Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann - das Sprichwort trifft auch aufs Schießen zu: Das Gros der Waffen ist für Rechtshänder, respektive Rechtsschützen ausgelegt, dabei kommt ein erklecklicher Teil der Menschheit als Linkshänder daher. Im Allgemeinen geht man von 10 bis 15 Prozent aus. Zu den echten Linkshändern kommen noch Leute, die zwar funktional Rechtshänder sind, wegen Augenfehlern oder Verletzungen aber dauerhaft ihr linkes Auge und ihre linke Hand einsetzen müssen. Beim Schießen heißt das, dass solche Rechtshänder ihre Waffen links anschlagen. Somit tun das weit mehr als 10 bis 15 Prozent aller Schützen: Eine Klientel, für die sich eine abgestimmte Fertigung lohnt. Zunehmend verschaffen sich diese "Lefties". Deshalb geben wir in den technischen Daten zu den Waffen an, inwieweit das jeweilige Modell Linkshänder tauglich ist. Es bleibt das Feld der Vorderlader. Deren Originale stammen aus einer Zeit, in der man Linkshänder oft auf Rechts umgetrimmt hat. Dennoch sind für diese Kunden optimierte Waffen kein Modethema: Derlei gibt es so lange, wie Gewehre mit dem Schaft an der Schulter angeschlagen werden. Nun zählt einer der beiden Autoren dieses Artikels auch zu diesem Teil der Menschheit, den man im Boxsport als "Southpaw", also Südpfote, kennt. Als solcher besitzt er drei über 100 Jahre alte "linke" Waffen diverser Hersteller und Kaliber. Kein Wunder, dass wir aufhorchten, als Meister Tim Lorenz vom Pedersoli Service Point die neue Linkshänder-Ausführung eines ihrer Büchsenmodelle erwähnte. Also wurde das Gewehr des italienischen Herstellers Pedersoli zum Test bestellt: Eine 54er Vorderlader-Perkussionsbüchse, die die Modellbezeichnung Traditional Hawken Target Lefthand trägt.
Die Pedersoli Traditional Hawken bietet sich für Einsteiger an
Die allgemeine Preisentwicklung macht auch um Vorderlader keinen Bogen. Das kann man beklagen, muss es aber akzeptieren, denn Vergleiche mit Preisen vergangener Jahre führen zu nichts. Inzwischen sind günstige Einsteiger-Waffen auch für die Hersteller interessant, die derlei zuvor nicht angeboten haben. Pedersoli genießt seit Jahren einen guten Ruf als Produzent qualitativ hochwertiger, oft aber recht hochpreisiger Neo-Klassiker. Trotzdem macht das italienische Unternehmen inzwischen auch Einsteigerangebote. Das heißt bloß, dass preistreibende Arbeitsgänge eingespart werden. Die Präzision der Waffen beeinflusst das erfahrungsgemäß überhaupt nicht: Letztlich bestimmt auch hier nur das Können des Schützen die tatsächliche Leistung.
Die in dieses Feld gehörende Traditional Hawken Target ist kein exakter Nachbau einer Waffe aus der legendären Werkstätte der amerikanischen Brüder Jacob und Samuel Hawken. "Hawken Rifle" versteht sich hier als Sammelbezeichnung für halblang geschäftete Vorderladerbüchsen. Wie alle Hawkens ist auch sie eher eine Jagdwaffe. Trotzdem kann man sie gut für die Scheibe nutzen. Vom Stil her entspricht sie der Pedersoli Rocky Mountain Hawken. Sie ist aber kürzer, leichter und eine "Left Hand"-Version (übrigens eine von acht dieser Reihe, die aus Perkussions- und Steinschlossmodellen besteht). Da ist alles andersrum: Schloss und Piston oder Batterie sitzen links, der Schaft ist leicht nach links ausgestellt, die Backe findet sich rechts am Kolben.
Die Pedersoli Traditional Hawken Target ist auch mit Steinschloss, sowohl als Rechts- als auch Linksversion erhältlich
Aber nach dem kurzen Exkurs zu den Steinschlossmodellen zurück zu unserer Pedersoli Traditional Hawken Target "Lefty" mit Perkussionsschloss. Das mit der Einsteigerklasse zeigt sich daran, dass die Laufoberfläche vor dem Brünieren geglättet, nicht poliert wurde. Eine Fischhaut oder Bohrungen zur schnellen Dioptermontage sucht man genauso vergeblich wie einen auszuhakenden Lauf und eine Patentschwanzschraube. Der Schaft der Waffe besteht aus amerikanischem Nussbaumholz, seine Oberfläche ist seidig matt und glatt, auch innen. Demnach erhielt dieses Teilstück wohl komplett porenfüllenden Mattlack. Der tut’s, aber schick ist anders – und teurer. Wer es anders haben will, muss Hand anlegen: Lack runter, feinschleifen, dann in mehreren Schritten eine Ballenpolitur mit Leinöl. Die Holzverarbeitung ist gut, auch dort, wo man es nicht sieht. So zeigt sich das Laufbett sauber gefräst und splitterfrei. Wer aber das Potenzial der Waffe ausreizen will, kann den Lauf zumindest im Bereich der Schwanzschraube betten. Hinten gibt’s ein kleines Pflasterfach, der Abzugsbügel ist aufgeschraubt und nicht eingelassen. Wieder: Wer’s anders haben will, muss selber ran. Die Passungen Metall-Holz sind gut, ohne Metallüberstände, die Messingbeschläge sind sämtlich poliert. Den Hinterschaft gestaltete Pedersoli so, dass sich die Waffe stehend wie liegend anschlagen lässt. Vorrangig dürfte sie stehend auf 50 Meter Distanz eingesetzt werden. Für 100 Meter wäre ein Riemen notwendig, Halterungen dafür fehlen aber. Den Lauf halten ein per Schraube gesicherter Keil und die Kreuzschraube.
Als Zündung nutzte Pedersoli die in den USA als "drum and nipple" bezeichnete Variante. Diese Art des Perkussionsschlosses diente früher zur Aptierung von Steinschlossen. Dabei wurde in das Zündloch eine mit Zündkanal und Piston versehene Trommel geschraubt. Die Trommel stützte sich in der Schlossplatte in der Aussparung für die nicht mehr benötigte Pfanne ab. Die Büchse bot zudem eine Zündkanalschraube – hilfreich, wenn man beim Laden das Pulver vergisst: Löst man die Schraube, lässt sich genug Treibladungsmittel einfüllen, um die Kugel "herauszuschießen". Das geht zwar im Match nicht, da zählt jeder Schuss. Aber im Training kann man sich so behelfen. Zwei à la Enfield-Gewehr mit Messingringen gehaltene Schrauben fixieren das Schloss. Ein Gegenblech gibt es nicht. Dank Kette und Fliege erwies sich das Schloss als schnell. Der Abzug vom Typ deutscher Stecher löste im Test stets sicher aus. Die Visierung bestand aus Buckhorn-Kimme mit Rechteckausschnitt und leicht V-förmigem Dachkorn. Das Visierbild war gut und erlaubte exaktes Zielen.
Die DSB-konforme Kimme ließ sich via keilförmiger Treppe in der Höhe verstellen. Zur Seitenjustierung hieß es, das im Schwalbenschwanz geführte Korn zu verschieben. Der hölzerne Ladestock trug hinten eine Kappe aus Messing, vorn eine aus demselben Material gefertigte Kappe mit Innengewinde, in dem serienmäßig ein zum Kaliber passender Putzkopf eingeschraubt war. Man nutze trotzdem einen separaten Ladestock. Erfahrungsgemäß brechen die Stöcke der Waffe gern, wenn sie beim Laden oder Wischen auch nur leicht verkanten. Zum Laufreinigen mit Wasser nehme man ein Reinigungspiston: Die Kraft, mit der die Kreuzschraube in der Abzugsplatte angezogen wird, kann die Präzision beeinflussen. Alle hier verbauten Schrauben (auch die Kreuzschraube) brauchen Schraubendreher mit sehr schmaler Klinge. Derlei findet sich nicht in allen üblichen Bit-Sätzen, man muss also das Werkzeug nachkaufen oder selber zuschleifen.
Technische Daten und Preis der Pedersoli Traditional Hawken Target in Linksausführung
Modell: | Pedersoli Traditional Hawken Target Left Hand |
Preis: | 770,- Euro |
Kaliber: | .54“ |
Kapazität: | 1 Schuss |
Länge: | 1.134 mm |
Lauflänge: | 730 mm |
Dralllänge: | 1.200 mm (Drall 1:47“) |
Abzugsgewicht: | Einstellbar |
Gewicht: | 3.790 g |
Links-/Rechts-Ausführung: | Links |
Ausstattung: Nussbaumschaft, lackiert, mit deutscher Backe, Pflasterfach und Messingbeschlägen. Lauf brüniert, Schrauben und Züngel gebläut, Schlossplatte bunt gehärtet. Perkussionszündung (“Drum and Nipple”). Schloss mit Fliege, deutscher Stecher, Holzladestock, Blockschwanzschraube, Dachkorn (driftbar), Buckhorn-Kimme (höhenjustierbar). |
Auf dem Schießstand mit der Pedersoli Traditional Hawken Target
Vor dem ersten Schießen befreie man den Lauf von allem Konservierungsmittel, baue Zündkanalschraube und Piston aus, entfette ihre Gewinde und bestreiche sie mit geeignetem Trennmittel. Das verhindert Festbrennen. Pedersoli rät zu Kugeln in .535“ (13,59 mm), Ladungen zwischen 70 und 100 Grains und einem .01“ (0,25 mm) starken Pflaster. Erfahrungen mit anderen 54er Hawkens zeigen, dass auch kleinere Ladungen präzise Treffer erlauben. Die Werkstipps passen zur Jagd, zum Scheibenschießen sind die Chargen zu stark. Sie erzeugen in der kurzen, leichten Waffe einen kräftigen Rückstoß, der schon bei gängigen 15er Serien unangenehm ist. Zudem sind die stärksten Loads nicht immer die präzisesten. Da es beim Scheibenschießen nur auf ein Loch an der richtigen Stelle ankommt, erprobten die Tester leichtere Ladungen zwischen 52 und 63 Grains Schweizer Schwarzpulver No. 2 (CH2). Sie schossen die Hawken wie geliefert. Die Treffer lagen mittig, das Korn konnte bleiben, wo es saß. Beim Schuss auf 50 Meter und Haltepunkt "Spiegel aufsitzend" sollte die Kimmentreppe zwei Kerben über dem Standvisier stehen. Auch bei starken Ladungen hielt diese Treppe ihre Position.
In Serie eins nutzten wir wie empfohlen 535er Kugeln. Die ließen sich mit Pflastern in genannter Stärke nur via Ladehammer in den Lauf bringen. Aber das verformt die Geschosse – schlecht für optimale Treffer. In Serie zwei gab’s 530er Blei, das sich bloß via Kugelsetzer laden ließ. Das Pulver kam stets per lauflangem Trichter ins Rohr, nach jedem Schuss wurde trocken gewischt. Die Waffe schoss klasse, auch bei längeren Serien ohne Ausreißer oder plötzlich veränderte Trefflagen. Bedenkt man, dass bei der DSB-Scheibe der Durchmesser der "10" exakt 50 mm beträgt, ließen sich mit der Top-Ladung von 58 Grains die meisten Schüsse dort platzieren. Insgesamt feuerten die Prüfer 86-mal mit diversen Chargen. Fazit: passt. Obwohl oder gerade weil alles andersrum ist, tut das Ding, was es soll. Und das Preis-Leistungs-Verhältnis ist in Ordnung.
Das hat uns gut gefallen: | Das fanden wir weniger gut: |
- Zweckmäßig und ordentlich gearbeitet - Führig bei guter Präzision | - Ab Werk leicht kriechender Stecher - Der Plastiklack |
Die genaue Schussleistung Pedersoli-Büchse Traditional Hawken können Sie in der detaillierten Tabelle in VISIER 01/2023 nachlesen. Dort finden Sie auch weitere Informationen zum Thema Vorderladerschießen mit links geschäfteten Gewehren. Das Heft können Sie auch als ePaper – hier im VS Medien-Onlineshop kaufen.