Test: Derya Selbstladeflinte MK 12 IPSC in 12/76 - was kann der Halbautomat beim sportlichen Schießen? Der Bericht mit Video vom Schießstand

Derya MK 12 IPSC komplett von links.
Die Derya MK 12 IPSC in
der Gesamtansicht. Der schmale Handschutz ist auch im Langzeitgebrauch sehr handhabungsfreundlich. Aufgrund des geringen Abstandes zur Gasentnahmeeinheit
sind leicht schwarze Hände kaum zu vermeiden, es sei denn, man trägt Handschuhe.

Flinten mit Kastenmagazinen auf dem technischen Fundament der AR-15- oder AK-47-Selbstladegewehre üben schon im Gesamterscheinungsbild einen gewissen Reiz aus. Solche Glattläufer waren schon oftmals Gast bei all4shooters.com und Medienpartner caliber, so haben wir beispielsweise in caliber 11-12/2017 die Typhoon Defence F-12 oder in caliber 6/2020 und auf all4shooters.com die Armsan RS-S1 mit Video vorgestellt. Doch auch in Technik und Handhabung besitzen sie besondere Merkmale. Denn das Nachladen vollzieht sich im Vergleich zu Halbautomaten mit unter dem Lauf angeordnetem Röhrenmagazin wesentlich schneller und einfacher. Selbst wer nicht unter Zeitdruck steht, findet diese Art des Nachladens oftmals komfortabler. Zwar kann man bei Selbstladeflinten mit Röhrenmagazin die Nachladegeschwindigkeit durch spezielle, manuelle Ladetechniken oder Schnelllader erhöhen, wer aber den Magazinwechsel vom Gewehr kennt, braucht sich nicht umzugewöhnen und ist konstruktionsbedingt ohnehin fixer. Zudem lassen sich die vielfältigen Munitionssorten, die aus dem Glattläufer in Form von Flintenlaufgeschossen (Slugs), Postenschrot (Buckshot) oder Schrot (Birdshot) verschossen werden können, schneller wechseln, wenn geladene Reservemagazine bereitstehen. Ein Umstand, der so manche Flinte mit Kastenmagazin auch für den Behördenbereich interessant macht. Bei Repetierflinten sieht man solche Konstruktionen beispielsweise bei der Mossberg 590 M oder Remington 870 M. Wer allerdings im IPSC-Bereich mit dem Kastenmagazin starten will, der kommt automatisch in die Open Division und damit in die "Formel 1" dieses dynamischen, abwechslungsreichen Sports. Deshalb ist unser Protagonist genau für diese internationale Disziplin ausgelegt, könnte aber auch für andere Einsatzzwecke wie Fallscheibe verwendet werden.

Video: Die Derya MK 12 IPSC im Schuss


Die IPSC-Flinte MK 12 von Derya im Detail:

Wer an Flinten denkt, der hat oftmals Bella Italia mit seinen Fabriken oder kleinen Büchsenmachern vor Augen. Aus der Türkei kommen aber immer mehr Flinten als Selbstlade-, Repetier- und auch als Kipplaufwaffen. Oftmals liegen diese im unteren bis mittleren Preissegment und wer nicht viel Geld ausgeben möchte oder kann, findet hier eine preiswerte Auswahl. Der türkische Hersteller Derya, der auch im Automotive-Bereich aktiv ist, beschäftigt sich bereits seit 1998 mit dem Waffenbau und bietet mit der Modellreihe MK 12 einige Flinten mit Kastenmagazin an. In Deutschland ist die MK 12 IPSC in Ausführungen mit 43 Zentimetern, 50 Zentimetern und 60 Zentimetern Lauflänge erhältlich. Das man sich beim Design an das AR-15 anlehnt, ist nicht nur dem Zeitgeist geschuldet, sondern hat auch praktische Gründe. Der Rückstoß verläuft geradlinig in die Schulter und auch die Bedienelemente sitzen dort, wo man sie auch beim AR-15 findet. Das ist beispielsweise auch im aktionsreichen 3-Gun- oder Multigun-Sport von großem Vorteil, weil man die zwei unterschiedlichen Waffensysteme Gewehr und Flinte identisch bedienen kann. Somit kann man dann durch die Fütterung mittels Kastenmagazin in gewohnter Weise schnell agieren ohne sich umstellen zu müssen. So einfach und praktisch kann die Umstellung auf den Glattläufer sein.

Derya MK 12 IPSC in zerlegtem Zustand.
Die Derya MK 12 IPSC in ihre Hauptbestandteile zerlegt. Hier zeigt sich die Bauweise à la AR-15.

Ergonomie und Bedienelemente der Derya MK 12:

Ausgezogene Wangenauflage der Derya MK 12 IPSC.
Die Wangenauflage der Derya-IPSC-Flinte kann der Schütze stufenlos einstellen.

Da wir gerade beim Thema Ergonomie sind, soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich der Ladehebel auf die linke Seite umsetzen lässt. Dieses System nennt der türkische Hersteller DAXOS (Dual Axis Operation System). Der Magazinauslöser ist nur rechtsseitig zu finden und der Verschlussfanghebel befindet sich in gewohnter Weise auf der linken Waffenseite. Die Schulterstütze im M4-Design ist in fünf Stufen längenverstellbar, sodass sich Abstände von 304 bis 386 mm von Abzug bis Schaftkappe realisieren lassen. Die höhenjustierbare Wangenauflage kann bei Verwendung eines Leuchtpunktvisiers sehr hilfreich sein. Der große Magazintrichter unterstützt flüssige Magazinwechsel in der Hitze des Wettkampfes. Er ist ebenso wie die Bedienelemente signalorange oberflächenbehandelt, was die sportliche Note der Derya MK 12 IPSC unterstreicht. Doch schon nach kurzer Erprobungszeit und Schießpraxis zeigten sich erste Abnutzungsspuren, wobei es sich scheinbar um eine Einbrennlackierung handelt. Damit muss man aufgrund des niedrigen Preises wohl leben. Aber Hand auf Herz, welches Sportgerät sieht nach eifriger Benutzung noch taufrisch aus? Der Abzug mit seinem breiten, geriffelten Abzugsschuh sieht sportlicher aus als er ist. Mit rund 3.600 Gramm könnte er durchaus etwas geringer im Abzugsgewicht ausfallen.

Magazinschacht und Bedienelemente der Derya MK 12 IPSC.
Der große Magazintrichter der MK 12 sorgt für einen schnelleren Wechsel der Kastenmagazine. Das Bild zeigt auch: Der Ladehebel lässt sich auch auf die linke Waffenseite umstecken.

Die Mündung der Derya-IPSC-Flinte: Kompensator und Chokes

Derya MK 12 IPSC mit großen Kompensator an der Mündung.
Der große Kompensator hilft, den Rückstoß
besser kontrollieren zu können. Er sorgt mit dem Kastenmagazin auch für die markante Optik der Derya-Sportflinte MK 12.

An der Mündung sitzt der mächtige Kompensator, dessen Größe und die Anzahl der vielen Prallflächen den recht gasdruckschwachen Patronen geschuldet sind. Wichtig bei Flinten für den sportlichen Bereich ist die Anpassung der Schrotgarbe mittels Wechselchokes. Drei wichtige Größen mit Zylinder-, Halb- und Vollchoke liegen der Waffe bei. Zumindest laut Bedienungsanleitung, bei unserer Testwaffe verirrte sich wohl ein weiterer Zylinderchoke statt des Halbchokes in die schwarze Kunststoffbox, was wohl ein Einzelfall sein dürfte. Praktisch, dass Derya gleich einen langen Schlüssel mit beilegt, mit der sich die verchromten Chokes auch ohne Abnahme des Kompensators wechseln lassen. Wer allerdings die Waffe zur Reinigung zerlegen möchte, muss den Lauf und Verschluss nach vorne herausnehmen, auch wenn das AR-15-Design mit dem aufklappbaren Upper- und Lower-Receiver vielleicht etwas anderes suggeriert. Wer übrigens nicht den Kompensator benutzen möchte, dem legt Derya eine lange Laufhülse bei, mit der sich der Laufmündungsbereich formschön verkleiden lässt.

Zwei verschiedene Kolben für den Gasdrucklader von Derya:

Mitgelieferte Gaskolben der Derya MK 12 IPSC.
Zum Lieferumfang der MK 12 IPSC gehören bei Derya zwei Gaskolben für harte und weiche Munitionssorten. Für die sportlichen
12/70 Patronen sollte es generell die "Light Loads"-Ausführung sein.

Bei dem Gasdrucklader mit Kurzhubsystem zapfen drei um 120 Grad versetzte Bohrungen das Gas ab und zwei Stößel leiten den Impuls auf den Verschlussträger weiter. Im Hartschalenkoffer mit Rollen und viel Zubehör entdeckt man zwei Gaskolben. Die "Heavy Load"-Ausführung ist dabei für echte Magnum Ladungen in 12/76 gedacht. Wir bauten deshalb gleich die "Light Load"-Ausführung ein, um die sportlichen Laborierungen besser auf Funktion prüfen zu können. Auf der Oberseite des Leichtmetallsystemgehäuses thront eine MIL-STD-1913-Montageschiene mit einer durchaus brauchbaren, klappbaren, mechanischen Visierung (Back Up Iron Sight, BUIS). Hier dürfte aber als Zielhilfe ein Leuchtpunktvisier die bessere Option sein, deshalb verwendeten wir für unseren Test auch ein Falke S, das mit seinem gutem Preis-Leistungs-Verhältnis bestens zur Derya MK 12 IPSC passt.

Alle Details und Preis zur Derya MK 12 IPSC-Flinte auf einen Blick:

Modell:Derya MK 12 IPSC
Preis:1.199,- Euro
Kaliber:12/76
System:
Gasdrucklader (Short Stroke)
Lauflänge:500 mm
Chokes:Wechselchokes: Cylinder (18,6 mm), Modified, Full (17,4 mm)
Magazinkapazität:2 / 10 Patronen
Abzugsgewicht:3.600 g
Gesamtlänge:1.025 - 1.105 mm
Gewicht:ca. 4.360 g

Mit der MK 12 IPSC in 12/76 auf dem Schießstand:

Neben dem Präzisionstest mit Flintenlaufgeschossen auf 25 Meter verfeuerten wir viele Schrotpatronen mit Vorlagen von 28 bis 32 Gramm auf der Fallplattenanlage. Das Aufmunitionieren der Kastenmagazine funktioniert bis auf die letzte Patrone, die dann schon einen beherzten Daumendruck benötigt, sehr gut. Nach dem Befüllen lassen sich die Magazine sauber und ohne große Kraftanstrengung in der Waffe einrasten. Mit den 24-Gramm-Patronen, wie beispielsweise der Rottweil Special Trap, ist man definitiv am untersten Bereich der Funktion angekommen. Oftmals wurden die Hülsen vom Verschluss gefangen oder gar nicht zugeführt, weil er seine hinterste Endstellung nicht erreichte. Für den angedachten Einsatzweck als IPSC-Flinte ist das aber vernachlässigbar, da mit der 24-Gramm-Vorladung ohnehin nicht der Mindestfaktor von 480 erreicht wird. Im Test ereigneten sich insgesamt drei Störungen mit der S&B Whiteline Slug und zweimal mit der GECO Competition 29 Gramm. Man sollte also durchaus checken, welche Munition in der Flinte am besten funktioniert. Nicht immer ist da die reine Vorlage der Schrotgarbe ausgebend. So funktionierte beispielsweise die Fiocchi F3 trotz geringen Impulses/Faktors besser als die GECO 29 Gramm Competition.

Etwas erschwerend kommt noch hinzu, dass die stumpfen Patronen aus den Kastenmagazinen mehr Kletterpartien unternehmen müssen, um ins Patronenlager zu gelangen als bei Flinten mit Röhrenmagazin und Ladelöffel. Der gradlinige Rückstoßverlauf und der großflächige Kompensator sorgten für geringen Hochschlag und angenehmen Rückstoß, sodass selbst härtere 12/70 Ladungen auf Dauer gut zu verschießen sind. So geht man auch nach einem längeren Trainingstag ohne ermüdete Schulter vom Stand. Dahingehend ist die Derya MK 12 IPSC äußerst gelungen und bereitet jede Menge Schießspaß.

Derya MK 12 IPSC mit Laufmantel, komplett von rechts.
Adrette Alternative: Wer den Kompensator der MK 12 IPSC nicht benutzen möchte, kann den Lauf mit einer formschönen Laufhülse verkleiden.

Test-Fazit zur Derya MK 12, der IPSC-Flinte für Sportschützen:

Sieht man einmal von kleinen, vernachlässigbaren Makeln wie einem relativ hohen Abzugsgewicht und der nicht sehr widerstandsfähigen Oberflächenbeschichtung der Bedienelemente ab, offeriert Derya mit der MK 12 IPSC ein imposantes Gesamtpaket mit gutem Preis/Leistungsverhältnis. Schließlich erhält man neben der sauber gemachten und bestens funktionierenden Selbstladeflinte im AR-Stil gleich vier Magazine (1x für 2 Patronen, 3x für 10 Patronen) und drei Wechselchokes in einem gut zu transportierenden Rollkoffer mit Tragegriff. Der ganze Spaß kostet dann rund 1.200 Euro. Faire Sache!


Dieser Test erschien zuerst in der caliber, Ausgabe 4/2021. Das Heft ist im VS Medien-Shop als Print-, ebenso wie als Digitalausgabe erhältlich.

Weitere Informationen zu den Waffen von Derya, gibt es auf den Seiten des Herstellers. Außerdem beim deutschen Importeur, der RUAG Ammotec GmbH.

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