Der amerikanische Traditionshersteller Winchester ließ die SX4 zwar bereits vor einigen Jahren vom Stapel laufen, aber bisher fand der Nachfolger der SX3 noch nicht den Weg in die Redaktion. Jetzt wird der überfällige Test ausführlich nachgeholt, mit der neuen Composite-Variante mit verlängertem Magazinrohr. Winchester Repeating Arms liefert die Flinte in einem sehr stabilen, knallroten Hartschalenkoffer. Das beiliegende Zubehör erfüllt seinen Zweck, sonderlich üppig fallen die Dreingaben aber nicht aus. Zwei zusätzliche, bündig mit der Mündung abschließende Chokes nebst Choke-Schlüssel, ein Zahlen-Abzugsschloss, ein Satz Riemenbügel, zwei Kunststoff-Schaftverlängerungen (Spacer) und eine ausführliche Bedienungsanleitung (in neun Sprachen), das war’s. Ach ja, ab Werk wird der Halbautomat mit einer Magazinbegrenzung ausgeliefert, so dass nur zwei Patronen in das Röhrenmagazin geladen werden können. Die erste Amtshandlung war daher, die Flinte zu zerlegen, um den als Begrenzer eingebauten Stab aus dem Magazinrohr zu entfernen.
Verarbeitung und Ausstattung der SX4 Composite 9 Shots:
Einmal demontiert, konnte die Flinte dann auch gleich in allen Einzelheiten ganz genau betrachtet werden. Die sorgfältige Verarbeitung der SX4 Composite 9 Shots bis in die verborgensten Ecken lässt absolut nichts zu wünschen übrig: Kompliment an den Hersteller. Bei der Winchester SX4 handelt es sich um einen Gasdrucklader im Kaliber 12/76 mit Schwenkriegelverschluss und einem Systemgehäuse aus Leichtmetall. Während viele amerikanischen Flinten ein eher rustikales Äußeres aufweisen, beeindruckt die Flinte mit einem überaus gelungenen und eleganten Design. Dabei verleiht insbesondere die dunkelgraue "Permacote"-Beschichtung von Lauf und Gehäuse der Flinte ein sehr hochwertig wirkendes Äußeres.
Auch die formschöne Laufschiene mit dem roten Leuchtkorn trägt sehr zur gelungenen und dynamischen Optik bei. Hergestellt wird die Flinte allerdings nicht in den USA, sondern bei Browning Viana in Portugal – womöglich begründet ihre europäische Herkunft die ansprechende Erscheinung. Im Gegensatz zu einigen anderen Sportselbstladern bestückt Winchester die SX4 Composite 9 Shots weder mit einen speziellen Sport-Durchladehebel noch mit einer eigens vergrößerten Taste zur Verschlussentriegelung. Lediglich die Sicherung hinter dem Abzugsbügel ist recht großzügig bemessen. Handhabung und Bedienung der Flinte fallen trotzdem sehr leicht. Hierzu tragen sicherlich die schräg eingefrästen Rillen am Durchladehebel und die Leichtgängigkeit von Sicherung und Verschlussentriegelung bei. Auch das Nachladen ging einfach von der Hand und funktioniert selbst mit der Double-Load-Technik sehr flüssig. Dabei werden zwei Patronen auf einmal in die Hand genommen und mit einer einzigen Bewegung in das Röhrenmagazin geschoben. Anders bei Quad Loads: Diese Technik, mit vier Patronen in der Hand, erfordert bei der SX4 etwas Fingerspitzengefühl und regelmäßiges Training, sonst bleibt man beim schnellen Nachladen an der Ladeöffnung hängen.
Der schwarze Kunststoffschaft weist eine ziemlich glatte und harte Oberfläche auf, den jedoch an den relevanten Partien ein griffiges Muster ziert. Die rückstoßdämpfende "Inflex"-Schaftkappe wirkt beim ersten Probeanschlag zwar ebenfalls hart und glatt, erwies sich erstaunlicherweise aber als sehr rutschfest. Einmal in die Schulter eingesetzt, sitzt die Flinte bombenfest: Ideale Voraussetzung bei dynamischen Disziplinen wie etwa Sportliche Flinte des BDMP oder auch beim IPSC-Schießen.
Durch den 76 cm langen Lauf wirkt das verbaute Magazinrohr recht kurz, fasst aber acht Patronen im Kaliber 12/76. In den Kalibern 12/63,5 und 12/60 nimmt das Magazinrohr sogar neun Patronen auf. Die Kombination aus langem Lauf und großem Magazinrohr mit Halteklammer mündet in einer angenehmen Vorderlastigkeit der Flinte, was sich positiv auf den Hochschlag auswirkt. Der Werksabzug kann als sehr gelungen angesehen werden: Nach einem minimalen und sehr kurzen Vorzugsweg löste er bei dem Testexemplar exakt definiert und absolut trocken aus. Der gemessene Abzugswiderstand von 2.250 Gramm ist für eine Selbstladeflinte schon an sich ein sehr guter Wert, fühlt sich durch die sehr gute Charakteristik aber erheblich niedriger an.
Wie steht es um das Zubehör? Die Auswahl für halbautomatische Flinten aus dem Hause Winchester kann sich sehen lassen. So gibt es Magazinrohre in verschiedenen Längen und unterschiedlichen Kapazitäten, wie auch diverse Schaftkappen und weitere Spacer (Zwischenstücke) zur Anpassung des Schafts an die jeweilige Körpergröße. Auch eine große Auswahl an Choke-Einsätzen ist auf dem Markt verfügbar, sowohl in mündungslanger als auch in verlängerter Ausführung (Extended Choke). Für Winchesters SX3 und SX4 gibt es auch eine spezielle Montageschiene mit Weaver-Profil, die ganz einfach nur mittels zweier Klemmschrauben befestigt wird, auf dem Systemgehäuse sind dafür bereits entsprechende Aussparungen vorhanden. Will man die Flinte mit einer optischen Visierung ausrüsten, kann man sich den Gang zum Büchsenmacher also sparen. Weiteres Tuning-Zubehör wie vergrößerte Durchladehebel, spezielle Magazinzubringer und Tuning-Federn sind ebenfalls erhältlich.
Technische Daten und Preis der Winchester SX4 Composite:
Modell: | Winchester SX4 Composite 9 Shots |
Preis: | 1.170,- Euro |
Kaliber: | 12/76 |
Kapazität: | 8+1 Patronen |
Länge: | 1.340 mm |
Lauflänge: | 760 mm |
Schaftlänge: | 362 mm |
Abzugsgewicht: | 2.250 g |
Gewicht: | 3.300 g |
Links-/Rechtsausführung: | rechts |
Ausstattung: | Gasdrucklader, Schwenkriegel-Verschluss, Leichtmetallgehäuse für Optikmontage vorbereitet, Fiberglaskorn, Lauf optional auch in 71 cm Länge erhältlich. |
Auf dem Schießstand mit der Winchester SX4 Composite:
Zuerst das Positive: An der Funktion gab es absolut nichts zu bekritteln. Winchesters SX4 Composite 9 Shots funktionierte völlig problemlos mit jeder verwendeten Munitionssorte. Die Flinte schoss sich verhältnismäßig weich mit geringem Hochschlag und wenig Rückstoß. Während des ganzen Tests gab es keine einzige Störung. Auch Magazinfüllungen mit wild durcheinander geladenen Patronen unterschiedlichster Art wurden anstandslos geleert. Egal ob leichte oder schwere Kost, die Testwaffe verdaute jeden Schrot, egal ob mit 24, 28 oder 32 Gramm schwerer Vorlage.
Das Gleiche galt auch für die Verwendung von Flintenlaufgeschossen: Der Gasdrucklader absolvierte jeweils mehrere Durchgänge mit Slugs in unterschiedlichster Stärke und Hülsenlänge. Die Winchester SX4 lief auch hier völlig störungsfrei, egal ob mit schwachen, ultrakurzen Slugs im Kaliber 12/60 oder mit langen, hart geladenen 12/76er Magnum-Patronen. Gerade mit den kurzen 12/60er Flintenlaufgeschossen kommt es bei den meisten Selbstladeflinten immer wieder zu Funktionsproblemen – kein Wunder, denn diese Patronen sind vom Hersteller eigentlich nur für Repetierflinten vorgesehen. Umso erfreulicher, wenn ein Halbautomat auch diese Munition störungsfrei verschießt. Dies sagt nicht nur etwas über die gelungene Abstimmung der Flinte aus, sondern hat bei dynamischen Disziplinen auch handfeste Vorteile. Durch den geringeren Rückstoß und Hochschlag der schwach geladenen Patronen können Folgeschüsse wesentlich schneller abgegeben werden, ein Plus bei Disziplinen, in denen die benötigte Zeit mitgewertet wird.
Zur Kontrolle der Präzision traten zwei Schützen an, jede Munitionssorte wurde von den beiden Prüfern mehrmals getestet, um mögliche Zielfehler weitestgehend auszuschließen. Dabei wurde aus dem Sitzen mit aufgelegter Waffe geschossen – und da kann man die Präzision auf 25 Meter als sehr gut bezeichnen, obwohl das Zielen über Laufschiene und Leuchtkorn nicht die allerbeste Voraussetzung für enge Streukreise darstellt. Mit einer zusätzlichen Kimme, einem Ghost-Ring-Sight oder einem Leuchtpunktvisier dürften die Streukreise noch deutlich besser ausfallen. Aber auch so sind die Ergebnisse aller Ehren wert. Die Winchester SX4 Composite traf mittig bei einem Hochschuss von zirka 40 bis 70 mm, je nach Laborierung. Abhilfe könnte hier ein etwas höheres Korn oder ein Korn mit einem größeren Durchmesser schaffen.
Test-Fazit zur SX4 Composite von Winchester:
Die Winchester SX4 Composite 9 Shots ist eine hervorragende und optisch sehr ansprechende Selbstladeflinte zu einem sehr guten Preis, sie ist jeden einzelnen Cent wert. Noch etwas zur eingangs erwähnten Aussage von Winchester bezüglich der Schnelligkeit. Mit der SX4 sind tatsächlich extrem schnelle Schussfolgen möglich. Ob sie aber wirklich die schnellste halbautomatische Flinte am Markt ist, konnten die Tester mit den üblichen Prüfmethoden leider nicht überprüfen und daher auch nicht zweifelsfrei bestätigen. Allerdings konnte die Winchester SX4 mit ihrer absoluten Zuverlässigkeit und mit ihrem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis mächtig beeindrucken. Sie gehört mit Sicherheit zu den derzeit besten Selbstladeflinten auf dem Markt. Schade nur, dass der Test so schnell vorbei war.
Text: Frank Flumm und Hamza Malalla
Weitere Informationen zur SX4 Composite 9 Shots erhalten Sie auf der Homepage von Winchester.
Hier stellen wir Ihnen die Winchester-Neuheiten für 2021 vor.