Vom 6. bis 12. Mai 2023 öffnet das renommierte Münchener Auktionshaus Hermann Historica seine Türen für zwei große Auktionen. In der Veranstaltung "Antike Waffen und Rüstungen aus aller Welt" werden bis Dienstag, den 9. Mai, knapp 370 Lose versteigert. Unmittelbar danach schließt sich die Auktion "Schusswaffen aus fünf Jahrhunderten" an, die den Waffensammlern noch mehr Spannung verspricht, da hier einige einzigartige Stücke von großer Bedeutung versteigert werden. Aber fangen wir von vorne an.
Zu den spektakulärsten Stücken der Auktion "Antike Waffen und Rüstungen aus aller Welt" gehört das Los 1228, eine mit zwei Radschlossmechanismen kombinierte Saufeder, die um 1570 in Nürnberg hergestellt wurde und auch auf dem Cover des Auktionskatalogs abgebildet ist.
Die beiden runden, glatten Läufe, die die Blattklinge flankieren, haben das Kaliber 10 mm und sind an der Wurzel mit der Nürnberger Beschussmarke "N" über einem halben Adler gestempelt. Die seitlichen Schlossplatten der innenliegenden, abgedeckten Rädern sind mit der Beschussmarke "AB" mit einer Laute versehen, was die geografische und historische Zugehörigkeit bestätigt. Zum Abfeuern der beiden Rohre mussten zwei Abzüge mit federbelasteten Schutzvorrichtungen, die sich etwa auf einem Drittel der Länge des Eschenholzschafts mit rechteckigem Querschnitt und eisernen Seitenbändern befanden, gezogen werden. Die Gesamtlänge beträgt 193 Zentimeter.
Obwohl diese Waffen im Allgemeinen als schießende Saufedern bezeichnet werden, waren sie vermutlich nicht für die Jagd gedacht. Außerdem ähnelt die Form der Klinge den kurzen Hellebarden, die auf Abbildungen des 16. Jahrhunderts häufig von Feldwebeln getragen werden. Höchstwahrscheinlich handelt es sich um eine Luxusausgabe, die als Auszeichnung an einen verdienten Soldaten verliehen wurde und auch als Rangabzeichen diente. Es handelt sich jedoch um einen äußerst seltenen Fund. Nur wenige vergleichbare Exemplare befinden sich heute in den Sammlungen des Metropolitan Museums in New York, der Royal Armouries Collections in Leeds und der Livrustkammaren in Stockholm. Der Startpreis für diese Rarität liegt bei 30.000,- Euro.
In Los 1153 finden wir ein wunderschönes Beispiel für die Handwerkskunst im Mailänder Stil. Es handelt sich um ein Parade-Burgonett im Stil von Filippo Negroli aus dem 19. Jahrhundert oder vielleicht früher, das in einem Stück geschmiedet wurde. Obwohl es sich um eine Nachahmung handelt, ist es ein mit großem Geschick hergestelltes Objekt. Der Mailänder Filippo Negroli (ca. 1510-79), dessen prächtige Paraderüstungsteile "all'antica" heute fast ausschließlich in Museumssammlungen zu finden sind, gilt als einer der besten Waffenschmiede der Renaissance, und dieser Helm ist offensichtlich eine Hommage an ihn. Die Ränder des Helms sind fein gedreht und gerafft, mit erhabenen und vergoldeten Akanthusblatt-Ornamenten auf dem Kamm, die auf der Vorderseite in ein groteskes Maskaron im Halbrelief übergehen. Die Seiten des Schädels sind mit erhabenen Blattranken verziert. Ein durchgehendes, verflochtenes Band um den Rand mit silbernen Punktintarsien vor einem vergoldeten Hintergrund. Im Inneren finden wir Spuren der ursprünglichen Belederung und eine gesteppte Kapuze aus grünem Samt. Die Gesamthöhe beträgt 29 Zentimeter bei einem Gewicht von 2.138 Gramm. Der Helm wird von einem außergewöhnlichen, mit Samt bezogenen Holzständer begleitet, dessen Sockel in Ormolu gefasst ist und drei vollplastische Füße in Form von liegenden Sphingen aufweist. An den Rändern finden wir alte, später hinzugefügte Lampenfassungen und eine vergoldete Kartusche mit der eingravierten Inschrift "Negroli 1539". Der Startpreis für dieses ganz besondere Stück liegt bei 27.500,- Euro.
Wir schließen unseren Exkurs über antike Waffen mit einem wirklich rätselhaften Stück ab. Es handelt sich nämlich um eines der mittelalterlichen Schwerter, die auf der Klinge mit dem Wort +ULFBERTH+ gekennzeichnet sind (Los 1288), dessen Bedeutung noch weitgehend im Dunkeln liegt. Es ist bekannt, dass etwa 170 Exemplare zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert hergestellt wurden, aber es ist nicht genau bekannt, von wem oder wo. Eine der populärsten Hypothesen ist, dass die Schwerter französisch-germanischen Ursprungs sind. Das bei Hermann Historica zur Auktion stehende Exemplar stammt aus dem Jahr 900 n. Chr. und kommt aus dem skandinavischen Raum. Es misst 98 Zentimeter in der Länge und hat eine zweischneidige Klinge mit tiefen, langen Kehlungen auf beiden Seiten. Der dreieckige Knauf und die leicht zur Klinge hin gebogene Parierstange sind mit einem feinen, in Silber eingelegten inversen Swastikadekor verziert. Dieses deutet darauf hin, dass es sich um das Schwert einer Person von hohem Rang handelte. Auf einer Seite der Klinge ist das Wort +ULFBERTH+, kaum noch lesbar, in Eisen eingelegt. Der Startpreis für dieses historische Stück liegt bei 18.000,- Euro.
Eine extrem seltene Mauser C96 mit Wechsellauf wird bei Hermann Historica in der Mai-Auktion 2023 versteigert
Kommen wir nun zu den Feuerwaffen im Rahmen der Auktion "Schusswaffen aus fünf Jahrhunderten", die am 10. Mai 2023 stattfinden wird. Beim Durchblättern des Online-Katalogs sahen wir Dutzende verschiedener Modelle von Winchester-Unterhebelrepetierern, Heckler & Koch-Pistolen, darunter einige VP70 und zahlreiche P7 und P9, sowie andere Raritäten wie Korriphila, Korth und Walther, die wir Ihnen ans Herz legen möchten.
Aber lassen Sie uns hier einen genaueren Blick auf ein wirklich außergewöhnliches Stück werfen: Bei Los 2365 finden wir einen Prototyp der Mauser C96 Bolo-Pistole mit Wechsellauf. Der Begriff Bolo, eine Abkürzung von Bolshevik, bezeichnet die Mauser C96-Pistolen, die in den 1920er Jahren für die bolschewistische Regierung des revolutionären Russlands hergestellt wurden. Im Allgemeinen waren die halbautomatischen Pistolen C96 für das Mauser-Kaliber 7,63 x 25 mm ausgelegt, das mit dem in Russland weit verbreiteten 7,62 x 25 Tokarev austauschbar war. Diese ganz besondere Version, die exakt im Kaliber 7,63 Mauser mit Beschusszeichen aus den 1920er Jahren gefertigt ist, trägt die Seriennummer 2 und wird mit zwei unterschiedlich langen Läufen, 100 bzw. 150 Millimeter, geliefert. Jeder Lauf ist wiederum mit der Nummer 1 und 2 gekennzeichnet und wird von einem Verschluss mit Hauptfeder begleitet. Es handelt sich um das einzige bekannte Exemplar einer Mauser C96 Pistole mit Wechselläufen, das auch in dem Band "System Mauser: A Pictorial History of The Model 1896 Self-Loading Pistol von Breathed/Schroeder" gezeigt und beschrieben wird. Der Startpreis für diesen "Heiligen Gral" der Mauser-C96-Sammler liegt bei 18.000,- Euro.
Eine weitere Rarität aus Österreich ist ein Vorserienmodell der Repetierpistole System Schulhof, Modell 1884-II (Los 2475), von der wohl nur etwa 50 Exemplare hergestellt worden sind. Sie verfügt über einen ringförmigen Hebel, der den Abzugsmechanismus betätigt und den Schlagbolzen spannt. Es handelt sich also nicht um eine halbautomatische Pistole, sondern um eine manuelle Repetierpistole mit Geradzugverschluss und Kniegelenkverriegelung. Die Waffe hat das Kaliber 10,6 Millimeter und trägt die Seriennummer 13. Damit ist sie das älteste Exemplar, denn die niedrigste bisher bekannte Seriennummer war 15. Der Lauf ist achteckig, 155 Millimeter lang, Kimme und Korn werden in Schalbenschwänzen geführt. Die Waffe wird aus einem Innenmagazin mit einer Kapazität von sechs Patronen im Kaliber 10,6 mm Dt.Ord. versorgt. Alle Metallteile weisen noch die originale Vernickelung auf, mit Flecken und Gebrauchsspuren. Mindestens 10.000,- Euro müssen investiert werden, um das begehrte Stück zu ersteigern.
Mit einem Startpreis von 32.000 Euro ruft Hermann Historica im eine Steinschloss-Doppelflinte von Jean Le Page (Paris 1820) auf
Wir schließen unsere sehr begrenzte Übersicht mit einer weiteren Waffe, die aus den Händen eines der berühmtesten Büchsenmacher der Geschichte stammt. Bei Los 2067 handelt es sich um eine hervorragende, luxuriöse Steinschloss-Doppelflinte im Kaliber 15 mm, die um 1820 in Paris von Jean Le Page gebaut wurde. Die Flinte ist ein Beispiel für den Luxus und die Raffinesse der Pariser Werkstatt. Die Läufe haben ein rundes Profil, die Laufwurzeln sind mit fein gravierten, in Gold eingelegten Ornamenten verziert und mit zwei goldgefütterten Fleur-de-Lys-Marken versehen. Die rollengelagerten Batterien warten mit der original Brünierung auf und besitzen mit regendichte und goldgefütterte Pfannen, signiert mit "Le Page à Paris", auf. Der verschnittene Halbschaft aus schön gemasertem Nussbaumholz besitzt im Griffbereich eine fein verschnittene Fischhaut, die unten in einen plastischen Hirschkopf übergeht. Hinzu kommen reiche Silberdrahteinlagen und eine Garnitur aus graviertem und goldeingelegtem Stahl mit floralem Dekor und Tierdarstellungen. Aufgrund der Bedeutung der Signatur und des hervorragenden Erhaltungszustandes liegt der Startpreis für dieses museumswürdige Sammlerstück bei 32.000,- Euro.
Natürlich gibt es in den beiden brandneuen Online-Katalogen von Hermann Historcia noch viel mehr zu entdecken. Deshalb bleibt nur noch, Sie einzuladen, selbst einmal die Website von Hermann Historica zu besuchen, um die Details jedes einzelnen Loses zu bewundern, das das Münchener Auktionshaus zum Verkauf anbietet. Hier finden Sie den Online-Katalog der Mai-Auktion "Antike Waffen und Rüstungen aus aller Welt" und hier den Katalog zu der Auktion "Schusswaffen aus fünf Jahrhunderten".
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und bei den Auktionen. Wir werden Sie über die Ergebnisse der Versteigerungen auf dem Laufenden halten.