Bereits 2008 begannen die Tüftler von Albert Arms aus dem unterfränkischen Schweinfurt mit der Entwicklung eines großkalibrigen Halbautomaten in .338 Lapua Magnum (LM). 2013 stellte das Werk erste Prototypen der Automatic Long Range Rifle (ALR) fertig und präsentierte sie auf der Behördenmesse EnforceTac in Nürnberg. Daraufhin stufte das dafür zuständige Bundeskriminalamt (BKA) das ALR 338 Lapua Magnum als reine Behördenwaffe ein. Ein Jahr später stellte das Werk das ALR in .300 Winchester Magnum für den Zivilmarkt vor. Nun hatte das BKA aber nicht einen Halbautomaten in der Kalibergruppe .338 als Kriegswaffe klassifiziert, sondern explizit einen im Kaliber .338 LM. Damit aber lag der Gedanke nahe, eine zivile ALR-Version in anderem 338er Kaliber zu entwickeln. So fingen die Schweinfurter 2017 mit dem Design der ALR im Kaliber .338 Norma Magnum (NM) an. Das folgt dem Trend, denn die Norma-Magnum-Versionen in .300 und .338 sind gerade im Trend.
Das bringt die .338 Norma Magnum
Kurz eingeschoben sei die Antwort auf die Frage, was die .338 Norma Magnum bringt: Im Vergleich zur .300 Winchester Magnum hat sie etwa 25 bis 30 Prozent mehr Leistung. Hingegen liegen .338 Lapua Magnum und .338 Norma Magnum unter dem Gesichtspunkt ungefähr gleichauf. Der erste Prototyp der ALR 338 Norma Magnum entstand 2018. Am 9. April 2019 bekam Albert Arms per BKA-Feststellungsbescheid die offizielle Freigabe für den Zivilmarkt. all4shooters.com konnte diesen außergewöhnlichen Halbautomaten exklusiv testen. Aus Gründen der Handhabung ist es bei einer Neukonstruktion durchaus sinnvoll, auf ein bestehendes und weitverbreitetes System zurückzugreifen. Daher ähnelt das ALR auf den ersten Blick einem zu groß geratenen AR. Bei genauer Betrachtung finden sich viele Gemeinsamkeiten. Aber in puncto präzisionsfördernder Details unterscheiden sich die Bayern deutlich von den AR-Systemen. Dieser konstruktive und fertigungstechnische Mehraufwand hat sich jedoch gelohnt, da das ALR 338 NM mit einem Streukreis von nur 50 Millimeter auf 500 Meter mehr als überzeugen konnte. Was genau dazu notwendig ist, verraten die nächsten Abschnitte.
Der Lower Receiver des ALR in .338 Norma Magnum
Als Material für den ALR-Unterbau dient die hochfeste Aluminiumlegierung 7075. Das Gehäuse wird gegenüber den meisten AR-10 und AR-15 aus dem Vollen gefräst. Die Anbindung der Schulterstütze und des Magpul-Pistolengriffes folgen AR-Standard. Bei der Schulterstütze bediente sich der ALR-Konstrukteur, Büchsenmachermeister Vitali Grauer, einer Magpul PRS. Deren Länge lässt sich in sehr feinen 0,66-Millimeter-Schritten um insgesamt 25 Millimeter justieren. Gleiche Rasteinteilung steht bei der Schaftbackenhöhenverstellung zur Verfügung. Der maximale Verstellweg beträgt 20 mm. Aufgrund der standardisierten AR-Anbindung lassen sich nach Kundenwunsch auf andere Schulterstützen und Pistolengriffe an der ALR montieren. Alle Bedienelemente wie Magazinlöseknopf, Verschlussfanghebel und Sicherung sitzen beidseitig am Lower, so dass auch Linksschützen ohne Verrenkungen die Waffe bedienen können. Um den Verschlussfang beidseitig betätigen zu können, ist eine Kurvensteuerung notwendig. Der Sicherungshebel beschreibt zwischen Gesichert und Feuerbereit eine 90-Grad-Drehung. Der Hebel sitzt dabei über dem Abzugsbügel, so dass der Abzugsfinger nicht über dem Hebel liegt. Wer auf den Fotos dieses Artikels die typischen Piktogramme für den Sicherungszustand vermisst, der sei beruhigt: Bei der Testwaffe handelte es sich noch um einen der ersten Prototypen, die Serienstücke werden natürlich die entsprechenden Symbole aufweisen.
Beim Abzug handelt es sich um ein Modul, das in einem gefrästen, komplett entnehmbaren Aluminiumblock sitzt. Der Block ist mit zwei Stiften im Lower-Gehäuse fixiert. Um den Sitz der Abzugsgruppe spielfrei einzustellen und somit die Charakteristik deutlich zu verbessern, verspannen zusätzlich zwei Madenschrauben den Block. Der Auslösewert der Büchse lässt sich auf Werte zwischen 14,7 bis 34,3 Newton oder 1500 bis 3500 Gramm einstellen. Laut dem Inhaber von Albert Arms, Anton Albert, bildete die Konstruktion eines geeigneten Magazins eine der größten Herausforderungen. Aufgrund des hohen Patronengewichtes von knapp 50 Gramm muss die Magazinfeder entsprechend stark dimensioniert sein, um in dem kurzen Zeitfenster, in dem sich der Verschlusskopf hinter den Patronenböden befindet, den Zubringer und die bis zu zehn Patronen schnell genug nach oben zu befördern. Das massive Stahlblechmagazin wiegt im leeren Zustand bereits 380 Gramm. Der untere Magazindeckel lässt sich übrigens prima mit der Rille einer .338-Patrone öffnen.
ALR: Verbindung Lower und Upper
Wie beim AR verbinden beim ALR zwei verliersichere Zerlegebolzen die beiden Gehäuse. Hier zeigt die ALR bereits einige technischen Finessen, die man bei den AR-Systemen meist vergebens sucht. Der Rückstoßimpuls des abgeschossenen Geschosses und der ausströmenden Treibladungsgase überträgt sich vom Upper über die Zerlegebolzen auf den Lower und dann in die Schulter des Schützen. Daher befindet sich in der Bolzenführung am Upper eine eingepresste und gehärtete Stahlbuchse, auch der Zerlegebolzen mit einem Durchmesser von 7,9 mm ist gehärtet. Die Buchsen leiten daher die Kraft auf eine größere Fläche am Receiver ein. Zudem laufen die Stahlbuchsen nicht ein, was bei der AR-typischen Bolzenführung via Aluminium früher oder später auftritt. Daher sollten stahlgebuchste Bolzenführungen bei rückstoßstarken Kalibern eigentlich Standard sein. Um das bereits minimale Spiel zwischen kleinerem Bolzen und größerer Buchsenbohrung zu eliminieren, sitzt zwischen Magazinschacht und vorderer Bolzenführung eine justierte und gesicherte Klemmmadenschraube.
Verschluss des halbautomatischen ALR:
Auch beim 589 Gramm schweren Verschlussträger finden sich diverse Unterschiede beider Systeme. Für ein symmetrisches Tragbild verfügt das ALR nicht über die üblichen sieben, sondern über acht Verschlusswarzen. Gegenüber dem Auszieher befinden sich auf 9 Uhr zwei Ausstoßerstifte. Dies ist der größeren Hülsenmasse geschuldet und erhöht zudem die Auswurfsicherheit. Hinter dem Drehkopfverschluss befindet sich das massive Übertragungsstück. Es überträgt die Bewegung des Gasgestänges auf den Verschlussträger. Das Übertragungsstück, auch als Gas Key bezeichnet, ist nicht AR-typisch mit dem Verschlussträger verschraubt, sondern in einem Stück mit dem Verschlussträger verbunden. Dieser weist zudem eine extra Schlagbolzensicherung auf. Eine Nase am Schlagstück drückt eine Schlagbolzenfangsicherung nach oben, erst dann wird der gesamte Schlagbolzenweg freigegeben. Um einen Teileaustausch der als Kriegswaffe eingestuften ALR im Kaliber .338 LM mit der zivilen ALR in .338 NM zu unterbinden, gibt es jeweils an Verschlussträger und Verschlussführung einige Unterschiede.
Upper Receiver der Selbstladebüchse von Albert Arms:
Das Obergehäuse ist spanend aus dem Vollem gefräst, als Material dient wieder das 7075er Alu. Zwecks Korrosionsschutz und verbesserter Verschleißfestigkeit sowie Oberflächenhärte stattet Albert Arms alle Aluminiumteile mit einer Harteloxierung aus. Der beidseitig bedienbare Durchladehebel bedingt auch zwei Führungsstangen, um beim Durchladen die axiale Verschlussträgerbewegung zu ermöglichen. Der Hülsenabweiser rechts am Gehäuse ist geschraubt, nicht wie sonst üblich aus einem Stück mit dem Receiver verbunden. An der Position des Abweisers vermisst das AR-geübte Auge ein Detail. Die ALR hat keinen Dust Cover oder Staubschutzdeckel über dem Auswurffenster. Auch einen Forward Assist sucht man beim ALR vergebens. Dies deutet klar darauf hin, dass es sich beim ALR um eine Sportwaffe handelt.
Hinten am Upper befindet sich ein drehbarer Verschlussdeckel. Dieser öffnet sich nur, wenn man den Verschlussträger händisch per Durchladehebel nach hinten zieht. Eine Feder schließt den Deckel automatisch und schützt somit das Waffeninnere vor Verschmutzung. Im Schießbetrieb und damit beim Repetieren bleibt der Deckel stets geschlossen. Vor dem Deckel befindet sich eine aus dem Upper-Gehäuse herausgearbeitete Top Rail. Diese verlängert sich dann teilungsgleich mit der Top Rail des Handschutzes. Der freischwingende Handschutz sitzt auf einem langen zylindrischen Sitz der Barrelnut. Mittels dreier Schrauben wird er auf dieser axial fixiert, eine Verdrehsicherung stellt eine Nase mit korrespondierender Ausnehmung an der Top Rail dar. Am vorderen Ende des Handschutzes befindet sich auf der Unterseite ein Versa-Pod-Adapter zur Zweibeinaufnahme.
Beim Lauf verwenden die Unterfranken Lothar-Walther-Produkte. Je nach Anforderung lassen sich aber auch Heym- oder Merkel-Läufe verbauen. Der zylindrische 650-Millimeter-Lauf ist außen poliert und brüniert. Vor dem Handschutz gibt es einen massiven Gasblock, mit drei Schrauben auf den Laufmantel geklemmt. Die Gasdüse weist 3 Bohrungsdurchmesser auf. Der kleinste ist für den Betrieb mit Schalldämpfer gedacht, die mittlere Stellung für den normalen Schießbetrieb und die große Bohrung bei starker Waffenverschmutzung. Die jeweilige Düsenposition zeigen drei verschieden große weiße Punkte vorn an der Top Rail an. Beim indirekten Gasdrucklader überträgt das Gasgestänge die vom Gasdruck erzeugte Kraft axial auf den Verschlussträger. Die Gasdüse besitzt eine Labyrinthdichtung und dichtet somit gegenüber dem Gasblock ab. An der Laufmündung verschraubt befindet sich eine sehr schlanke Drei-Kammer-Mündungsbremse. Trotz einer geringen Prallflächengröße arbeitet sie sehr effektiv. Das Mündungsfeuer ist an den drei Kammeröffnungen seitlich stark ausgebildet. An der Bremsenwurzel gibt es zur Montage eines Schalldämpfers ein Außengewinde.
Schießstandbesuch mit dem .338 Norma Magnum-Halbautomaten:
Ehe sich die Tester dem Vergnügen des Ausprobierens widmen konnten, ging es ans Beschaffen von Munitionskomponenten und Ladedaten. Obwohl erste Patronen der .338 Norma Magnum bereits 2008 entstanden, also im selben Jahr wie die zum ALR führenden Entwicklungsarbeiten, gibt es kaum Fabrikmunition für diese Weitschusspatrone. Stand Juni 2020 verfügbar waren einzig zwei Fabrikladungen von Norma, laboriert mit 300 Grains schwerem Match-Hohlspitzgeschoss. Hülsenmaterial bieten Norma, Lapua, Hornady und Peterson an. Bei den Geschossen können Wiederlader auf eine breite Auswahl an .338-Projektilen zugreifen. Auch entsprechende Matrizensätze gibt es in Deutschland.
Zum Test lieferte Albert Arms die ALR 338 NM mit einem Schmidt & Bender 3-27x56 PMII aus, angebracht auf einer bewährten EraTac-Blockmontage mit 20 Winkelminuten Vorneigung. Die Gasdüse stand ab Werk auf der mittleren Stellung. So funktioniert die Waffe tadellos. In der kleinsten Stellung ist die abgeleitete Gasmenge hingegen zu gering, die ALR repetiert nicht. Daher ist diese Stellung für den SD-Betrieb gedacht. Das komplexe Innenleben eines SD verzögert den Druckabfall im Lauf, so dass in diesem Fall auch eine kleine Bohrung den Repetierablauf sicherstellen kann.
Nachdem die Tester die Streukreise mit insgesamt 6 Laborierungen geschossen hatten, experimentierten sie noch mit der Gasdüsenverstellung herum. So absolvierte all4shooters mit Laborierung 1 einen Streukreis von 8 Schuss auf 500 Meter. Dabei schossen sie die ersten beiden Schüsse mit der kleinsten Düseneinstellung, Schuss drei bis fünf mit der mittleren und die restlichen drei Schüsse mit der großen Einstellung. Trotz dieser Manipulation überzeugte das ALR dabei mit einem guten Streukreis von 106 mm oder 0,73 MOA (Minute of Angle). Der Wert ließ sich im normalen Schießbetrieb mit Handlaborierung 6 sogar noch mehr als halbieren. 50 Millimeter oder gerade einmal 0,34 MOA waren mit dem ALR 338 NM auf 500 Meter möglich. Dieser Wert ist für einen Halbautomaten außergewöhnlich und selbst für einen Präzisionsrepetierer sehr gut. Zwei weitere Punkte fielen sehr positiv auf. Trotz der filigranen Mündungsbremse fällt der Rücklauf der Waffe im Schuss gering aus. Die Bremse leitet einen Großteil der Treibladungsgase zu den Seiten ab. Der zweite Punkt dürfte vor allem die Wiederlader freuen, von denen es bei diesem Kaliber nicht wenige geben dürfte: Nach Abschuss und Auswurf der Hülse aus dem Fenster zeigt diese nur zwei leichte Abdrücke der Ausstoßerstifte am Boden. Hülsenmund und -körper kamen unversehrt aus dem Lager.
Testfazit zur Albert Arms ALR in Kaliber .338 Norma Magnum
Die halbautomatische Long-Range-Büchse ALR 338 NM von Albert Arms bietet exzellente Präzision, sehr gute Verarbeitung und einige technische Lösungen, die nicht nur die Präzision verbessern, sondern auch die Lebensdauer der Waffe erhöhen. Zugegeben: 8.990,- Euro sind viel Geld. Vergleicht man jedoch einmal das ALR mit technisch deutlich einfacheren Präzisionsrepetierern, etwa von Haenel, Sako, Steyr oder Accuracy, die meist in der gleichen Preisklasse oder sogar darüber liegen, ist der Preis in diesem Fall sicher gerechtfertigt. Seitens der Tester erhält die ALR 338 NM uneingeschränkt eine klare Kaufempfehlung.
Text: Christopher Hocke und Matthias S. Recktenwald
Dieser Test wurde zuerst in der VISIER Ausgabe 07/2020 veröffentlicht. Das Heft ist im VS Medien-Shop zu beziehen und dort auch als Digitalausgabe verfügbar.