nicht welche? Schauen Sie doch mal in den GLOCK Buyer's Guide.
09.08.2017