Die Auktion Nummer 92, vom bayerischen Auktionshaus Hermann Historica organisiert, steht wie üblich unter dem Titel "Schusswaffen aus fünf Jahrhunderten". Doch auch wenn uns der Titel inzwischen vertraut ist, so ist die Auktion auch dieses mal wieder ein bisschen anders: Angefangen bei dem gigantischen Online-Katalog von nicht weniger als 636 Seiten, der allein schon ein außergewöhnliches Sammlerstück darstellt und knapp tausend zur Versteigerung stehende Lose beschreibt.
Für die Auktion am 18. Mai hat Hermman Historica eine Reihe von sehr interessanten Stücken aus der Sammlung von Manfred Knothe im Angebot, einem der führenden Experten für moderne und vormoderne Pistolen. Der 1938 in Deutschland geborene Knothe begann sich schon als Junge für Waffen und Munition zu interessieren und ist international für sein enzyklopädisches Wissen bekannt, insbesondere für die von Bergmann hergestellten Pistolen. Nun ist Knothe aus gesundheitlichen Gründen gezwungen, sich von seiner außergewöhnlichen Sammlung von seltenen und einzigartigen Stücken zu trennen. Die erste Waffe jedoch, von der wir berichten wollen, ist weder deutsch noch schweizerisch: Sie stammt aus Italien und ist heute extrem selten, wenn überhaupt, in dieser Konfiguration zu finden:
Eines der außergewöhnlichsten Stücke der Auktion ist das Los 2698, eine Villar Perosa 1915 Kal. 9x19 mm Glisenti Maschinenpistole, die erste Waffe ihrer Art, die im Krieg eingesetzt wurde. Diese von A. Revelli entworfene Waffe mit verzögertem Rückstoßsystem besteht aus zwei Maschinengewehren, die dank des mit dem Daumen betätigten Abzugs unabhängig voneinander schießen können.
Das Gehäuse ist aus Bronze und trägt die Firmenbezeichnung "Officine / Villar Perosa" in einem Oval, darunter die Seriennummer "1843". Der Wählschalter ist mit "S" und "F" markiert. Die beiden schwarzen Laufrohre sind unbeschädigt und das Gewehr ist komplett mit zwei 25-Schuss-Magazinen und der sehr seltenen kompletten Schildeinheit, die auch als eine Art Stativ diente, mit 60 Prozent originaler, grauer Farbe. Das Maschinengewehr ruht im Schild in einer kugelförmigen Halterung, die nicht nur eine schnelle Montage und Demontage ermöglicht, sondern auch dem Schützen erlaubt, das Rohr vertikal und horizontal zu schwenken.
Das Schild besteht aus einer massiven, 8 mm dicken, 70 cm breiten und 55 cm hohen Stahlplatte und wiegt selbst 27,5 kg. Es hat zwei klappbare Stützen. Das Gesamtgewicht beträgt 33,5 kg. Diese Konfiguration ist äußerst selten, da das Schild normalerweise entfernt wurde, da es aufgrund seines Gewichts für den Schützen fast unmöglich war, es zu bewegen. Dieses Geschütz gehörte dem Urenkel eines österreichischen kaiserlichen Soldaten, der 1917 als Teil einer Einheit der slowenischen Armee an der 12. Isonzoschlacht bei Kobarid teilnahm, wo die österreichische kaiserliche Armee die italienischen Verteidigungslinien durchbrach. Die Österreicher erbeuteten dieses Maschinengewehr von den Italienern und setzten es gegen sie ein. Als der Krieg zu Ende war, nahm der Großvater das Maschinengewehr mit nach Hause und verstaute es, wobei er den Schild als Stütze für ein Fenster verwendete. Als er starb, erbte sein Enkel die Waffe und ließ sie registrieren, so dass der heutige Besitzer sie legal besitzen kann. Der Startpreis für dieses außergewöhnliche Stück liegt bei 23.000,- Euro.
In Los 2082 finden wir ein Paar mit Steinschlosspistolen von Cunet, Lyon, gebaut um 1660. Runde, zweifach gestufte, italienische Exportläufe mit verstärkten Mündungen. Glatte Seele im Kaliber 14,5 mm. Über den Kammern fein kannelierter Dekor mit geschlagener Bezeichnung "Lazari Cominaz". Hochwertig gearbeitete Steinschlösser mit fein gestochenem Dekor. Auf den Schlossplatten stehende weibliche Figur, in den Händen ein Bandeau mit Signatur "Cunet à Lion". Hähne, Batterien und Federn mit feinem Eisenschnitt dekoriert. Auf der Schlossgegenseite verschraubte, eiserne Tragespangen, die Ansätze fein graviert. Vollschäfte aus fein gemasertem Nussbaumholz mit geschnittener und gravierter eiserner Garnitur. Die gravierten eisernen Knäufe in vollplastische, geschnittene Maskarone auslaufend. Originale, hölzerne Ladestöcke mit Horndoppern. Länge 47,5 cm. Claude Cunet ist um 1651 in Lyon als Büchsenmacher nachgewiesen.
Los 2127 ist ein außergewöhnliches Beispiel eines Gilardoni-System-Luftgewehrs aus süddeutscher/österreichischer Produktion, komplett mit Koffer und Zubehör, hergestellt um 1800. Das Gewehr besitzt einen achtkantigen Lauf im Kaliber 11,5 mm, ein schwalbenschwanzförmiges Messingkorn und eine sehr aufwändig geschnittene Kimme. Im Mündungsbereich und über der Kammer Silbereinlagen und Monogramm "AF". Seitliches Röhrenmagazin, Deckelfeder fehlt. Mittelstück und Schlossseitenplatte aus Messing mit feinen Gravuren. Schloss und Hahn mit feinen floralen Gravuren, gebläute Schrauben, auf der dem Schloss gegenüberliegenden Seite die Einstellschraube für die Luftmenge, die das Geschoss treibt. Vorderschaft mit Messinggarnitur, hölzerner Ladestock mit Messingspitze.
Das Gilardoni-Systemgewehr (oder Girardoni, nach dem Namen seines Erfinders), damals "schioppo a vento" genannt, wird von zwei zusätzlichen eisernen Behältern mit etwas abgenutzten grünen Lederbezügen begleitet. Länge ohne Reservoir 84,5 cm, Länge jedes Reservoirs 32 cm. Kommt in der originalen abschließbaren Holzkiste (stellenweise abgenutzt) mit viel originalem Zubehör wie Luftpumpe, Fußstütze, Ventilschlüssel, Geschossform und drei Schlüsselringen. Aufgrund ihrer Vollständigkeit und ihres Erhaltungszustandes ist sie als außerordentlich seltenes Sammlerstück zu betrachten und der Startpreis von 12.000,- Euro ist absolut gerechtfertigt.
Lassen Sie uns nun in die faszinierende Welt der vormodernen Pistolen eintauchen, mit Los 2262, einer Bergmann mod. 1896 Nr. 2, mit klappbarem Abzug, in ihrem Koffer. Diese halbautomatische Pistole, die von Louis Schmeisser entworfen wurde und die Seriennummer 6 trägt, hat das Kaliber 5 mm Bergmann M96 und verfügt über einen achteckigen Lauf von 90 mm Länge. Charakteristisch für dieses Modell ist der klappbare Abzug, typisch für die ersten Modelle (etwa bis zur Seriennummer 400), danach wurde ein fester Abzug eingeführt. Auf der linken Seite des Gehäuses finden wir die Aufschrift "Patent / Bréveté / S.G.D.G.", während auf der rechten Seite das Firmenlogo, ein Zwergbergmann in einem Oval und die Aufschrift "Gaggenau - V.C.S. Suhl" zu sehen sind.
Die Pistole hat kein Magazin und zeigt einige Anzeichen von Verschleiß. Die Griffe sind aus Nussbaumholz, kariert, und haben passende Seriennummern. Die Pistole kommt in einem mit schwarzem Schafsleder bezogenen Originalkoffer, dessen Deckel mit grüner Seide ausgekleidet ist. Der Boden ist mit Samt ausgekleidet und enthält das Originalzubehör: eine Ölflasche, eine Reinigungsbürste und einen Schraubenzieher. Der Startpreis für diese Waffe mit hohem Sammlerwert ist sehr interessant: 1.500 Euro.
Ein weiteres interessantes Los (2417) ist die Pistole Bergmann 1897 Nummer 5 im Kaliber 7,8 mm Bergmann mit der Seriennummer 402, die eine einzigartige Schiebevisierskala (ein wenig optimistisch) von 100 bis 1.000 Meter hat. Der Griff ist mit einem Schlitz für einen Anschlagschaft versehen. Auf dem Lauf befindet sich die Inschrift: PISTOLET BERGMANN/PATENT BREVETÉ S.G.D.G. Der Startpreis für dieses Exemplar in ausgezeichnetem Zustand beträgt 6.000,- Euro.
Mit Los 2425 kehren wir zu Waffen zurück, die Sammlern und Enthusiasten besser bekannt sind, obwohl sie extrem selten sind: In diesem Fall handelt es sich um einen Luger-Karabiner 1902 im Kaliber 7,65 Parabellum mit der Seriennummer 23821. Der Vorderschaft aus Nussbaumholz und der Anschlagschaft tragen dieselben Seriennummern und sind in perfektem Zustand, ausgestattet mit den Original-Gelenkwirbeln für den Tragegurt. Der Lauf ist 30 cm lang und trägt eine mikrometrisch verstellbare Kimme und ein seitlich verstellbares Korn, das auf einem fein geriffelten Träger montiert ist. Das Magazin ist aus vernickeltem Blech und hat einen Holzsockel. Dieser interessante Luger-Karabiner hat offenbar nur wenige Schüsse abgeben müssen und befindet sich in einem außergewöhnlich guten Zustand. Der Startpreis in der Auktion von Hermann Historica wurde auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Los 2719 ist eine weitere absolute Rarität, nämlich die Salvator-Dormus-Pistole im Kaliber 8 mm, die als die erste halbautomatische Handfeuerwaffe gilt, die jemals patentiert wurde. Sie hat ihren Namen von Erzherzog Karl Salvator von Österreich und Graf Georg Dormus, die 1891 das Patent für diese halbautomatische Blowback-Pistole anmeldeten, in der Hoffnung, dass sie von der österreichischen Armee übernommen werden würde. Die mehrjährige Verzögerung, mit der der Wettbewerb ausgeschrieben wurde, gab den Konkurrenten jedoch Zeit, ihre Projekte zu perfektionieren, die sich als überlegen erwiesen.
Aufgrund von Fertigungsproblemen konnten Salvator und Dormus den von der österreichischen Armee erteilten Versuchsauftrag von 100 Stück nicht erfüllen, und es wurden offenbar nur 31 Pistolen fertiggestellt.
Die Pistole in der Auktion von Hermann Historica trägt die Seriennummer 17. Wie so oft ist es nicht immer von Vorteil, der Erste auf einem neuen Gebiet der Technik zu sein. Die Pistole ist mit dem österreichischen Reichsadler und der Nummer 97 (sehr schwach) markiert und befindet sich in gutem Zustand, mit einigen Närbchen auf den Metallteilen und Spuren auf den Nussbaumgriffschalen. Der Lauf misst 145 Millimeter und die Visierung ist feststehend.
Die Pistole wurde mit 5-Schuss-Stripper-Clips geladen. Diese Pistole wird auch in dem Buch von Mötz/Schuy, "Vom Ursprung der Selbstladepistole", Seite 191-219, erwähnt. Der Startpreis beträgt 15.000,- Euro. Los 2720, angeboten zum Startpreis von 200 Euro, ist eine ebenso seltene Dormus-Patrone im Kaliber 8 mm, hergestellt von G. Roth in Wien. Die Hülse ist aus Messing, das Geschoss hat einen Vollmantel aus Eisen.
Die Gesamtlänge der Patrone beträgt 30 mm. Die 8mm Dormus-Patrone ist im Mötz/Schuy-Buch "Austrian Ammunition" erwähnt.
Das letzte, aber nicht weniger wichtige Los, das wir Ihnen hier zeigen möchten, ist 2762, ein seltener Prototyp einer halbautomatischen Pistole des Müller-Systems in 7,65 mm Luger mit der Seriennummer 3. Es handelt sich um eine von Bernhard Müller entworfene und 1902 in Winterthur, Schweiz, hergestellte Pistole mit kurzem Rückstoßsystem. Nachdem die Schweizer Armee im Jahr 1900 die Parabellum-Pistole eingeführt hatte, testete sie weiterhin Handfeuerwaffen, und Müllers Kreation war eine der in Betracht gezogenen Waffen. Es gibt auch Hinweise auf Kontakte zwischen Bernhard Müller und der US-Armee, die jedoch nicht zu weiteren Entwicklungen führten. Die Müller-Halbautomatik ist mit einem 140 mm langen Lauf ausgestattet, der wie bei anderen zeitgenössischen Pistolen nicht abgedeckt ist und auf den ein driftverstellbares Visier montiert ist.
Der Lauf ist mit vier Zügen versehen. Die Kimme ist sehr einfach und besteht lediglich aus einer U-förmigen Ausfräsung auf dem kantigen Gehäuseoberteil. Das Bediensystem ähnelt dem der Walther P38, während das Griffstück und das Acht-Schuss-Magazin mit Holzboden und Sichtfenster für die Kontrolle der Patronen dem der Luger-Pistolen sehr ähnlich ist. Die linke Seite des Rahmens ist mit der Aufschrift "Syst. Müller 3". Die originale Brünierung hat einige Flecken und einige Kratzer. Die Griffe sind aus Nussbaumholz mit feiner Fischhaut. Die Müller-Pistole ist im Buch "Pistolen und Revolver der Schweiz seit 1720" von Reinhart/Meier auf den Seiten 164 und 165 erwähnt. Aufgrund der extremen Seltenheit liegt der Startpreis für diese Pistole bei 12.000,- Euro.
Weitere Highlights der Auktion bei Hermann Historica in der Bilder-Übersicht: Alle Details zu den Losen finden Sie im Katalog zur Auktion 92, Schusswaffen aus fünf Jahrhunderten.
Um mehr über Hermann Historica und die Auktion zu erfahren, besuchen Sie bitte die Website des bayerischen Auktionshauses. Hier können Sie nicht nur den Katalog bestellen oder herunterladen, sie finden auch alle Lose der Auktion.