In den frühen Jahren der Selbstladeflinte spielte die Munitionsabhängigkeit eine wesentliche Rolle. So richtete sich in den zurückliegenden Jahrzehnten ein Hauptaugenmerk der Konstrukteure auf die Erweiterung des Funktionsfensters, also dem störungsfreien Verschießen einer möglichst breiten Laborierungspalette mit unterschiedlichem Gewicht der Schrotladung. So wurde es inzwischen zum Standard moderner Selbstladeflinten, dass sie, eingerichtet für das Kaliber 12/76, auch Patronen des Kalibers 12/70 störungsfrei verschießen. Die Schrotvorladungen reichen damit von 24 Gramm bis 52 Gramm.
Diese technische Weiterentwicklung ließ auch hierzulande die Selbstladeflinte aus ihrem Schattendasein heraustreten und in den Focus der Jägerschaft rücken.
In der Praxis bieten Selbstladeflinten gegenüber doppelläufigen Flinten bei der Jagd zwei wesentliche Vorteile: Zum einen kann auch der dritte Schuss sehr rasch erfolgen und zum anderen haben sie bei gleichen Patronenlaborierungen einen milderen Rückstoß, der den Schützen bei langen Schussserien schont.
Als Hauptnachteil kann ins Feld geführt werden, dass für alle rasch hintereinander abzugebenden Schüsse nur eine Choke-Alternative zur Verfügung steht. Dieser Nachteil kann in der Praxis zumindest teilweise durch die passende Patronenlaborierung egalisiert werden. Um die Flinten den verschiedenen Jagdsituationen problemlos anpassen zu können, haben sich - wie inzwischen auch bei den Bockflinten - Wechselchoke-Einsätze durchgesetzt.
Selbstladeflinten entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts. John M. Browning stand an der Wiege dieses Waffentyps. Seine legendäre, als Rückstoßlader konzipierte und 1903 bei FN in Belgien in die Serienproduktion gegangene Auto 5 wurde zur ersten erfolgreichen Selbstladeflinte.
Dem Grunde nach kennen wir zwei Funktionsprinzipien bei der Selbstladeflinte: Rückstoßlader und Gasdrucklader.
Zum einen gab es das Prinzip des verriegelten Rückstoßladers bei dem der Lauf ein Stück, bis zur Lösung der Verriegelung mit dem Verschluss nach hinten läuft.
Mit diesem Funktionsprinzip begann in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts die Ära der Selbstladeflinten mit der legendären BROWNING Auto 5, deren Grundkonstruktion auch bei anderen Herstellern zu finden war, so beispielsweise bei den frühen Selbstladeflinten von REMINGTON und FRANCHI.
Die Hauptnachteile dieser Urkonstruktion einer Selbstladeflinte sind eine relativ große Munitionsabhängigkeit sowie ein teilweise unangenehmer Rückstoß. Man musste diese Flinten auf die jeweils gewünschte Laborierung justieren.
Ferner irritierte der zurücklaufende Lauf manchen Nutzer. So richtete sich das Augenmerk der Konstrukteure zunächst auf die Behebung des Laufrücklaufs sowie auf eine Minimierung der Munitionsabhängigkeit. Es gab noch einige Versuche mit Rückstoßladern, aber spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte dem Gasdrucklader die Zukunft.
Das Grundprinzip dieses Waffentyps ist bekannt: Im Bereich des Vorderschafts befindet sich im Lauf die Gasabnahmebohrung. Das dort abgezapfte Gas wirkt über den Kolben auf den Nachlademechanismus.
Der Gasdrucklader, dessen größter Nachteil die Verschmutzung durch die abgezweigten Gase ist, wurde in den letzten Jahrzehnten sowohl hinsichtlich der Munitionsunabhängigkeit als auch der Verschmutzung drastisch verbessert und zur Perfektion gebracht.
Dafür stehen beispielsweise die BERETTA A 400 Xplor Unico, die REMINGTON Vera Max sowie die BROWNING Maxus.
Alle drei beispielhaft genannten Gasdrucklader verschießen Schrotpatronen von 12/70 bis 12/89 von 24 bis 63 Gramm Schrotladung störungsfrei. Bei der REMINGTON Versa Max wird die Gasabnahme für den Nachladevorgang im Bereich des Patronenlagers vorgenommen. Die unterschiedlich langen Hülsen der Patronen lassen eine bestimmte Anzahl an Gasabnahmebohrungen frei. Bei der BERETTA A 400 Unico sieht die Lösung der Problematik wiederum anders aus. Die A 400 Unico ist ein Gasdrucklader mit Drehkopfverschluss und selbstreinigendem Gasdruckladersystem. Die beiden zwangsgesteuerten Verriegelungswarzen treten in entsprechende Ausfräsungen am Laufansatz.
Um die gewünschte Funktionssicherheit mit einer breiten Palette an 12er-Schrotpatronen zu erreichen, muss genau die passende Gasmenge für die betreffende Laborierung für den Ladevorgang abgezweigt werden. Erreicht wird dies durch einen neuen Gaskolben mit einem sogenannten Scraper-Band, das nicht nur das Gaszylinderinnere reinigt, sondern aufgrund seiner Form auch das Ventil abdichtet.
Beim Einströmen des Gases in das Ventil erhöht sich der Druck und der Kolben setzt sich in Bewegung. Laut Hersteller ist das neue Selbstladesystem 36 Prozent schneller als die bisher besten bekannten Systeme. Dazu wurde der Verschlussrücklauf gegenüber dem Vorgängermodell AL 391 verkürzt. BERETTA nennt diesen neuen „Hochleistungsmotor“ seiner A 400 Unico „Blink“.
Das Herzstück der BROWNING Maxus ist das als „Power Drive“ bezeichnete Gasdruckladersystem. Um bei schweren Ladungen das Gas schneller abzuleiten, wurden gegenüber den früheren BROWNING-Gasdruckladersystemen weitere Ablassöffnungen angebracht. Eine neue Dichtung hält die Gase aus dem Mechanismus fern, was wiederum die Ladegeschwindigkeit erhöht. Den Superlativ der schnellsten Selbstladeflinte nimmt WINCHESTER auch für seinen Gasdrucklader Baureihe SX3 in Anspruch.
Das Active-Valve-System der SX3 passt sich automatisch den verschiedenen Laborierungsstärken an. Besonders preiswerte Alternativen gibt es ebenfalls auf dem Markt, die auch mit einer großen Spannbreite bei der Funktionssicherheit punkten, so beispielsweise die bei FRANKONIA erhältlichen MERCURY-Gasdrucklader aus türkischer Fertigung (HATSAN ARMS COMPANY).
Das Problem der Verschmutzung durch die Verbindung von Pulverschmauch mit Feuchtigkeit und Staub haben die Konstrukteure bei den heutigen Gasdruckladern soweit minimiert, dass in der jagdlichen Praxis keine Probleme damit auftreten, jedoch bleibt bei extremen Situationen ein Restrisiko. Es ist folglich unumgänglich zur sicheren Funktion das Gasdruckladersystem von Zeit zu Zeit ordentlich zu reinigen.
Betrachtet man diese Fakten theoretisch, so wäre eine Rückstoßlader-Konstruktion mit festem Lauf und gemildertem Rückstoß mit einem störungsfreien Verschießen einer möglichst großen Palette unterschiedlicher Laborierungen das anzustrebende Ziel. Genau diese Konstruktion stellt das Inertia-System von BENELLI dar.
Es handelt sich um einen Rückstoßlader, bei dem der Masseverschluss verriegelt wird. Der Verschlussblock, der an seinem Ende die Riegelstange trägt, besitzt vorne einen vom Verschlussblock getrennten Verschlusskopf mit Drehwarze und Auszieher. Zwischen dem Verschlussblock und dem Verriegelungskopf befindet sich eine sehr stabile Torsionsfeder. Durch den Rückstoß wird die Masse des Verschlusses bewegt und hebt so nach einigen Millimetern Bewegung die Verriegelung auf. Der Verschluss kann dann vollständig zurückfahren, die leere Hülse ausstoßen und den Nachladevorgang ausführen. Das Inertia-System besteht also im Wesentlichen aus dem Verschlussblock, dem zwangsgesteuerten Verschlusskopf und der Inertia-Feder. Dieses Funktionsprinzip hat inzwischen auch BROWNING für seine neue Selbstladeflinte A5 übernommen. Dieses in den BENELLI-Selbstladeflinten seit Jahrzehnten bewährte und stetig optimierte System wurde vor einigen Jahren für die neue Selbstladeflinte BENELLI Vinci weiterentwickelt, ohne dass dabei das Grundprinzip geändert wurde.
Alle Teile bewegen sich beim Vinci-Inertia-System nur in einer Längsrichtung. Auch sonst hat BENELLI mit der Vinci neue Maßstäbe gesetzt. Die Vinci besteht aus drei Hauptmodulen, deren Zusammensetzung und Zerlegung ohne Werkzeug buchstäblich im Handumdrehen möglich ist.
Von fast allen diesen ursprünglich als Jagdflinten entwickelten Modellen gibt es längst Polizei-Modelle für den taktischen Einsatz sowie an den Bedürfnissen des IPSC-Schießens orientierte Varianten. Neben der Funktionssicherheit widmeten sich die Konstrukteure auch der Rückstoßmilderung. Insbesondere bei den Premium-Marken wurden hier in den letzten Jahren beträchtliche Erfolge erzielt.
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