Nachkriegskarriere: Die Pistole P1 der Bundeswehr im Vergleich zur P.38 der Wehrmacht

Als im Jahr 1956 mit dem Aufbau der Bundeswehr begonnen wurde, stand schnell die Frage nach einer geeigneten Bewaffnung der neuen Truppe im Raum. Erste Tendenzen in Richtung Wiederaufbau einer deutschen Waffenindustrie hatte es bereits einige Jahre vorher gegeben, als es durch den Aufbau des Bundesgrenzschutz (BGS) in der Bundesrepublik plötzlich wieder einen Bedarf an Waffen gab. Die Bundeswehr entschied sich für ein Pistolenmodell, das bereits bei der Wehrmacht des Dritten Reiches bestens etabliert war: der P.38.

Eine Ausschreibung, ausgiebige Erprobungen oder sogar ein Truppenversuch sind bisher nicht bekannt geworden. Der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner Familie aus dem thüringischen Zella-Mehlis ins schwäbische umgesiedelte Fritz Walther, gründete die Waffenfabrik neu – mittlerweile entstanden moderne Produktionsanlage in Ulm an der Donau.

Ein Blick zurück: Die Geschichte der Pistole P.38

Pistole P. 38 in 9 mm Luger von rechts.
Im Jahr 1940 begann die Großserienfertigung der Pistole P.38 in 9 mm Luger.

Mit der P.38 hatte die frühere Carl Walther Waffenfabrik in Zella-Mehlis einen Höhepunkt in ihrer Unternehmensgeschichte gesetzt. Die P.38 sollte nicht nur die zu diesem Zeitpunkt bereits legendäre Pistole 08 aus den Beständen der Wehrmacht verdrängen, sie blieb bis zum Ende des Krieges auch die Standard-Pistole der Wehrmacht und wurde – neben Walther in Zella-Mehlis auch bei Mauser in Oberndorf und bei Spreewerk in Zittau-Grottau – gefertigt. Teilezulieferungen kamen zudem von FN in Belgien. Insgesamt entstanden so zwischen 1938 – dem Jahr, in dem die P.38 als neue Pistole angenommen wurde, und dem Kriegsende rund 1,3 Millionen Waffen dieses Typs. Die eigentliche Großserienfertigung startete bei Walther erst im Jahr 1940, dem Jahr, indem auch die offizielle Einführungsgenehmigung für die Pistole erging.

Nach dem Start der Großserienfertigung 1940 blieben die Änderungen an der Waffe gering. Eine kleine Formänderung am Griffstück brachte mehr Material um die Bohrung für die Hahnachse, der Verschlussfanghebel wurde auch in einer Variante als Blechprägeteil gefertigt, gegen Ende des Krieges verbaute Spreewerk einen Hahn mit grober Riffelung. Zudem phosphatierte Mauser Waffenteile und fertigte Griffschalen als Blechprägeteil. Weiterhin musste für die an die Wehrmacht gelieferten Waffen ab 1940 die Herstellerangabe codiert aufgebracht werden. Walther nutzte zunächst den Zahlencode "480", dann den Buchstabencode "ac", schließlich eine Kombination aus Buchstabencode und Jahreszahl, etwa "ac 41".

In der Bundesrepublik: Die Pistole P.38 wird zur P1

P 1 der Bundeswehr von rechts.
Im Jahr 1957 begann die Neuauflage der Pistole, diesmal bei Walther in Ulm.

Zum Neustart der Fertigung nach dem Krieg im Mai 1957 bei Walther in Ulm hatte die Pistole verschiedene Änderungen erfahren. Das Griffstück der Waffe wurde nun aus Leichtmetall gefertigt. Seine Oberfläche war schwarz eloxiert, was ihm einen seidenmatten Glanz gibt. Die Griffschalen wurden nun aus einem modernen Kunststoff gefertigt, sind schwarz und weisen eine Fischhaut auf. Der Verschluss wurde nun – ebenso wie der Lauf der Waffe – phosphatiert. Der Lauf wurde zum Neustart der Produktion nicht mehr aus einem Stück gefertigt. Vielmehr besteht er aus einem sogenannten Futterlauf, der Züge und Felder beinhaltet und einem Mantellauf, der die Außenkonturen des Waffenteils mit Führungsbahnen, Aufnahme für den Schließriegel und den Kornträger, darstellt.

Die Beschriftung auf dem Verschluss nennt nun wieder den Hersteller, jetzt die Waffenfabrik Carl Walther in Ulm. Bezeichnet wird die Waffe als Pistole P 38, geschrieben ohne Punkt.

Im Jahr 1959 stellt die Bundeswehr die Bezeichnungen der genutzten Waffen um. Es werden Kalibergruppen gebildet und die Waffen der Reihe nach durchnummeriert. Aus der bisherigen P 38 wird nun die P1, Kaliber 9mm x 19. Walther stellt die Beschriftung auf dem Verschluss erst im Jahr 1963 um. Etwa zeitgleich ändert die Bundeswehr auch die Bezeichnung für den Lauf. Er wird nun, und mit ihm alle entsprechenden weiteren Teile, in Rohr umbenannt.

Walther P1 der Bundeswehr mit Putzzeug.
Im Laufe der Jahre hat die Pistole P1 immer wieder Aufwertungen erfahren, um sie den Ansprüchen der Bundeswehr anzupassen.

Über die Jahrzehnte der Nutzung der Pistole bei der Bundeswehr müssen schließlich immer wieder Teile den erhöhten Anforderungen an die Lebensdauer angepasst werden. Generationen von Wehrpflichtigen der Bundeswehr belasten die Waffen stärker als ein kurzer harter Fronteinsatz im Zweiten Weltkrieg. So bekommt das Leichtmetallgriffstück eine Verstärkung in Form eines eingesetzten Stahlstücks. Dessen Befestigung im Griffstück wird über die Jahre auch geändert. Der Verschluss wird verstärkt. Er erhält nicht nur mehr Material an den Flanken, sondern am Auswurffenster auch eine hochgezogene Kante. Im Rahmen dieser Überarbeitung wird auch der Bereich der Griffrillen erweitert – sie beginnen nun bereits vor dem Sicherungsflügel. Mehrfach geändert wird auch das Bauteil Rohr. Waren die frühen Futterläufe noch eingepresst und mittels eines Querstifts gesichert, folgen zwei Varianten mit einem Bund am Ende, zunächst einem schmalen, schließlich einem breiteren. Ganz zum Schluss der Nutzung der P1 bei der Bundeswehr kehrte Walther wieder zum einteiligen Waffenrohr zurück. Geändert wurde auch der Schließriegel. Zunächst ein Gussteil, wurden spätere Riegel geschmiedet. Eine Überarbeitung erfuhr auch die Visierung. Haben frühe P1 noch eine U-Kimme und ein Dachkantkorn, erhält die Waffe später eine Rechteckkimme und ein Balkenkorn, nun auch mit weißen Markierungen. Änderungen erfahren auch der Rohrhaltehebel und der Schlagbolzen. Frühe Magazine sind brüniert, spätere wurden phosphatiert.

Da Pistolen P 38 und P1 bei der Bundeswehr immer wieder instandgesetzt wurden, entstanden über die Jahrzehnte auch Mischvarianten aus alten und neuen Teilen.

Ein Vergleich der beiden Ordonannzpistolen P.38 und P1

Wir stellen nun zwei typische Vertreter der Wehrmachts-P.38 und der Bundeswehr-P1 gegenüber.

Die hier gezeigte P.38 trägt den Herstellercode ac 43, der sie als Produkt der Waffenfabrik Carl Walther in Zella-Mehlis ausweist. Das Herstellungsjahr ist 1943. Es handelt sich um eine Pistole der zweiten Ausführung, gefertigt zwischen Juli und Oktober 1943 in einer Stückzahl von rund 50.000 Stück. Die Waffe zeigt die für die Großserienfertigung bei Walther typische schwarze Brünierung auf allen Haupt- und Kleinteilen. Die Oberflächen der Waffe sind bereits matt. Ferner weist die Waffe bereits die Verstärkung um die Bohrung der Hahnachse auf. An der Waffe verbaut sind Griffschalen aus Bakelit, die der Wehrmachts-P.38 ihr charakteristisches Aussehen verleihen. Die Waffen trägt die typischen Abnahmezeichen der Heereswaffenamtes.

Die zum Vergleich gezeigte P1 der Bundeswehr zeigt am Verschluss die typische grau-schwarze Phosphatierung. Das Griffstück aus dem Leichtmetall Dural ist tiefschwarz eloxiert. Auffälligstes Unterscheidungsmerkmal sind aber die Griffschalen aus schwarzem Kunststoff. Die gezeigte Waffe hat die weiße Farbmarkierung an Kimme und Korn. Das zugehörige Magazin trägt die Modellbezeichnung P1 und die Kaliberangabe 9x19. Die Waffe zeigt die Abnahmezeichen des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung, kurz BWB.

Das unterscheidet die beiden historischen Pistolen: Ein Fazit

Beide Waffen im direkten Vergleich ermöglichen nicht nur eine Betrachtung der Weiterentwicklung der Fertigungstechnik und des Einsatzes neuer Materialen, sondern auch der geschichtlichen Entwicklung innerhalb der Bundeswehr. Blieb man zum Start noch bei der Benennung analog der Wehrmacht, ging die Bundeswehr schon nach kurzer Zeit eigene Wegen.

Im Kern blieb die Pistole aber ganz die Alte – eine typische Nachkriegskarriere eben.


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