Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs entwickelt, diente die Browning High Power an allen Fronten – und auf allen Seiten. Ihr Grundkonzept taugt noch heute als Schablone für typische Militär- und Polizeipistolen: mittelgroß, mit einer Lauflänge unter 5 Zoll, ein zweireihiges Magazin für die 9 mm Para, ein abkippender Lauf zur Verriegelung.
Das sieht heute alles nicht so viel anders aus, freilich setzt man anstelle von Stahl auf Kunststoff für das Griffstück. Außerdem ist das Sicherungssystem der Browning High Power mit relativ kurzem Single-Action-Abzug ohne Schlagbolzensicherung nach heutigen Maßstäben nicht mehr zeitgemäß.
Veraltet oder nicht, die High Power kann nach heutigen Maßstäben als Combat-Pistole vielleicht nicht mehr die Kür erfüllen, wohl aber die Pflicht: Die britischen Streitkräfte begannen erst vor 5 Jahren, ihre Browning L9A1 durch Glocks zu ersetzen, und die belgische Fabrique Nationale stellte die Fertigung der alten Kämpen erst im vergangenen Jahr ein – nach 83 Jahren.
Browning High Power Nickel: Eigenschaften unseres Modells
Die stromlose Oberflächenvernickelung verrät, dass es sich bei der abgebildeten Browning um ein Kind der 1980er Jahre handelt. Denn seit den späten 70er Jahren entschieden sich Pistolenhersteller wie Colt und Fabrique Nationale, bei glänzendem Oberflächenschutz nicht mehr auf eine klassische Vernickelung zu setzen, sondern auf das goldfarbene Electroless Nickel.
Rostfreier Stahl bereitete manchen Pistolenherstellern damals noch Probleme und klassische Vernickelungen neigten unter widrigen Umständen zum Anlaufen oder gar zu Abplatzern. Der Schlittenbeschriftung "Browning Arms Company Morgan Utah" zum Trotz handelt es sich auch hier um eine Waffe aus Fertigung der Fabrique Nationale: Auch die mit "Browning" beschrifteten Pistolen entstanden allesamt im belgischen Herstal.
Neben der stromlosen Vernickelung zeichnet sich dieses Stück durch das massive Rampenkorn und die voll verstellbare Kimme aus, eine Option ab 1971. Diese Varianten hörten bei Fabrique Nationale auf die Bezeichnung "Sport", die normale FN High Power mit seitlich driftbarer Standardkimme taufte man "Vigilante", die Muster mit Tangentenvisier im Stil eines Militärrepetierers oder einer C96 hießen "Capitan".
Theoretisch bietet die Sport im Gegensatz zur Basisversion Vigilante mit ihrer winzigen Visierung ein brauchbares Visierbild. In der Praxis litt der sportliche Anspruch unter der schlecht designten Seitenverstellung über 2 Schrauben auf beiden Seiten des Kimmenblattes. Und in den 80ern hatte man bei Fabrique Nationale (und anderen Firmen) kein schlechtes Gewissen, bei vernickelten Pistolen auch die Visierung gleich komplett mit zu beschichten.
Die Modifikationen wie der lange Hahnsporn anstelle des älteren Rundhammers und die stark vergrößerte Mündungsbuchse gehörten zu den ab 1973 eingeführten Änderungen an der Pistole. Der dünne Hahnsporn sollte den Schützen vor dem Biss des älteren Rundhammer-Designs schützen, die neue Laufbuchse schirmte die Mündung ab. Der dünne Schlaghammer konnte sich bei Fabrique Nationale langfristig durchsetzen, aber die große Mündungsbuchse wurde mit der Einführung der MK3 anno 1988 wieder abgeschafft.
Browning High Power: die Pistole aus heutiger Sicht
Da die Produktion bei Fabrique Nationale 2018 eingestellt wurde, kann man die High Power nur noch als gebraucht erstehen. Übermäßig teuer sind die gängigeren sowie Stücke mit exklusiven Stempeln und dabei im unverbastelten Originalzustand treiben bei den ausgefallenen Varianten den Preis in die Höhe.
Auch Ersatzteile sind nicht besonders schwer aufzutreiben. Wenn es im Ausnahmefall einmal mit der reibungslosen Funktion hapern sollte, genügt oft ein Tausch der alten und oftmals bereits bearbeiteten Federn oder der Wechsel auf ein neues Magazin von MEC-GAR, um die alten Recken wieder auf die Beine zu bringen.
Trotz der relativ niedrigen Preise muss sich die FN High Power nicht verstecken, was das piekfeine Oberflächen-Finish betrifft. Im Inneren sieht das allerdings anders aus; im Vergleich zu modernen Pistolen in Ganzmetall-Bauweise finden sich in den belgischen Ganzstahlpistolen deutlich mehr Werkzeugspuren.
Doch trotz der damals auch bei anderen Herstellern durchaus nicht unüblichen Riefen im Waffeninneren galt die FN High Power in ihren besten Tagen als Premium-Pistole: In ihrem Herstellungsjahr 1982 kostete die abgebildete Variante in den USA stolze 655,- Dollar (damals umgerechnet fast 1.600,- DM). Zum Vergleich: Einen vernickelten 6"-Colt Python hätte man damals laut Listenpreis für deutlich unter 600,- Dollar erstehen können. Eine Colt Government in Electroless Nickel oder eine Smith & Wesson M 659 Stainless Steel mit verstellbarem Visier gab es 1982 bereits für 450,- Dollar.
Browning High Power Pistole in der Praxis
Aus rein praktischer Sicht ergibt die Browning für den Einsatz auch abseits des Schießstandes am ehesten in der modernen Variante Mark 3 am meisten Sinn. Die neuen MK3 bieten zwar definitiv nicht mehr das hübsche Finish älterer Serien. Dafür warten die Pistolen ab Werk mit einer automatischen Schlagbolzensicherung sowie einer doppelseitigen Daumensicherung samt sinnvoll vergrößerten Bedienhebeln auf.
Außerdem gelten die gegossenen Rahmen der MK3 Pistole im Vergleich zu den aus dem Vollen gefrästen Griffstücken alter High Power als robuster. Kimme und Korn bieten hier ein gutes Visierbild. Wenn es trotzdem nicht gefällt – beide sitzen in einer Schwalbenschwanzfräsung und können dadurch problemlos getauscht werden.
Theoretisch eignet sich die High Power MK3 sicherheits- und bedientechnisch genauso gut für die Verteidigung wie eine moderne 1911er Pistole mit Schlagbolzensicherung, sie ist dabei aber bis auf den Griffbereich selbst schlanker und bietet eine höhere Kapazität von bis zu 15 plus einer Patrone in bündig mit dem Griffstück abschließenden Magazinen. Sollte man eine ältere Ausführung ohne automatische Sicherung dennoch führen wollen, dann möglicherweise besser unterladen.
Auf dem Schießstand mit der Browning High Power
Die meisten Schützen werden eine High Power heute aber nicht mehr tragen wollen, außer auf den Schießstand. Und da kommen die älteren Semester ins Spiel: Schöner anzusehen als die neuen MK3 sind sie allemal, zudem sie auf dem Gebrauchtwaffenmarkt auch viel leichter zu finden sind. Speziell für Disziplinen wie die Dienstsportpistole des BDS mit ihrer Modellliste für ältere Ordonnanz-Kurzwaffen eignet sich die FN High Power dank ihrer Zuverlässigkeit durchaus.
Leider müssen die Sportversionen mit Mikrometervisier außen vor bleiben. In puncto Präzision sollte man von einer normalen High Power aber nicht zu viel erwarten, dafür wurden sie auch nicht gebaut. Bei mehreren in der Ransom-Rest-Schießmaschine eingespannten Exemplaren lag der beste Streukreis bei rund 45 mm. Je nach einzelner Pistole und Munition sind für Trefferbilder von 10 Schuss aber Werte zwischen etwa 70 und 150 mm aus der Maschine sehr viel näher an der stets reproduzierbaren Realität. Dann wäre da noch das Abzugssystem als Kritikpunkt: Abzug, Schlagstück und Hahn sitzen im Griffstück, die Abzugsstange dazwischen aber im Schlitten. Dazu kommt noch die ungeliebte Magazinsicherung. Insgesamt ist dieses System nicht leicht zu überarbeiten.
Technische Daten der Browning High Power
Modell: | Browning High Power Nickel Sport |
Kaliber: | 9 mm Luger |
Kapazität: | 13 + 1 Patronen |
Maße (L x B x H): | 198 x 35 x 132 mm |
Lauflänge: | 119 mm |
Visierlänge: | 163 mm |
Abzugsgewicht: | 3.400 g |
Gewicht: | 920 g |
Preis: | nur gebraucht |
Ausstattung: | Browning-Verriegelung, Nickel-Finish, justierbare Kimme. |
Browning High Power: Möglichkeiten der Modifikation
Die abgebildete Pistole trägt alternativ zu den originalen Browning-Holzgriffen mit goldfarbenem "B" auch gecheckerte Holzgriffschalen der Firma Hogue. Die originalen Holzgriffe gehören zu den dicksten Schalen für die High Power. Montiert beträgt die Griffstückbreite handfeste 35 mm – Gummigriffe von Pachmayr sind ähnlich dick. Die Handlage lässt sich aber über die Griffe problemlos auch für mittelgroße und kleine Handschuhgrößen anpassen. Mit den gecheckteren Hogue-Schalen liegt die Breite unter 32 mm. Alternativ dazu fertigt der US-Hersteller VZ-Grips auch entsprechend schlanke Paneele aus G10 an, an die VZ-Griffe ist aber hierzulande für die Browning High Power nur schwer heranzukommen.
Griffe mittlerer Breite gibt es von Hogue in Gummi und Holz (ohne Fischhaut), sie entsprechen in der Breite den originalen Fabrique Nationale-Schalen der Nachkriegszeit aus schwarzem Plastik. Ergonomisch geformte Schalen gibt es bei der Firma Karl Nill. Diese empfehlen sich außerdem durch ihre Formgebung auch für Schützen, die auf die winzige Original-Sicherung aller Modelle vor der MK2 angewiesen sind, weil sie durch ihre Formgebung das bequeme Sichern der Browning High Power Pistole deutlich erleichtern.
Mit oder ohne weitere Modifikationen, als älteres oder aktuelleres Modell: wenn Sie an eine Browning High Power kommen, halten Sie ein schönes und großes Stück Militär- und Kurzwaffengeschichte in Händen!
Dieser Artikel erschien zuerst in der VISIER, Ausgabe 07/2019. Das Heft mit den Schießergebnissen der Browning High Power Nickel im Detail kann über den VS Medien-Onlineshop erworben werden. Es ist außerdem in einer digitalen Version verfügbar.
Hier lesen Sie unseren Test zum jagdlichen Selbstlader Browning BAR MK3 Composite Brown in .30-06.
Hier erfahren Sie mehr zur neuen FN 509 Comapct MRD von Fabrique Nationale, die auch als Behördenpistole genutzt wird.