Sie sind legendär, die Selbstladebüchsen von Barrett Firearms Manufacturing, namentlich die im Monsterkaliber .50 Browning Machine Gun (BMG) alias 12,7 x 99 mm Nato. Doch kommt da nicht jeder ran: Selbstlader wie das bei der Bundeswehr als G82 eingeführte Modell 82 sind für den deutschen Zivilmarkt als Kriegswaffe gesperrt. Dennoch gibt es eine 50er Barrett, die sich auch in Deutschland gesetzeskonform verkaufen lässt. Die Rede ist von der M95, einem 1995 vorgestellten Zylinderverschlussrepetierer. Der hat sich längst seinen Platz bei überseeischen Long-Range-Fans erobert – trotz oder wegen der ungewöhnlichen Konstruktion, nämlich eines Hinterschaftlade-Systems. Wer bei so einem Bullpup-Gewehr nun an eher Zierliches wie das Steyr AUG denkt, liegt falsch. Zwar maß das Gewehr mit dem 5-Schuss-Kastenmagazin nur 1.150 mm, brachte aber 11.235 g auf die Waage – irgendwo muss ja die Masse herkommen, die es braucht, um der Energie der 50er Patronen entgegenzuwirken. Wie sich die Barrett M95 in der Praxis schlug, zeigte der Test, für den all4shooters einen der von Helmut Hofmann importierten Mehrlader erhielt.
Der Schaft und das Chassis des M 95 von Barrett
Abgesehen von Lauf und Verschluss besteht die M95 aus massiven Blechprägeteilen, durch Ziehen zweier Splinte in 2 Baugruppen zu zerlegen. Das Unterteil setzt sich aus Griffstück mit Abzugseinheit sowie Magazinschacht und Hinterschaft zusammen. Zudem zählt die Unterseite des vorderen Handschutzes mit Klapp-Zweibein dazu. Dieses zeigt sich im Barrett-Stil: Zwei 9,5 mm starke Beinchen laufen in einer Buchse mit Lochblech. Einfach, funktional, stabil. Das Lochblech enthält die Arretierung, ist schwenk- und in 4 Stufen höhenverstellbar. Die Befestigung unten am Vorderschaft erfolgt auch via Splint mit Schlüsselring. Die sehen übrigens alle aus wie der Sicherungssplint einer Handgranate. Beim Griffstück besteht nur der Pistolengriff aus Hartplastik. Er ist via AR-Schnittstelle konfiguriert. Wie für Bullpup-Gewehr üblich, sitzt der Magazinschacht hinter dem Pistolengriff. Das stählerne Barrett-Kastenmagazin fasst in 2 Reihen 6 Patronen in .50 BMG (Maximallänge: 140 mm). Der Hinterschaft samt seiner starr gehaltenen Schulterstütze lässt sich nicht anatomisch verstellen.
Ein 25 bis 35 mm starkes Gummi polstert die Schaftkappe, um den Rückstoß erträglicher zu machen. Unten am Hinterschaft ließe sich ein Monopod anbringen. Jedoch gehört derlei hier nicht zum Lieferumfang, warum auch immer. Ein Stück Rundeisen mit Auflageplatte und Fixierschraube könnte Barrett seinen Kunden gönnen, so die Tester. Das komplett mit dem Lauf verschraubte Gehäuseoberteil stellt eigentlich nur den Deckel zum Unterteil da. Wie das Unterteil des vorderen Handschutzes hat es auch beidseitig 4 Ventilationsöffnungen. Direkt dahinter ist eine Art Rückstoßstollen angeschweißt. Er hält den Lauf und überträgt die Rückstoßkraft aufs Gehäuseunterteil und somit auf die Schulterstütze. Auf dem Gehäusedeckel befindet sich eine 298,5 mm lange Picatinny-Schiene mit 27 MOA Vorneigung. In Schussrichtung vorn rechts und hinten links gibt es noch je einen fest angebrachten Riemenbügel.
Der 12,7 mm Lauf des Barretts
Fast zylindrisch, verjüngt sich dieses Element vom Beginn der Züge und Felder hin zur Mündung nur um 2/10 mm, von 28,9 auf 28,7 mm. An der Wurzel und im Patronenlagerbereich fällt es mit 39 mm weit stärker aus. Eingeschraubt ist der Lauf ins Gegenstück des Verschlusskopfes. Zum Einstellen des richtigen Verschlussabstandes verbaut Barrett wie viele andere Hersteller einen Konterring an der Wurzel. So lässt sich im Nachhinein noch der Verschlussabstand korrigieren, (sinnvoll bei einer Waffe aus den USA, wo es keinen C.I.P.-Beschuss gibt – in Ländern mit so einem Beschuss gehören solche Korrekturen aber in fachliche Hand). Der Lauf zeigt sich auf der vorderen Hälfte kanneliert. 9 Rillen sorgen für mehr Oberläche und somit besseren Wärmeabtransport. Auf der Mündung aufgeklemmt thront die Dreikammer-Mündungsbremse, mit ihrer bulligen, abgewinkelten Form typisch für Barrett. Die gekrümmten Prallflächen weisen die Verbrennungsgase in unterschiedlichen Winkeln nach hinten und zur Seite ab. Um dem Schießtest vorzugreifen: Die Bremse arbeitet so effektiv, dass sich die Tester beim Rückstoßverhalten an das einer .338 Lapua Magnum erinnert fühlten.
Verschluss und Abzug der Waffe im Kaliber .50 BMG
Der Verschlussträger mit Verschlusskopf misst knapp 11 cm. Entnahme: Sicherheits-Check, Gehäuseober- und -unterteil auseinander. Abzug drücken und Abzugsstange nach unten. Dann schiebt man den Verschluss über den Abzug aus dem Gehäuseunterteil heraus – in Schussrichtung, nach vorn: Wie gesagt, das ist ein Bullpup-Gewehr. Der Verschlusskopf selbst verriegelt über 3 Warzen in der aufgeschraubten Verschlusshülse an der Laufwurzel. Die 3 Warzen sind so groß, dass sie ineinander verschmelzen, so wirkt der Verschlusskopf dreieckig. Auszieherblech und Auswerferpin sorgen für sicheren Hülsenauswurf. Durch Umlegen eines Hebels lässt sich der Verschluss kinderleicht zum Reinigen zerlegen. Beim Abzug zeigt sich die M95 spartanisch – nein, man kann nichts einstellen. Weil es sich um eine hauseigene Mechanik handelt, bietet auch der Zubehörmarkt kaum Alternativen. Beim Prüfling lag das Auslösegewicht im Mittel bei 2350 g: völlig in Ordnung. An den sehr langen Abzugsvorweg muss man sich aber gewöhnen. Die 2-Stellungs-Sicherung wirkt direkt auf den Abzug; bedienen kann man sie nur von links.
Modell: | Barrett Firearms Manufacturing M95 |
Preis: | 8.499,- Euro |
Kaliber: | .50 BMG |
Kapazität: | 5 + 1 Patronen |
Länge: | 1.150 mm (mit Mündungsbremse) |
Lauflänge: | 743 mm (ohne Mündungsbremse) |
Dralllänge: | 1:15" / 381 mm, Rechtsdrall |
Abzugsgewicht: | 2.350 g / 23,1 N |
Gewicht: | 11.235g (mit leerem Magazin und Zweibein) |
Ausstattung: | Bullpup-Repetierbüchse mit Zylinderverschluss, freischwingendem Lauf samt 3-Kammer-Mündungsbremse, Zweibein, Magazine und Peli Case. |
Das Zielfernrohr kam von Schmidt & Bender
Passend zur kurzen M95 handelte es sich um ein Schmidt & Bender PM II Ultra Short in 3-20x50, hier mit TReMoR3-Absehen in der 1. Bildebene. Dieses auf Behördenzwecke gemünzte Absehen ist dank vieler Haltepunkte gewöhnungsbedürftig, eignet sich aber bestens für Long Range. Bei der Bildqualität lässt es sich kaum toppen. Selbst bei schlechter Sicht und 20-facher Vergrößerung bleibt das Bild im Okular überraschend hell. Die Parallaxe lässt sich perfekt einstellen. Überhaupt muss man die Haptik des Glases als gelungen bezeichnen. Trotz des großen Vergrößerungsbereiches tunnelt das Bild bei kleinen Vergrößerungen nicht, wie es das Ur-PM II macht. So sorgte das ZF für bleibenden Eindruck. Mit einem UVP von 3.920,- Euro gehört es aber zur Premiumliga. Wer es sich leisten kann und will, wird auf keinen Fall enttäuscht.
Mit dem Bullpup-Repetierer auf dem Schießstand
Dieser lag einmal mehr zuerst im Erzgebirge – beim Schützenverein Mittleres Erzgebirge e.V. lassen sich laborähnliche Tests im Schießstollen untertage durchführen. Bereits nach wenigen Probeschüssen kamen die Prüfer mit Abzug und Co. zurecht, so dass dem Test nur noch eine intensive Reinigung voranzugehen brauchte, wie immer mit Bronzebürste, Solvent und Patches. Zum Messen der Geschossgeschwindigkeiten stand neben der elektronischen Trefferanzeige von Silver Mountain Targets (SMT) wieder ein LabRadar-Gerät bereit. Doch leider nicht lange. Die Mündungsbremse leitete die Verbrennungsgase so effektiv nach hinten, dass nicht nur die Haare der Tester wie vom Winde verweht aussahen, sondern auch das LabRadar-Messgerät die Rolle rückwärts machte. Gott sei Dank gab‘s nur Blechschaden, die Elektronik arbeitete noch. Der Rückstoß bildete dank Bremse und Schaftkappenpolster kein Problem.
Die Einschläge der 4 Testlaborierungen lagen dicht beieinander. Die 600 Grains schweren SAX-Geschosse in Verbindung mit dem Schweizer Pulver RS80 lagen auf 100 und 300 m vorn. Die 700-grs-Geschosse von Johannsen trafen auf 500 m etwas besser. Alles in allem ist die Präzision der M95 mit einem für .50-BMG-Waffen relativ kurzen Lauf mehr als in Ordnung. Zumal die Barrett erst auf den großen Distanzen ihre wahre Wirkung entfalten soll. Das konnte sie bereits am Folgetag auf einer 1.000-m-Freilichtbahn vorführen. Der Schützengott meinte es da gut. Kein Regen, keine Sonne, 20°C und bewölkt. Also flugs die Trefferanzeige von SMT installiert und los ging es. Per Außenballistik-App Strelok wurden durch Eingabe der am Vortag gewonnen ballistischen Daten die Klickwerte für 1000 m berechnet und im Glas eingestellt. Patrone von Laborierung eins ins Lager, Verschluss zu, Feuer und ... Treffer! Bereits der erste Schuss lag direkt im Trefferfeld der Auswerteelektronik. So ließen sich alle Ladungen zügig durchschießen. Nur die von Hand verladenen 600-Grains-Geschosse von SAX wollten nicht mit der Elektronik harmonieren. Bald war klar, warum: Dank etwas schwacher Ladung flog das Geschoss auf 1.000 m unterschallig. So funktionierte die Trefferanzeige nicht. Also in altbewährter Manier eine Scheibe aufgestellt und nachgeschossen. Schlussendlich dominierte aber auf 1.000 m die SAX-Patrone mit 745-Grains-Messinggeschoss.
Unterm Strich − Test-Fazit zum Barrett M95 in .50 BMG
Wer auf Legenden steht, muss sie haben. Wer auf eine handliche Waffe in .50 BMG steht, sollte sie ebenfalls haben. Und dann ist es noch ein Repetierer mit Magazin. Okay, an einen Hinterschaftlader, also Bullpup, muss man sich gewöhnen, das ist aber nicht so schlimm, wie man denken mag. Die Präzision passt, zumal mit diesem Test sicher noch nicht ausgereizt: Mit etwas Tüftelzeit und einigen Ladeleitern sollte mehr drin sein. Fehlt was? Oh, ein Monopod sollte Barrett dazu packen. Zum Preis: Für knapp 8.500,- Euro erhält man einen Ableger der berühmten Scharfschützenwaffen auch hier in Deutschland. Zugegeben, viel Geld – aber viel Spaß für jeden, der gern mit ganz dicken Sachen ganz weit schießt.
Weitere Informationen über die Waffen von Barrett Firearms Manufacturing finden Sie auf der Seite sowie beim erwähnten Importeur, der Helmut Hoffmann GmbH.
Auf all4shooters.com haben wir bereits erklärt, worauf es beim Glas für die Long-Range-Büchse ankommt.