In schöner Regelmäßigkeit erscheinen neue Kaliber für das populäre AR-15-Selbstladegewehr auf dem Markt, die im Vergleich zum weltweit dominierenden Standardkaliber .223 Remington (5,56x45 mm) mehr Leistung versprechen oder für spezielle Aufgabenbereiche konzipiert sind. Je nach Patronenkonzept und Geschossdurchmesser müssen dann nur Verschlusskopf und Magazin ausgetauscht werden oder es sind aufwendigere Umbaumaßnahmen mit Einbau eines neuen Laufes notwendig.
Das von Hornady entwickelte Kaliber 6 mm ARC im Detail
Bei mit AR-15-Standardsystemen und -Magazinen kompatiblen Patronenabmessungen überflügelt die junge 6 mm ARC in der Ballistik die 5,56x45 mm NATO/.223 Remington und soll laut Herstellerangaben bei halbiertem Rückstoß hinsichtlich des Leistungsniveaus mit einer 7,62x51 mm NATO/.308 Winchester vergleichbar sein, wobei der Neuling aufgrund der höheren BC-Werte Vorteile im Long-Range-Bereich aufweisen soll. Die Vorarbeiten dürfte hierbei übrigens der US-Gewehrschütze Robert Whitley mit seiner älteren AR-15-Wildcatpatrone 6 mm AR geleistet haben, der bei seinen High-Power Rifle-Wettkämpfen auf Entfernungen bis zu 600 Yards mit der windempfindlichen .223 Rem. unzufrieden war. Bei diesen Matches werden dann aber AR-15-Matchgewehre mit Lauflängen von bis zu 26“ eingesetzt, um die ballistischen Leistungsmöglichkeiten der 6 mm AR maximal ausreizen zu können.
Alleine in dieser Kalibergruppe gibt es übrigens zahlreiche AR-Wildcatkaliber wie 6 mm AR Turbo 40 Improved, 6 mm Rat und FatRat oder 6 mm Grinch, um nur einige zu nennen. Die Ingenieure und Ballistiker von Hornady dürften wohl die Arbeit von Whitley aufgegriffen haben, um sie zu perfektionieren. Bei der neuen 6 mm ARC dient die 6,5 Grendel (alternativ aber auch 7,62x39, .220 Russian, 6 mm PPC) als Mutterhülse, die auf das Kaliber .243“/6 mm eingezogen wird. Hornady entschied sich für die 6,5 Grendel als Basishülse, weil es hierfür bereits genügend passende Verschlussköpfe und Magazine auf dem Markt gibt. Somit ist ein AR-15-Umbau vergleichsweise schnell und unkompliziert zu bewerkstelligen, was den Markteinstieg für das neue Kaliber vereinfacht. Verschlussköpfe in 6,5 Grendel hatten in der Anfangszeit keinen guten Ruf, denn man hat immer wieder aufgrund des notwendigen, größeren Stoßbodens von gebrochenen Ausziehern gehört. Diese anfänglichen Probleme bei der Markteinführung der 6,5 Grendel um 2003 gehören aber heutzutage der Vergangenheit an. Als ideale Lauflänge für AR-Gewehre wird 18“/46 cm angesehen, weil hier der beste Kompromiss zwischen Leistungsausbeute/Geschossgeschwindigkeit und handhabungsfreundlichen Waffenabmessungen vorhanden ist, selbst wenn zusätzlich noch ein Schalldämpfer montiert wird. Aus 24“/61 cm oder gar 26“/66 cm langen Läufen ist die 6 mm ARC in der Leistung der älteren, populäreren 6 mm Norma BR ebenbürtig, wobei letztere wegen des größeren Hülsenbodens nicht in AR-15-System unterzukriegen ist. Wie nicht anders vom US-Familienunternehmen aus Nebraska zu erwarten, offeriert Hornady Fabrikmunition, Geschosse und Matrizensätze im vielversprechenden Kaliber 6 mm ARC, wobei man im weltweiten Netz natürlich auch schon ausreichend Ladedaten entdecken kann. Der empfohlene Drall beträgt 1-7,5“ und die Geschossgewichte reichen von 58 bis 108 Grains. Bis 300 Meter ist auch ein leichtes 70 Grains Matchgeschoss absolut ausreichend, was auch die hochpräzise 6mm PPC bislang immer unter Beweis stellen konnte.
6 mm ARC: Drei Fabrikpatronen bei Hornady
Hornady offeriert zum Start drei unterschiedliche 6 mm ARC-Fabrikmunitionssorten in Gestalt der 108 Grains ELD-Match (Anfangsgeschwindigkeit 838 m/s, hoher ballistischer Koeffizient von G1 .536 aus 24“-Testlauf), 105 Grains BTHP Black (identische Geschwindigkeit bei identischer Testlauflänge, BC-Wert .530) und 103 Grains Precision Hunter ELD-X (853 m/s bei 24“-Testlauf, BC-Wert .512). Neben diesen Fabrikpatronen standen uns auch die entsprechenden Hornady-Geschosse für Handladungen zur Verfügung. Bei den Treibladungsmitteln sollte man sicher eher für die langsamen Pulversorten wie beispielsweise Hodgdon CFE223, oder Hodgdon LEVERevolution entscheiden, mit denen man die höchsten Geschwindigkeiten realisieren kann. Doch auch andere Pulversorten wie Lovex D073.5 für leichtere oder Lovex D073.6 für schwerere Projektile dürften eine gute Wahl sein.
Die Testbüchse: Savage 110 Tactical von der Helmut Hofmann GmbH
Die Precision Rifle Series (PRS) gewinnt auch bei uns immer mehr an Bedeutung. Hier agieren Gewehrschützen in Long-Range-Parcours mit multiplen Zielmedien unter Zeitdruck. Dieser Sport ist hinsichtlich der kompletten Ausrüstung und laufenden Unterhaltskosten für Munition allerdings kein billiges Vergnügen. Um hier die Hürden für potentielle Neueinsteiger zu senken, wurde die Production Class mit definierten Regeln und Preislimits sowie Matchformaten mit maximal 80 Schuss eingeführt. Dem Vernehmen nach kommt die Klasse aber nicht so gut an wie erhofft, weil die meisten Schützen gleich in der Open Class starten wollen. Nichtsdestotrotz könnte die hier vorgestellte und von der Helmut Hofmann GmbH stammende Savage 110 Tactical in 6 mm ARC eine gute Wahl für die PRS Production Class sein, wobei wir dann wohl eher auf die leistungsstärkere und in diesen Kreisen sehr beliebte 6 mm Creedmoor setzen würden. Das Gewehr mit dem bewährten 110er-Zylinderverschluss besitzt einen im Knopfzugverfahren hergestellten 18“/46-cm-Lauf mit 1-7,5“-Drall, Kannelierungen und 5/8 x24 UNEF-Mündungsgewinde. Der AccuFit-Kunststoffschaft mit Aluminium-Chassis-Systembettung ermöglicht mit Distanzstücken für die Längenanpassung und unterschiedlich hohen, wechselbaren Wangenauflagen eine individuelle Feinabstimmung.
Auch der AccuTrigger-Direktabzug lässt sich im Abzugsgewicht nachträglich justieren, wobei die Abzugsgruppe unserer Testwaffe werksseitig auf unter 1.100 Gramm justiert war. Das Kastenmagazin aus Kunststoff im AICS-Stil besitzt bei unserer Testwaffe eine Kapazität von acht Patronen, wobei es sehr toleranzarm im Schacht saß. Weitere Ausstattungsmerkmale wie das überdimensionierte, kegelförmige Bedienelement am Kammerstängel, der schnelles Repetieren in unterschiedlichsten Anschlagsarten unterstützt, oder die aufgeschraubte Optikmontageschiene mit 20 MOA Vorneigung auf der Systemhülsenoberseite gefallen und passen bestens zu diesem schnittigen Repetierer. Der Schütze erhält für 1.199,- Euro auf jeden Fall eine gut ausgestattete Büchse, die in Verarbeitung, Funktion und Schussleistung zu überzeugen weiß.
Auf dem Schießstand mit der Savage 110 Tactical in 6mm ARC
Der Test erfolgte leider nur auf der 100-Meter-Kurzbahn, wofür das Gewehr in 6mm ARC mit Mark 4-Montageringen und dem Mark 3 HD-Zielfernrohr 8-24x50 des US-Optikriesen Leupold sowie mit einem UTG-Zweibein ausgerüstet wurde. Es kamen ein Dutzend Laborierungen, drei Fabrik- und neun Handladungen, zum Einsatz. Aus dem 18“-Lauf wurden dabei mittlere Geschwindigkeiten von bis zu 800 m/s realisiert, wobei das Schussgefühl selbst bei dieser vergleichsweise leichten Büchse sehr angenehm war. Mit nahezu der Hälfte der Laborierungen konnten Streukreise unter 20 Millimeter produziert werden. Den Topstreukreis von 12 mm erzielten wir mit der Hornady 108 Grains ELD Match-Fabrikmunition. Mit dem identischen Geschoss gelang uns mit der Handladung mit 25,5 Grains Lovex D073.5 eine 15 mm große Schussgruppe. In der Top 3 etablierte sich auch die jagdliche Hornady Precision Hunter-Fabrikmunition mit 103 Grains schwerem ELD-X-Projektil und einem 18-mm-Streukreis. Allerdings muss man an dieser Stelle sagen, dass das Lovex D073.5 nicht die perfekte Wahl für dieses Kaliber ist, denn wir kamen nicht ganz an die Geschwindigkeiten der Fabrikpatronen heran. Leistungsmäßig hätte das Pulver zwar die v2 geschafft, aber dies wäre dann mit Sicherheit nicht mehr im zulässigen Gasdruckbereich gewesen. Interessanter wäre hier mit Sicherheit das Lovex D073.6 gewesen, das uns aber leider nicht zur Verfügung stand. Aber wir konnten mit dem D073.5 praktisch die Geschwindigkeiten erzielen, die auch Hornady mit ihrer geladenen Munition erreicht hat. Insgesamt hat uns die Patrone sehr gut gefallen, die wir in Zukunft sicherlich nochmals aus einem AR-15 ausprobieren werden.
Technische Ausstattung und Preis: Die Savage 110 Tactical in 6 mm ARC von Helmut Hofmann
Modell: | Savage 110 Tactical in 6 mm ARC |
System: | Zylinderverschluss mit zwei Verriegelungswarzen, die in der Systemhülse verriegeln |
Lauf: | 18“/457 mm langer, kannelierter Lauf mit1-7,5“-Drall und 5/8 x24 UNEF-Mündungsgewinde |
Schaft: | Grauer AccuFit-Kunststoffschaft mit Anpassungsmöglichkeiten der Schaftlänge und der Backenhöhe. |
Magazin: | AISC-kompatibles Kastenmagazin mit einer Kapazität für 8 Patronen |
Abzug: | Justierbarer AccuTrigger-Abzug, gemessenes Abzugsgewicht 1.078 Gramm |
Sicherung: | Zwei-Positionen-Sicherung am Kolbenhals, die auf den Abzug wirkt |
Länge: | 14 cm |
Gewicht: | 3,72 kg |
Preis: | 1.199 Euro |
Unser Fazit zur 6 mm ARC aus der Savage 110 Tactical
6 mm ARC ist ein sehr interessantes Kaliber, das vor allem in "Black Rifles" zur Hochform aufläuft. Immerhin erzielt man dann mit einem AR-15 im Long Range-Bereich die gleichen Leistungen wie eine 6 mm Norma BR. Bei Zylinderverschlussbüchsen sieht die Sache aber anders aus, denn hier gibt es noch mehr Konkurrenz in Form der 6 mm PPC für sportliche Höchstpräzision, der bewährten .243 Winchester für die Jagd oder der leistungsstärkeren 6 mm Creedmoor für PRS und Long Range. Dem Vernehmen nach gibt es dennoch vermehrt PRS-Schützen, die die ARC der Creedmoor vorziehen, weil sie weniger Rückstoß aufweist (maximale Vergrößerung am Glas mit genügend Gesichtsfeld für Treffer- oder etwaige Fehlschussbeobachtung). Doch gerade im AR-15 für den Schuss auf weiteren Distanzen ist die Patrone 6 mm ARC in der Summe ihrer Eigenschaften unangefochten in der Leistungsspitze angesiedelt.
Dieser Beitrag stammt aus der caliber 06/2022 – das komplette Heft mit Schießergebnisse gibt es hier. Und hier als caliber - DIGITAL Ausgabe.
Weitere Informationen zu der Savage-Büchse, der Leupold-Testoptik und der neuen 6mm ARC von Hornady bekommen Sie auf den Seiten der Helmut Hofmann GmbH.