Match-Halbautomat auf Basis des AR-10 in .308 Winchester: Stag Arms Stag 10 Long Range

Auf dem deutschen Markt ist Stag Arms ein Newcomer. Im Heimatland der vor fünf Jahren von Connecticut nach Cheyenne im Bundesstaat Wyoming umgezogenen Firma sieht das ganz anders aus: Das ursprünglich auf AR-15 spezialisierte Unternehmen wurde bereits 2003 gegründet und ist in den USA seit Jahren auf dem Markt für Jagd, Sport und Home Defense fest etabliert. Neben Zubehörteilen, AR-15 und AR-10 hat das Unternehmen inzwischen mit der „Pursuit“ auch eine Baureihe von Zylinderverschlussrepetierern im Sortiment. Typisch amerikanisch ist man in Cheyenne stolz darauf, dass es sich bei den Waffen von Stag Arms zu 100 Prozent um Waffen aus US-Fertigung handelt. Ob dabei jedes Einzelteil in Wyoming hergestellt wird, mag dahingestellt bleiben, jedenfalls wurde Stag Arms inzwischen von Aero Precision gekauft, ebenfalls ein US-Spezialist für AR-Waffen und Teile. Die „großen“ AR-Selbstlader in .308 Winchester und 6,5 Creedmoor hören bei Stag Arms alle auf die Bezeichnung „Stag 10“. Bei dem vorliegenden Testexemplar handelt es sich um eine Variante mit dem Namenszusatz Long Range.

Den Verschlusskopf View des Stag 10.
Den Verschlusskopf wie auch den Verschlussträger des Stag 10 schützt eine QPQ-Vergütung (Nitrierung) vor Beschädigungen und Korrosion.

Die halbautomatische Büchse Stag 10 im Detail:

Seine Abstammung verbirgt der Halbautomat weder äußerlich noch in seinem Inneren. Es handelt sich um einen konventionell aufgebauten Gasdrucklader im AR-10-Stil mit einem Drehkopf-Verschluss und (nicht verstellbarer) direkter Gasübertragung über das Gasrohr oberhalb des Laufes auf den Verschlussträger. Der Leichtmetall-Handschutz der Legierung 6061 ermöglicht dem Lauf freies Schwingen. Der Verschlusskopf besitzt sieben Warzen und eine vertrauenerweckend breite Auszieherkralle. Nicht ganz so klassisch, aber auch bei diversen anderen „AR-10“-Herstellern zu finden: Aus dem Stoßboden ragt nicht ein einzelner gefederter Ausstoßer vor, bei der Stag 10 finden sich dort gleich zwei Austoßerbolzen.

Bedienhebel des Stag Arms Stag 10.
Sämtliche Bedienhebel vom Verschlussfang über den 90°-Sicherungsflügel bis zum kleinen Durchladehebel sind am Stag Arms Stag 10 absolut im klassischen AR-Style gehalten.

Eine Nitrierung schützt den 51 cm (20 Zoll) langen Lauf vor Korrosion. In seinem Inneren versetzt ein 1:10-Inch-Drall (254 mm) die Geschosse in Rotation. Das passt gut zu der Modellbezeichnung Long Range, für die .308 Winchester stellen 254 mm die kürzeste unter den gängigen Dralllängen für dieses Kaliber dar. Der vergleichsweise kurze Drall sollte problemlos auch mit den schwersten (eigentlich: den längsten) Match-Geschossen klarkommen, die auf eine vernünftige Patronengesamtlänge geladen noch in das zehnschüssige PMAG-Magazin passen. Als Legierung für das Rohr nennt Stag Arms 4150 CMV (Chrom Molybdän Vanadium), in den USA seit Jahrzehnten die gängige Stahlsorte für „Milspec“-ARs. Auch dem Verschlusskopf sowie dem Verschlussträger spendiert Stag Arms eine Nitrierung als Oberflächenschutz. 

Zu den Bedienelementen. Da findet sich am Long Range-Modell ausnahmslos absoluter AR-Standard: Kleiner Standard-Durchladehebel, die typische Flügelsicherung mit 90-Grad-Winkel, ein konventioneller Verschluss-Entriegelungshebel und eine klassisch manuelle Schließhilfe für den Verschluss. Und all das ebenso klassisch nur für Rechtshänder ausgelegt. Hat Stag Arms etwas gegen Linkshänder? Nein, keine Bange, genau das Gegenteil ist der Fall. Für die „South Paws“ unter den Nutzern offeriert das Unternehmen die Waffe auch als reinrassiges Linkshand-Modell, komplett mit spiegelverkehrtem Auswurffenster und Hülsenauswurf nach links. Was an der Ausstattung fehlt: Wie bei fast allen „Match“-ARs unabhängig vom Hersteller verzichtet auch Stag Arms auf eine mechanische Visierung.

Stag Arms Stag 10 Long Range: Verarbeitung und Handling

„Fit & Finish“ der Testwaffe machten insgesamt für eine Büchse im AR-10-Stil einen guten Eindruck, ohne den Anspruch auf „Super-Premium“ bis ins letzte Detail. Gehäuse und Handschutz zeigten gleichmäßig bearbeitete Oberflächen mit klar und ebenmäßig definierten Kanten. Auch der Verschlusskopf und -träger sind blitzsauber verarbeitet, selbstverständlich mit herzhaft verstemmten Schrauben der Gasaufnahme. Die Beschriftungen sind fast alle gerollt statt lasergraviert und auch hier hat Stag Arms einen handwerklich attraktiven Job gemacht. Kleine Abstriche in der Detailverarbeitung gab es an dem Testmuster auch, wenn auch keine richtigen Aufreger. Ein Spiel zwischen den Gehäusehälften war zwar vorhanden, aber nur sehr geringfügig ausgeprägt. Im Prinzip musste man absichtlich die Gehäusehälften mit festem Griff an Hinter- und Vorderschaft gegeneinander verwinden, damit hier etwas spürbare Bewegung hineinkommt. Hielt man die Waffe ganz dicht und völlig gerade vor das Auge, sah man etwas Licht zwischen Upper und Lower durchschimmern. Der fest mit dem Lower verstiftete Abzugsbügel aus Metall klapperte einen Hauch. Die AR-typischen Standard-Bedienelemente verrichteten am Stag 10 alle klaglos ihren Job, aber es sind halt Standard-Bauteile und genauso sehen sie halt auch aus. 

PRS-Schaft der Stag 10.
Reich ausgestatteter Hinterschaft am Stag 10: Der PRS-Schaft lässt sich in Länge und Höhe verstellen. Unten hat er M-Lok-Schlitze für einen Erdsporn, und einen Riemenbügel mit QD-Aufnahme gibt es auch. 

Die Plastik-Anbauten in Form von Griff, Hinterschaft und Magazin stammen ja alle drei von dem US-Unternehmen Magpul und da gibt´s an der Verarbeitung nix zu meckern, der Kunststoff ist sauber verarbeitet und die drei Magpul-Bauteile gibt es ja bereits seit Jahren. Falls ihn ein AR-Fan noch nicht kennen sollte, kurz ein Wort zu dem seit Jahren bei Match-Modellen sehr beliebten PRS-Hinterschaft, der ja als von Stag Arms zugekauftes Anbauteil auch preismäßig relativ kräftig ins Kontor schlägt. Der Schaft ist schön verarbeitet, ergonomisch gut geformt und ermöglicht über zwei Stellräder das stufenlose Anpassen der Schaftlänge und der Höhe der Wangenauflage. Auch ausgezogen wackelt oder rappelt an dem Schaft nichts, es gibt aber keine Auszugsstufen, Fixierungen der Positionen oder Markierungen. Außerdem wiegt der Schaft knapp 800 Gramm und kostet im Zubehörhandel als Einzelteil aktuell rund 300,- Euro. 

Was im Bereich Handhabung nicht so hundertprozentig gut gefiel, ist schnell aufgezählt. Wie für sehr großzügig skelettierte AR-Vorderschäfte mit sauber definierten Kanten an allen Öffnungen üblich, egal ob M-Lok-Schlitze oder reine Ventilationsöffnungen, greift sich solch ein Aluminium-Handschutz mit bloßer Hand nicht besonders schön, der von Stag Arms macht hier keine Ausnahme. Bei geöffnetem Verschluss rutschte das mitgelieferte PMAG komplett leer nur dann frei aus dem Magazinschacht, wenn dieser ganz gerade zum Boden zeigte. Das war es dann auch schon, ein Long Range-AR muss nicht beidseitig bedienbar sein und das Stag 10 gibt es ja auch als echtes Linkssystem. Davon abgesehen ist die Bedienung wie die aller typischen AR-Waffen ergonomisch gut gelöst, mit Ausnahme des Durchladehebels vielleicht. Und freundlicherweise spendiert der Hersteller der Version Long Range den hauseigenen „Two Stage“-Matchabzug, der keinerlei Anlass zur Kritik bot. Ein trocken bei 2.100 Gramm auslösender Druckpunktabzug mit leichtem, sauberem Vorweg und ohne störenden Nachzug – so etwas gehört eigentlich in jedes sportlich oder jagdlich genutzte AR.

Stag Arms – die über die Helmut Hofmann GmbH erhältliche Modellpalette:

308er Rechtshand-Modell des Stag 10.
Neben dem 308er Rechtshand-Modell wie die Testwaffe importiert Helmut Hofmann die Stag 10 auch in 6,5 Creedmoor und als echte Linkshandversion. 

Und wenn es zwar ein Stag 10 werden soll, aber nicht in der vorliegenden Konfiguration des Long Range-Modells (.308 Win., Schwarz, Rechtshand, 51-cm-Rohr) − kein Problem: Der Mellrichstädter Importeur Helmut Hofmann hat inzwischen eine recht umfangreiche Palette im Sortiment. Die günstigste Stag 10 kostet 2.299,- Euro, in Form der Version 308er „Tactical“ für Rechtshänder. Die Tactical unterscheidet sich im Wesentlichen nur in drei Punkten von der vorliegenden Testwaffe: Der Tactical-Lauf ist nur 16 Zoll lang (406 mm) mit einem entsprechend auf 343 mm gekürzten Handschutz. Ein Standard-Trigger ersetzt den Match-Druckpunktabzug und anstelle des verstellbaren PRS-Hinterschaftes trägt die Buffer Tube der Tactical einen schlichteren Teleskopschaft des Typs Magpul MOE SL. Die teuerste Version ist die „Long Range“ als Linkshänder-Variante in 6,5 Creedmoor mit Cerakote-Finish im Farbton Flat Dark Earth und 24 Zoll (61 cm) langem Edelstahl-Lauf aus der Legierung 416R. 3.099,- Euro werden für diese Spielart des Stag 10 fällig. Insgesamt umfasst die importierte Modellpalette 24 Varianten. Die Unterschiede beziehen sich im Wesentlichen auf die beiden lieferbaren Kaliber (.308/6,5), die Farbe, Lauflänge, Art von Abzug und Hinterschaft und natürlich, ob es sich um eine Rechts- oder Linkshandversion handeln soll. Und: Aktuell verfügen alle in Deutschland erhältlichen 308er Stag 10 über einen nitrierten Lauf auf kohlenstoffhaltigem Stahl, während Gewehre im Kaliber 6,5 Creedmoor grundsätzlich mit matt glasperlengestrahltem Stainless-Rohr kommen. Wie steht es um die Austauschbarkeit der Teile mit anderen Herstellern? Bei AR-10 kochen im Gegensatz zum AR-15 zwar viele Hersteller ihr eigenes Süppchen. Aber laut Stag Arms orientiert man sich beim Upper Receiver und seinen Anbauteilen maßlich an DPMS, nicht aber bei der unteren Verschlussgehäusehälfte (Lower Receiver).

Die Stag Arms Stag 10 mit dem Bushnell Elite Tactical DMR3 auf dem Schießstand:

Stag Arms Stag 10-Mündungsbremse „VG 6 Gamma“.
Die kompakte Mündungsbremse namens „VG 6 Gamma“ dämpft Rückstoß und Hochschlag.

Das Stag Long Range ist für ein AR-10 nicht übermäßig leicht und auch der kompakte Kompensator macht seine Arbeit sauber. In Kombination schießt sich das schon sehr mild, Hochschlag und Rückstoß sind noch vorhanden, aber gegenüber leichteren 308er AR-10 ohne Comp merklich schwächer ausgeprägt. Die Mündungseffekte blieben trotz Kompensator recht zurückhaltend: Weder gab es ein heftiges Mündungsfeuer, noch fiel der Kompensator als akustischer Krawallmacher negativ auf. Hinsichtlich der Präzision musste sich der Halbautomat auch nicht verstecken: Der beste Fünfschuss-Streukreis auf 100 m lag unter 20 mm, an die Spitze setzte sich damit die „Nicht Matchking“-Wettkampfpatrone von Sellier & Bellot mit dem hauseigenen Hollow Point Boat Tail-Geschoss. Würde man einen wahrscheinlich schützenbedingten Ausreißer außer Acht lassen, hätte sich die Match-Laborierung von Hornady durchgesetzt, hier lagen vier Schuss auf 13 mm zusammen. Neben der guten Schäftung und Rückstoßdämpfung durch Mündungsbremse und Waffengewicht hatte auch der ansprechende Match-Abzug seinen Anteil an der auf der Scheibe gut umsetzbaren Eigenpräzision der Waffe. Funktionstechnisch gab es keine Auffälligkeiten, hinsichtlich der Bedienung wäre es nett, wenn das leergeschossene Polymer-Magazin auf Knopfdruck seinen Schacht mit etwas mehr Schmackes verlassen würde.

Last, but not Least: das Zielfernohr. Die Büchse kam für den Test fix und fertig montiert mit einem 3,5 bis 21-fach vergrößernden Zielfernrohr von Bushnell. Wesentliche Kenndaten: Sechsfach-Zoom, Absehen in der 1. Bildebene, Klickverstellung in Mil, Zero Stop, 1.000 g Gewicht, mit 335 mm noch relativ kompakt und selbstverständlich mit Absehen und seitlichem Parallaxe-Ausgleich. Das ZF Elite Tactical DMR3 punktete auf Anhieb mit guter Bedienbarkeit und klarer (und angenehm großer) Beschriftung der Stelltürme. Auch von der optischen Leistung her machte das Bushnell auf Anhieb einen prima Eindruck und der sehr fein gehaltene Dot im Zentrum des Absehens erleichtert das punktgenaue Zielen. Insgesamt erscheint das hier verwendete Absehen G4P Precision mit „Tannenbaum“-Haltemarken für den reinen Schießstandbetrieb auf 100 oder 300 m etwas „too much“, aber der Hersteller hat diese Optik ja eigentlich für den Einsatzbereich „Designated Marksman Rifle“ entwickelt, also für variable und erheblich weitere Entfernungen als auf hiesigen Schießständen üblich. Angesichts des sehr positiven ersten Eindrucks holt einen dann auch der empfohlene Verkaufspreis von 2.219,- Euro wieder auf den Boden zurück; gute Optiken kosten auch gutes Geld, das ist halt so. 

Technische Daten und Preis der Stag 10 Long Range:

Modell:Stag Arms Stag 10 Long Range
Kaliber:.308 Winchester
Kapazität:10 + 1 Patronen
Länge:1.098 mm
Lauflänge:510 mm (20“)
Dralllänge:254 mm (1:10“)
Abzugsgewicht:2.100 g
Gewicht:4.850 g
Links-/Rechts-Ausführung:Rechts (Linkshand-Version optional)
Preis:2.789,- Euro
Ausstattung:Gasdrucklader mit direkter Gasübertragung (Direct Impingement) und Drehkopfverschluss, Lauf und Verschluss nitriert (QPQ), Match-Abzug und -Schaft.

Fazit: Das kann die Selbstladebüchse Stag Arms Stag 10 Long Range

Stag Arms Stag 10 komplett von links.
„Fit & Finish“ der von uns getesteten Stag Arms Stag 10 Long Range passten direkt: das Modell bringt alles notwendige für eine Matchbüchse mit.

Es fällt nicht schwer, dem Stag 10 ein gutes Zeugnis auszustellen. Die feine Eigenpräzision der Waffe lässt sich dank der praktischen Ausstattung wie dem Match-Abzug, dem verstellbaren Schaft und der kompakten Mündungsbremse problemlos auf der Scheibe umsetzen. Die Verarbeitung geht auch klar, unter dem Strich ein schönes Komplettpaket für einen Halbautomaten im Stil des AR-10. Und wer Details wie Wettkampf-Abzug oder einen teuren Schaft lieber später einmal ganz nach Gusto (und Geldbeutel) nachrüsten möchte – für den hat Stag Arms auch günstigere Einsteigermodelle im Programm.

 Das hat uns gut gefallen:
 Das fanden wir weniger gut:

- umfangreiche Sportausstattung

- Standard-Bedienelemente
- Lauf und Verschluss nitriert
- „echte“ Linksversion erhältlich


Dieser Test erschien auch in der VISIER 3/2024. Dort ist auch die ausführliche Schießtabelle mit den Ergebnissen von sechs Laborierungen enthalten. Sie können das Heft hier im VS Medien-Onlineshop kaufen, dort ist es auch als ePaper verfügbar.

Weitere Informationen zu den Waffen von Stag Arms erhalten Sie auf der Webseite vom Hersteller. Ebenso auf der Webseite des deutschen Importeurs, der Helmut Hofmann GmbH.

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