Fans von Bullpup-Repetierern dürfte die US-Firma Desert Tech ein Begriff sein: Unter ihrem vormaligen Namen Desert Tactical Arms (DTA) hatte sie sich als Hersteller sehr kompakter Bullpup-Repetierer einen Namen gemacht. Obwohl erst seit 12 Jahren tätig, hat das Werk aus dem US-Bundesstaat Utah somit zwar einmal den Namen geändert, nicht aber den eigenen Anspruch: Nach wie vor geht es um die "genauesten und kompaktesten Gewehrsysteme der Welt".
Das ist das MDR von Desert Tech
Hinter dem Namenskürzel MDR verbirgt Desert Tech die Bezeichnung "Micro Dynamic Rifle". Und dahinter steckt eine moderne Multikaliber-Selbstladebüchse, ausgeführt als indirekter Kurzhub-Gasdrucklader. Mit Feuerdämpfer gerade mal 706 mm lang – damit misst das Gerät deutlich weniger als die meisten Kutschflinten beim Westernschießen und weniger als mancher Pistolenkarabiner. Zum Vergleich: Eine Uzi-Maschinenpistole mit ausgeklappter Schulterstütze kommt auf ungefähr 650 mm, ist also gerademal eine Zigarettenlänge kürzer. Trotz des geringen Gesamtmaßes werkelt in der Waffe aber ein Lauf, der es auf 409 mm bringt – das erste Indiz dafür, wie clever Desert Tech bei diesem Modell aufs Packmaß geachtet hat. Die derzeit verfügbaren Kaliber und Dralllängen: .223 Remington / 5,56 Nato samt Wylde-Patronenlager mit 1:8 Zoll (203 mm), .300 Blackout mit ultrakurzem 1:6" (152 mm) und 1:10"-Drall (254 mm) in .308 Winchester. Die Waffe kommt grundsätzlich in Schwarz und Flat Dark Earth (FDE), also einem Braungrünton. Hitpoint lieferte ein MDR im Kaliber .308 Winchester. Soweit die prinzipielle technische Beschreibung – nun zu dem Eindruck, den das Gewehr direkt nach dem Auspacken und bei der ersten Sicherheits- und Funktionskontrolle hinterlassen hat.
Also: Die Tester sahen ein extrem kompaktes Gewehr, Bullpup-gemäß mit dem Magazinschacht hinter dem frei stehenden Pistolengriff, im Schacht ein Magpul-PMag 20 der 3. Generation. Da fanden sich gleich die ersten links wie rechts nutzbaren Elemente: Vorn über dem Frontsteg des Abzugsbügels saß links und rechts je eine viereckige Taste zum Magazinlösen. Vorn am Magazinschacht wiederum gab es mittig eine Drucktaste für denselben Zweck. Das heißt: 2 Vorrichtungen zum Lösen des Patronenbehälters – und alle 2 von jeder Seite zugänglich. Das mit dem beidseitigen Betrieb gilt auch für die 2-Stellungs-Feuerwahlschalter und für den Spanngriff, dessen Handhaben sich federgetrieben bei Nicht-Gebrauch nach vorn aus dem Weg klappen: Damit ist das Gewehr mit Blick auf die Bedienelemente voll links- wie rechtshändertauglich.
Die Technik der MDR im Detail
So weit, so gut und so einfach – mehr Kopfzerbrechen bereitete die Frage, wie man in die Büchse hineinblickt. Denn beim Betätigen des Spanngriffes spürte und hörte man zwar die üblichen mechanischen Abläufe im Inneren, aber nirgendwo schien sich etwas zur Seite oder überhaupt aus dem Weg zu bewegen, auf dass sich eine Öffnung zeigen würde. Etwas, durch das die Patronenhülsen ins Freie fliegen könnten und die Pupille in die Waffe spähen und damit etwa das Patronenlager checken könnte. Es dauerte eine Weile, ehe sich auch ohne Lektüre der Bedienanleitung die Lösung fand: Im Hinterschaft saßen beiderseits zwei schmale rechteckige Stahleinsätze, an deren rückwärtigem Ende es je eine geriffelte, gefederte Schiebetaste gab. Sprich: Abnehmbar. Und bei dem Einsatz rechts gab es zudem ein kleines, nach unten aufgehendes Kläppchen. Darunter zu sehen war etwas, das wie die Führung für eine Patronenhülse aussah. Messerscharfer Schluss: Diese Klappe sitzt vorn am Einsatz, das hieße ja wohl, dass die MDR die leeren Hülsen nach vorn ins Freie kickt, oder? Um dem Test vorzugreifen: Genauso und nicht anders. Und der Blick ins Innere? Ganz easy: Betätigte man den Schieber an dem Element mit der Klappe, konnte man es abnehmen und sah dann ins System. Der nähere Blick auf dieses, werksseitig als Chute Panel/Assembly bezeichnete Teil und sein Gegenüber zeigte: Der Chute-Einsatz befördert die Hülse per Führung ins Freie. Der Ejector Assembly drückt dazu die Hülse durch eine sehr aufwendige, klasse gefertigte Kniegelenkmechanik in die Chute-Führung. Der Clou: Die Elemente lassen sich – werkzeuglos! – umsetzen, so dass der Auswurf je nach Wunsch rechts oder links erfolgt. Ja, und dann kann man die Klappe über dem Auswurffenster umquartieren: Nach Gusto öffnet sie nach oben oder unten.
Lauf und Handschutz der Bullpup-Büchse von Desert Tech
Auf der Mündung des 409 mm langen Teils (fünf Züge, Rechtsdrall, 1:10") thront ein 59 mm langer, sehr schlanker Dreifinger-Mündungsfeuerdämpfer samt zweier Montage-Schlüsselflächen. Diese hatte eine von Schlüsselweite: 19 mm oder ¾ Zoll. Ungefähr in der Laufmitte sitzt der im MIM-Verfahren hergestellte Gasblock, fixiert mit 2 Spiralspannstiften. Die Gasdüse hat sechs Bohrungen von 0,45 bis 1,4 mm – dies markiert Fertigungsgeneration 3 des Desert Tech MDR: Bei Gen 1 gab‘s 3 Düsenpositionen, bei der 2. dann 6, dies aber mit anderen Maßen als bei Gen 3. Welche der 6 Einstellungen am besten passt, muss man angesichts der Fülle an Geschossgewichten und Pulversorten austüfteln. Generell: Bei Schalldämpfern wähle man eine kleine Bohrung respektive kleine Ziffer. Für den Normalbetrieb fange man mit Stellung 3 an. Gibt es da mit der jeweiligen Munition Störungen, bringe man die Gasdüse schrittweise auf eine größere Bohrung, bis der Ablauf reibungslos erfolgt. So lässt sich die Gasdüse sehr individuell einstellen; das reduziert die Belastung der Büchse: prima. An Gasdüse und -kolben sitzen jeweils Kolbenringdichtungen, um das abgezapfte Gas zu speichern und zur Entlastungsbohrung zu leiten. Der axiale Kolbenweg beträgt maximal 11,5 mm. Außergewöhnlich: Die aus dem Vollen gefertigte Rail auf dem Gasblock. Sie misst nur 14,8 mm, besteht aus zwei Stollen sowie einer Quernut und dient der Aufnahme einer Adapterplatte zur Rotpunkt-Montage. In der mit der Laufwurzel verschrauben Barrel Extension finden sich die Gegenstücke für die Riegelwarzen und die Aussparung für die Laufhalteschraube; zudem dient die Extension als Passfläche für die Laufklemmung im System.
Der Handschutz: Nur 166 g, aus glasfaserverstärktem Polyamid und sehr gut gearbeitet, sorgen beidseitig Kunststoffführungen für die Anbindung an den Upper. Und zwei festzuschraubende Nutensteine übernehmen die Klemmung. Zudem sichert ein Takedown Pin den Handschutz. Oben drauf findet sich eine 110 mm lange Picatinny-Schiene. Beim Handguard der Testwaffe kann man keine Overbarrel-Schalldämpfer montieren. Aber Desert Tech baut eine größere Version, die den "Schalli" umhüllen kann.
Feinheiten des Systems der Desert Tech MDR in .308
Der Unterbau entsteht aus glasfaserverstärktem Spritzguss-Kunststoff. Die Abzugsgruppe zeigt sich dank Bullpup-Bauweise zweigeteilt: Die Züngel-Partie ist mit dem Gehäuse verstiftet, eine Abzugsstange überträgt die Züngelbewegung über 275 mm auf die Fangklinkeneinheit. Dabei müssen mehrere Hebel die Abzugskraft umlenken. In Verbindung mit einem aus Sicherheitsgründen erforderlichen, größeren Rastüberzug erklärt dies auch die mit zirka 30,5 N hohe Abzugskraft. Der Feuerwahlhebel sitzt über dem im 75°-Winkel angeordneten Pistolengriff. Er sperrt im gesicherten Zustand direkt die Abzugsstange. Die Verbindung zum Upper aus hochfestem Aluminium bilden drei Steckbolzen. Mit dem Upper-Mittelteil ist die Klemmhülse für den Lauf verschraubt. Der Verschlussträger läuft auf den mit dem Upper verschraubten Führungen. Darunter gibt‘s beidseitig zwei Durchbrüche von 20 x 120 mm für die erwähnten Chute- und Ejector-Einsätze. Wegen der Option auf Hülsenauswurf rechts/links findet sich der Ausstoßer unten mittig am Verschlusskopf, im Unterschied zu den älteren MDR-Versionen nunmehr etwas breiter. Laut Werk soll der Auszieher bei Verwendung von Messinghülsen für zirka 10.000 Schuss gut sein. Über dem Verschlussträger sitzt auf dem Upper eine nicht verstellbare Schaftbacke. Und davor prangt die aus dem Vollen gearbeitete 225-mm-Montageschiene, hier ohne Vorneigung (wäre beim kurzen MDR auch überflüssig). Insgesamt: Der Upper ist klasse gearbeitet und, dem Bullpup-Design geschuldet, auch sehr aufwendig.
Der Zusammenbau der Selbstladebüchse von Desert Tech
Öffnet man den MDR-Koffer (misst nur 58 x 39 x 11,5 cm), präsentiert sich die MDR zerlegt in die 4 Teile Lauf, Magazin, Handschutz und Receiver. Der Zusammenbau: Verschluss hinten arretieren. Lauf von vorn ins Gehäuse bis zum Anschlag einführen. Dabei gibt‘s zwischen der auf den Gasblock-Schiene und der auf dem Gehäuse einen 1,5-mm-Spalt. Verschluss vorlassen, bis die Warzen verriegeln. Nun links an der Waffe den Lauf mittels 180-Grad-Drehung seiner Halteschraube fixieren. Mit einem Drehmoment von 80 in/lb. oder 9 Nm die beiden Schrauben daneben anziehen. Dann Arretierbolzen des Handschutzes herausdrücken und Handschutz von vorn über den Lauf schieben. Arretierbolzen eindrücken und die zwei Schrauben an den Handschutz-Nutensteinen anziehen. Das benötigte Werkzeug in Form eines T25 Torx- und eines 5-mm-Inbusschlüssels liegt bei. Mit etwas Übung dauert der Zusammenbau nur rund eine Minute.
Das leistet der Bullpup-Selbstlader auf dem Schießstand
Vor dem Präzisions-Check montierten die Tester ein Zeiss Victory V8, mit 2,8-20-facher Vergrößerung und 56-mm-Objektiv. Das sehr feine Absehen 60 wird dabei mittels ASV-Skala verstellt. Das Glas saß auf einer EraTac-Montage mit verstellbarer Vorneigung, via exzentrischem Polygonalprofil in 10-MOA-Schritten von 0 bis 70 Winkelminuten einstellbar. Zugegeben, bei nur 71 cm Länge ist das Einrichten der Waffe ungewohnt. Vorder- und Hinterschaftauflage stehen sehr eng beieinander. Das Zielfernrohr sitzt verhältnismäßig weit vorn, da der Verschluss im Hinterschaft der Desert Tech MDR läuft und somit die Laufmündung ebenfalls deutlich weiter hinter liegt. Kurzum: Sehr kompakt, was eine Umgewöhnung der Schießhaltung erfordert.
Trotz des kurzen Laufes wählten wir Patronen mit Geschossgewichten bis 190 Grains, da der 1:10er Drall Projektile in der mit dieser Gewichtsklasse einhergehenden Länge noch sicher stabilisieren sollte. Dies funktionierte einwandfrei: Alle Geschosse perforierten in stabiler Fluglage die Papierscheibe. Dank der Bullpup-Bauweise liegt der Schwerpunkt der Waffe sehr weit hinten. Dadurch springt sie im Schuss etwas höher, als man dies von der konventionellen Bauweise gewohnt ist. Etwas enttäuscht waren die Tester vom Abzug. Dessen gemittelter Widerstand lag bei 30,5 N; das entspricht einem Auslösegewicht von gut 3.100 g über den Abzugsweg. Und so ein Wert ist bei einem Abzugsweg von 5 mm nicht gerade präzisionsfördernd. Sehr gute Arbeit leistete der Dreifinger-Mündungsfeuerdämpfer, da er den Feuerblitz minimal hielt. Auch gefiel, dass sich alle Bedienelemente wie erwähnt vollwertig von rechts/links bedienen ließen, dass es fürs Magazin 2 Lösemöglichkeiten gab und dass der 60-Grad-Hebel der 2-Stellungs-Sicherung nicht unter dem Abzugsfinger lag. Ist das Magazin leer, kann man auf eine Wippe hinter dem Magazinschacht drücken und so den hinten arretierten Verschluss freigeben. Die abgeschossenen Patronenhülsen fliegen in spitzem Winkel zur Waffenlängsachse nach vorn heraus und zwar nicht weiter als 30 bis 50 cm. MDR-typisch passiert das nicht beim Zurücklaufen des Verschlusses, sondern erst beim Vorlaufen, also beim Entspannen der Verschlussfeder. Somit steckt die Hülse noch in der Waffe, wenn der Verschluss in der hinteren Stellung arretiert. Ja, und Störungen? Bei gut 200 Testschüssen: Keine!
Das Fazit zum MDR im Kaliber .308 Winchester
Das MDR trifft gut, zeigt sich hervorragend verarbeitet und ist sehr bedienfreundlich: ein Technik-Leckerbissen, da voll links-/rechts-tauglich und zudem mit dem Highlight des werkzeuglosen Hülsenauswurf-Umbaus. Zudem hat Desert Tech das MDR als Multikaliberwaffe für die Kaliber .223 Remington / 5,56 Nato, .300 BLK und .308 Winchester ausgelegt. Für die aufwendige Technik erscheint der Preis von 3.999,- Euro als absolut gerechtfertigt.
Text: Christopher Hocke und Matthias S. Recktenwald
Wie erwähnt, gibt es auch Repetierer in Bullpup-Bauweise. all4shooters.com hat beispielsweise das Barrett M95 in .50 BMG getestet.