Würde man ein Ranking der ausgefallensten, legal in Deutschland zu erwerbenden Schusswaffen erstellen, wären solche mit Gurtzuführung sicher auf den vordersten Plätzen zu finden. Dabei ist die Liste der existierenden Modelle kurz, meist handelt es sich waffenrechtlich um neu gebaute Halbautomaten, die in den Originalgehäusen der legendären Maschinengewehre aus der Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, wie zum Beispiel MG 34 oder MG 42, stecken. Neben dem bayerischen Hersteller Niedermeier kann hier vor allem das Unternehmen Hessen Arms aus Langgöns auf eine interessante Historie blicken. Mit dem M 42 hatten die Mittelhessen zunächst einen Selbstlader im Look des MG 42 im Programm. Später setzten sie mit einem M 2 Browning MG im Kaliber .50 Browning Machine Gun (12,7 x 99 mm) noch einen drauf.
Mit dem brandneuen M3 steht nun das jüngste Modell bereit: ein ziviler Halbautomat im Kleid des altbewährten Rheinmetall MG3.
Die Geschichte des M3 kurz dargestellt:
Mit der Aufstellung der Bundeswehr im Jahr 1955 ergab sich auch der Bedarf nach einem Maschinengewehr für die Truppe. Zunächst wurden altgediente MG 42 im Originalkaliber 8 x 57 IS auf das Kaliber 7,62 x 51 mm NATO adaptiert. Nach Zwischenschritten und technischen Detailmodifikationen entstand aus den Versionen MG1 A3 und MG2 schließlich das MG3, das 1969 als das Standardmaschinengewehr bei der Bundeswehr offiziell eingeführt wurde. Im Vergleich zum MG 42 bestanden die wesentlichen Unterschiede in der Kaliberkonvertierung und der niedrigeren, theoretischen Feuerkadenz von nur noch 1.200 anstatt 1.500 Schuss pro Minute. Der ebenfalls geänderte Gurtzufuhr-Mechanismus sorgte zudem dafür, dass fortan alle NATO-Gurte genutzt werden konnten. Auch wenn nun gerade die Bundeswehr mit der Beschaffung des Nachfolgers HK MG5 begonnen hat, so ist das MG3 auch nach 50 Jahren weiterhin in Verwendung und wird bis zum endgültigen "Aus" unzählige Soldaten während ihrer Dienstzeit begleitet haben.
Das Hessen Arms MG3 weckt Gefühle:
Wen wundert es da, dass der zivilisierte Blickfang M3 "live und in Farbe" auf dem Schießstand gerade bei vielen ehemaligen Soldaten und Reservisten Emotionen weckt? Und die Emotionen sind vielfältig, aber fangen wir zunächst bei den Umstehenden mit sorgenvollem und fragenden Blick an: Verstehen kann man sie, denn das M3 kommt im einhundertprozentigen Look der Originalwaffe daher und sieht wirklich martialisch aus. Spätestens hier erhält der geneigte Leser die Gelegenheit für einen Mini-Exkurs ins deutsche Waffenrecht beziehungsweise sogar ins Thema Kriegswaffen. Denn ja, alle luftgekühlten Maschinengewehre sind Kriegswaffen, auch solche mit Baujahr vor 1945.
Daher ist es entscheidend zu wissen, dass es sich beim M3 – genau wie bei den übrigen in Deutschland vertriebenen MG-Klonen – rechtlich um einen neuen, zivil gefertigten Halbautomaten handelt. Das bedeutet, dass alle wesentlichen Teile, also Verschlusskopf und Lauf, keine modifizierten Originalteile aus Altbeständen sind, sondern echte, zivile Neufertigungen, die lediglich im umgebauten Deko-Gehäuse der alten Kriegswaffe beherbergt sind.
Hessen Arms hat hier übrigens ganze Arbeit geleistet und die Änderungen fast unsichtbar durchgeführt. Dabei gingen die Hessen ganz auf Nummer sicher, denn weder passen Lauf und Verschluss der Kriegswaffe in die Gehäuse der M3 noch dessen wesentliche Teile in das Gehäuse eines MG3/MG53. Das neue halbautomatische Griffstück ist weder änderbar noch durch ein vollautomatisches Original zu ersetzen. Davon abgesehen bleibt beim M3 alles wie beim Original. Nicht nur, dass sämtliches Zubehör wie Lafetten, Gurttrommeln oder Werkzeug uneingeschränkt verwendbar ist, auch Handhabung und Funktion sind identisch: Das M3 ist ein zuschießender Selbstlader.
50 Schuss Einzelfeuer mit der halbautomatischen Zivilversion des MG3:
Bis hierhin war kein Unterschied zum MG3 feststellbar und so überrascht es fast, dass beim Hessen Arms M3 nur ein einzelner Schuss bricht. Man mag den hohen Widerstand des Abzugs, dessen beachtlicher Weg für jeden einzelnen Schuss voll durchgedrückt werden muss, ebenso wie das schwierige Zielen mit dem Originalvisier mit Einstellungen von 200 m bis 1.200 m bemängeln. Aber was soll’s: Das Schießen mit dem M3 hat Eventcharakter und macht Zuschauern und vor allem dem Schützen irre Spaß. Das liegt nicht nur am durch die 11,5 kg Eigengewicht extrem sanften Rückstoß, der sicheren Funktion oder der auch nach 70 Jahren unverändert angenehmen Ergonomie, die eine sehr entspannte Schießhaltung zulässt, sondern daran, dass der Ladezyklus unmittelbar zu erleben ist. Das Einziehen des Gurtes, der Auswurf der Hülsen nach unten und dazu, nach rechts, der Ausstoß entweder vom leeren Endlosgurt oder der einzelnen Krallen des Zerfallgurts.
Funktion & Präzision des Hessen Arms M3 in .308 Winchester:
Die Grundpräzision der Waffe ist wirklich gut. Mit guter Munition gelingen auf 100 m durchaus 5er-Gruppen von unter 50 mm, jedenfalls nachdem man sich an die sehr grobe Visierung gewöhnt hat. Zum sportlichen Schießen ist das M3 sicher nicht die erste Wahl. In Sachen Funktionssicherheit kämpft das M3 mit denselben Schwierigkeiten wie das vollautomatisches Original. Ist der Gurt beschädigt oder sogar zu neu, gibt es Zuführungsstörungen. Ja, richtig gelesen, auch zu neu kann ein Problem darstellen. Ist die Oberfläche der phosphatierten Gurte zu rau, erhöht sich der Ausziehwiderstand beim Zuführen der Patrone so stark, dass es zur Ladehemmung kommen kann. Ist der Gurt dagegen gut eingelaufen oder leicht geölt, läuft das M3 störungsfrei – übrigens auch mit DM60-Zerfallgurten.
Kosten & Fazit zur zivilen MG3-Version von Hessen Arms
Das Schießen mit dem M3 ist eine wahre Freude – leider! Denn es entpuppt sich schnell als echter Munitionsfresser. 50 Schuss vertilgt die Waffe in kurzer Zeit, wobei lediglich der Abzugsfinger eventuell ermüdet. Wie das Original geht auch das M3 zunächst sehr ruppig mit den Hülsen um und verbeult sie beim Auswerfen stark. Das Hessen Arms M3 ist ganz sicher eine recht ausgefallene Waffe, die ihre Käufer vornehmlich bei Sicherheitsunternehmen mit maritimen Aufträgen, in Sammlerkreisen oder bei Reservisten finden wird. Denn jagdlich ist sie im Hinblick auf Gewicht, Handhabung und nicht zuletzt der Optik selbst beim Ansitz schwer vorstellbar und manche Sportordnung verbannt ausdrücklich Waffen mit Gurtzuführung.
Mit Preisen ab 4.500,- Euro ist das M3 kein Schnäppchen, aber das wird kaum ins Gewicht fallen. Die Waffe könnte wie ihre Vorgängerinnen schnell zum interessanten Sammlerstück werden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass auf Grund der bis 2018 zu erfolgenden nationalen Umsetzung der neuen EU-Richtlinie für Feuerwaffen auch Selbstladern mit Gurtzuführung Verkaufsbeschränkungen drohen.
Weitere Informationen zu MG-Nachbauten von Hessen Arms finden Sie direkt auf der Webseite des Unternehmens.
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