Seinerzeit galt es als revolutionär: Das österreichische Lorenz-Gewehr von 1854 bot nicht nur das neu entwickelte „Compressiv“-Geschoss, sondern auch als erste Militärwaffe im damaligen Deutschen Bund ein vergleichsweise kleines Kaliber von 13,9 mm. Etwas, an dem sich heutige Schwarzpulverschützen auch gern mal versucht hätten. Dafür baute das italienische Familienunternehmen Davide Pedersoli vor gut zwei Jahren erstmals einen Neo-Klassiker – nun folgt eine weitere Version, bereits aus der Serienfertigung, die wir zum Test bekommen hatten.
Die Testwaffe: Zur neuen, von Pedersoli als „Lorenz Rifle Infantry Type II“ bezeichneten Variante kam es vor allem wegen der Sache mit dem Drall. Denn der entsprach bei Pedersolis erster Lorenz-Ausführung mit 1:1650 mm Länge nicht dem Vorbild; das vermessene Originalstück wies ja eine Dralllänge von zirka 1:2007 Millimeter auf. Nach einigen Verzögerungen kommt nun eine Kopie des Lorenz-Gewehrs M.1854 Modell II, deren Laufkonstruktion angesichts des Dralls von 1:2000 Millimeter recht nahe an diejenige des Originals von 1854 heranreicht. Um beim Lauf zu bleiben – hier gibt es einige kleine Abweichungen, die aber dem Scheibensport entgegenkommen: So schließt sich an den gezogenen Teil von 880 mm Länge der 37 mm lange, Pedersoli-typische Pulversack mit einem Durchmesser von knapp unter 6 Millimeter an. Dann hat das Rohr auf ganzer Länge denselben Innendurchmesser, also nicht wie das Original die als „Fall“ bekannte, leichte Kalibererweiterung. Zudem verbaut Pedersoli eine Patentschraube und nicht die beim Lorenz übliche Blockschwanzschraube. Da der Übergang der Schwanzschraube zum Lauf aber sehr gut verputzt ist, fällt das kaum auf. Überhaupt ist das Rohr auf Sport ausgelegt, da von der Qualität her des Typs Pedersoli Match Grade (PMG). Und weil es für Schützen wegen etwaigen Nachschubs von Interesse ist: Das Pistongewinde hat die Größe M8 x 1,25 mm, wie Pedersolis Enfield-Gewehre.
Neu: Die Lorenz Rifle II von Pedersoli hat nun nicht nur den originalen Drall, sondern liegt auch optisch sehr nahe am Original
Sportler dürften sich auch über ein anderes inneres Detail freuen: Das Schloss hat anders als beim Original einen als „Fliege“ bekannten und der Schlosscharakteristik zupass kommenden Springkegel. Technisch entspricht Pedersolis Lorenz Rifle Infantry Type II dem originalen Gewehr des Typs Nummer Zwei. Optisch liegt die Testwaffe ganz nah am Original, das freilich erst ab 1862 einen Nussbaumschaft hatte. Auffälligste Abweichung ist das eingeschobene Korn, das war beim Original fix. Die anderen äußerlichen Differenzen sind minimal: verschraubte statt vernietete Riemenbügelösen und ein um eine Schraube ergänzter Kimmenfuß. Der Nussbaumschaft ist poliert und geölt. Am Abzugsbügel und unter der Patent-Schwanzschraube sind die Passungen recht großzügig. Zwar kann man das beim Abzugsbügel ignorieren, ein unter der Patent-Schwanzschraube hohl liegender Lauf aber missfällt. Denn der sollte auf ganzer Länge glatt und fest im Schaftbett liegen. Wichtig für die Präzision ist aber, dass der Kreuzteil der Schwanzschraube fest und spielfrei im Schaft liegt. Die Metallverarbeitung ist gut. Nur im Bereich des Pistonsockels gab es leichte, aber sichtbare Werkzeugspuren.
Vor dem ersten Schuss gibt‘s auch den praxisbezogenen Check von Visierung und Abzug: Das im Schwalbenschwanz verschiebbare Korn ist 2,5 Millimeter hoch. Das Zubehör enthielt ein Austauschkorn der Höhe 4 mm, das zum Test montiert wurde. Die seitliche Trefferlage lässt sich nach Lockern der erwähnten Kimmenfußschraube gut einstellen. Das Gewehr hat einen Militärgewehr-üblichen Direktabzug. Das Auslösegewicht entspricht in etwa dem des Originals. Wie dort kriecht der Abzug leicht. Insgesamt: erwartungsgemäß. Dann die Vorbereitungen – zuerst die der Waffe: Lauf und Pulversack innen säubern und von allem Fett befreien. Piston ausschrauben, entfetten, am Gewinde mit Trennpaste einreiben und wieder einschrauben. Sonst kann das Piston unlösbar festbrennen.
Praxistest: Mit der Pedersoli Lorenz Infantry Rifle Type II auf dem Schießstand
Die Tester schossen sitzend aufgelegt auf 100 m Distanz. Sie stützten das Gewehr an Vorder- und Hinterschaft ab. Die Streukreise bilden den Bestwert aus zwei Serien zu je fünf Schuss, gemessen von Lochmitte zu Lochmitte. Vor jedem Durchgang feuerten die Prüfer zweimal zum Anschmutzen des Laufes. In den Serien wurde nicht gewischt, dazwischen und nach den Anschmutz-Schüssen jeweils zweimal trocken durchgewischt. Das Pulver kam per 10-cm-Trichter ins Rohr. Die Geschosse wurden von Hand in die Mündung gedrückt und via Ladestock aufs Pulver geschoben. Als Zündhütchen nutzte das Test-Team große Musketenzündhütchen der Sorte RWS 1218. Mit allem Drum und Dran feuerten die Tester zirka 150 Mal mit der Pedersoli-Lorenz. Mit dem originalgemäßen 515-Grains-Kompressionsgeschoss schoss das Gewehr nicht berauschend. Bei den ersten drei Ladungen lagen zwei von fünf Schüssen nicht auf der Scheibe und die dort ankommenden Geschosse pendelten deutlich. Man ziehe daraus aber keine Fehlschlüsse. Denn bei originalen Waffen trafen die dazugehörenden Lorenz-Geschosse. Vor dem Schuss 25 mm lang, dürfte das originale 31,12-Gramm-Projektil dank der bereits beim Zünden der Ladung auftretenden Stauchung höchstens noch 21 bis 22 Millimeter gemessen haben.
Andere Zeiten, andere Sitten: Moderne Geschosse sind gefettet
Dass sich mit dem heutigen Geschoss kaum treffen lässt, rührt wohl von der Ladeweise her: Früher war das Blei Teil einer im Geschossbereich gefetteten Papierpatrone. In seinen Rillen saß kein Fett – anders als heute. Wahrscheinlich verhindert genau das die vollständige Stauchung – und ohne die keine sichere Führung im Lauf und damit kein präzises Treffen. Gemäß Test trifft das Pedersoli am besten mit kurzen Hohlbodengeschossen und mittelstarken Ladungen. Passt beides, läuft es zur Hochform auf. Zwei der Testladungen hielten die Zehn der ISSF-Scheibe. Jedoch verlangt das Pedersoli-Lorenz Gewehr etwas Bereitschaft zur Anpassung: Das Visierbild aus schmalem Blattkorn und V-Kimme ist sehr fein. Und: Man kann das Visier einfach auf den Haltepunkt „Spiegel aufsitzend“ plus Kontrollweiß einstellen und es für die Schussdistanz von 100 oder aber 50 Meter anpassen. Soll es aber über beide Distanzen gehen, lässt sich das nur über unterschiedliche Haltepunkte erreichen – kein Fehler, sondern zeitgemäß.
Pedersoli Lorenz Rifle Type II: Technische Daten und Preis
Modell: | Pedersoli Lorenz Infantry Rifle Type II |
Preis: | 1.684,- Euro |
Kaliber: | 13,9 mm / .54 |
Kapazität: | 1 Schuss |
Länge: | 1.346 mm |
Lauflänge: | 925 mm |
Drallänge: | 1:2000 mm |
Abzugsgewicht: | 2.470 g |
Gewicht: | 4.100 g |
Ausstattung: | Perkussions-Vorderlader, Nussbaum-Ölschaft, Schaftkappe und Ringe aus Eisen, Direktabzug, Schloss mit 2 Rasten und Fliege, Patentschwanzschraube mit langem Pulversack (Durchmesser ca. 6 mm) |
Unsere Test-Bilanz: Die Lorenz Rifle Type II macht eine "bella figura"
Insgesamt erhält man mit dem neuen Pedersoli-Lorenz Modell für knapp 1.700,- Euro ein nicht ganz günstiges, aber stilgerechtes, zudem im Großen und Ganzen ordentlich gearbeitetes Vorderladergewehr, das mit der richtigen Ladung sportlich akzeptabel trifft und auch beim Reenactment eine "bella figura" macht.
Das hat uns gut gefallen: | Das fanden wir weniger gut: |
Originalgetreuer Nachbau | Der Abzug kriecht leicht |
Verbessertes Laufprofil (Drall) | Die Laufbettung hinten |
Mit richtiger Ladung der Munition recht präzise | |
Im Großen und Ganzen ordentlich verarbeitet | |
Gute Schlosskonstruktion |
Text: Matthias S. Recktenwald und Wolfgang Finze
Hier geht's zur Website von Davide Pedersoli mit weiteren Detailinformationen des Herstellers zum neuen Lorenz-Gewehr.
Die Testwaffe kam vom Pedersoli-Service Deutschland und die Geschosse stellte Reiner Holla zur Verfügung: vielen Dank!
HINWEIS: Alle Ladedaten, die Schießtabellen und ausführliche Infos zur Geschichte des Lorenz-Gewehrs finden Sie in der gedruckten Ausgabe VISIER 9/2021, die Sie hier kaufen können). Sie ist auch als Digitalausgabe verfügbar.