Wir konnten bereits in der Vergangenheit mit anderen .50 BMG Sniper-Rifles auch auf Long-Range-Distanzen Erfahrungen sammeln. Etwa mit dem Bushmaster BA 50 oder dem Bullpup-Repetierer M95. Auch die caliber präsentierte bereits vor zehn Jahren Waffen des renommierten, englischen Herstellers Accuracy International: Im Heft 01/2012 die Repetierbüchse AX50 und in caliber 03/2013 auch das überschwere Selbstladegewehr AS 50. Der hammerstarke Halbautomat wurde von Accuracy International (AI) in Zusammenarbeit mit dem "Naval Surface Warfare Center" (NSWC) entwickelt und um 2007 bei den US Navy SEALs eingeführt.
Die Patrone .50 BMG: 100 Jahre alter Gigant
1918 wurde der legendäre John M. Browning mit der Entwicklung eines schweren Maschinengewehres und einer Patrone für die Bekämpfung von Hartzielen beauftragt. Drei Jahre später waren die Arbeiten bereits abgeschlossen, das noch heute genutzte Maschinengewehr Browning M2 war geboren und die .50 BMG wurde 1923 offiziell bei den amerikanischen Streitkräften eingeführt. Während die 1939 eingeführte M2 Ball-Laborierung "nur“ 19 Millimeter Stahl auf 500 Meter durchdringen konnte, verbesserte man die Durchschlagskraft mit der M33 Ball-Laborierung im Jahre 1947 nur unwesentlich auf 21 Millimeter. Bald 50 Jahre später, 1994, konnte mit der Treibspiegelmunition M903 SLAP (Saboted Light Armor Penetrator) die Leistung nochmals erheblich gesteigert werden, wurden nun 34 Millimeter Stahl auf 500 Meter geknackt. Diese Performance war möglich, weil man ein rund 180 Grains leichtes .308er Hartkernprojektil in einem .510er Plastikbecher verlud, mit dem dann eine Extremgeschwindigkeit von 1.372 m/s realisiert werden konnte. Neben anderen ausgewachsenen Scharfschützengewehrpatronen wie .300 Winchester Magnum (7,62x67 Millimeter) oder .338 Lapua Magnum (8,6x70 Millimeter) werden bei den Militärs Gewehre in .50 BMG aufgrund ihrer Reichweite, Leistungsfähigkeit und Zerstörungskraft im Ziel als "Anti-Material-Waffen“ hoch geschätzt. Immerhin bietet das Projektil reichlich konstruktiven Spielraum für Munitions-Spezialitäten wie Hartkern, Leuchtspur oder Sprengbrand.
Schwergewichtssportler: Long Range mit Büchsen in .50 BMG
Die Präzision der .50 BMG auf echten Weitdistanzen weckte schon früh das Interesse der sportlichen Long-Range-Schützen, was 1985 zur Gründung der "Fifty Caliber Shooters Association" (FCSA) in den USA führte. Hier wird in verschiedenen Kategorien und Waffenklassen auf Entfernungen von 600 Yards (548 Meter), 1.000 Yards (914 Meter), 2.000 Yards (1.829 Meter) und 3.400 Yards (3.109 Meter) mit Wettkampfbüchsen und spezialisierter Ausrüstung agiert. Die erzielten Ergebnisse versetzen auch den Kenner in ungläubiges Staunen. So liegt der aktuelle Weltrekord für den kleinsten Streukreis bei fünf Schuss auf 1.000 Yards bei 49,6 Millimetern! Geschossen von Lee Rasmussen in der "Heavy Gun"-Klasse am vierten Juli 2009. Die machbare Schussleistung selbst jenseits der 2.000 Meter Marke ist nicht minder beeindruckend, so schoss der mehrfach 1.000 Yards-Weltmeister Skip Talbot schon im Jahr 2001 auf einer Distanz von 2.163 Metern auf ein 183x183 cm großes Ziel und realisierte dabei einen 5-Schuss-Streukreis von 142,2 Zentimeter, wobei drei Schuss auf 45,7 Zentimeter zusammen lagen!
Cooper lässt grüßen – zur Geschichte von Accuracy International
Der AI-Mitbegründer Malcolm Cooper startete seine eindrucksvolle Schützenkarriere mit dem Kleinkalibergewehr in Neuseeland, wo sein Vater mit der Royal Navy stationiert war. Nach dem Gewinn der olympischen Goldmedaille im Dreistellungskampf 1984 in Los Angeles konnte er vier Jahre später seinen Triumph in Seoul 1988 wiederholen. Er gewann alle fünf Einzeltitel bei der Europameisterschaft 1985 und stellte nicht weniger als fünf Weltrekorde anlässlich der Weltmeisterschaften im Folgejahr auf. Gemeinsam mit seiner Frau Sarah Cooper gewann er auch Mannschaftsgold bei den Commonwealth Games 1986 in Edinburgh. Das Ausnahmetalent starb am 11. Juni 2001 im Alter von 54 Jahren. Nur auf den ersten Blick mag es verwunderlich erscheinen, dass ausgerechnet ein erfolgreicher Spitzenathlet in olympischen Schießsportdisziplinen das Scharfschützenwesen bei Militär und Polizei nachhaltig beeinflusst und verändert hat. Doch die Justier- und Anpassungsmöglichkeiten des Schaftes und der Abzugseinheit einer KK-Matchbüchse unterstützen die wiederholgenaue Präzisionsarbeit des Schützen, was auch für professionelle Scharfschützen ein wesentlicher Faktor ist.
Zudem war AI aus Portsmouth, Hampshire, seit der Gründung im Jahr 1978 ausschließlich auf die Fertigung von Scharfschützengewehre spezialisiert, ein Vorreiter auf dem Gebiet der heute so boomenden Chassis-Konstruktion. Die Präzisionsinstrumente der "Artic Warfare" (AW)- und "Artic Warfare Magnum" (AWM)-Baureihen gelten heute zu Recht als wegweisende Klassiker. Britische Scharfschützen verwendeten bereits seit 1985 das Modell L96A1 in 7,62x51 Millimeter NATO. Sie besitzen seit jeher ein Leichtmetallchassis, an dem alle anderen Bauteile befestigt werden. Hierbei kann auf eine zusätzliche Bettung verzichtet werden, weil der massive Systemkasten direkt mit dem Aluminiumträger verschraubt ist, was wiederum die Laufhalterung wesentlich versteift. Durch den großen Erfolg von AI in der internationalen Behördenwelt waren die AI-Gewehre der auslösende Startschuss für weitere Entwicklungen anderer Hersteller und heute gibt es unzählige serienmäßige Repetierer und Nachrüstlösungen mit einem Leichtmetall-Trägersystem, sodass wir dieser Waffengattung bereits ein ganzes Special gewidmet haben (siehe caliber 11-12/2018).
Die Repetierbüchse AX 50 ELR von Accuracy International im Detail
Gerade in der jüngeren Vergangenheit ist AI äußerst rührig, so konnten wir die kampfwertgesteigerte, aktuelle A2 Upgrade-Ausführung des Bundeswehr-Scharfschützengewehrs G22 in .300 Winchester Magnum bereits vorstellen. Danach präsentierten wir dann auch das neue Multikaliber-Scharfschützengewehr AX MK III. Das dritte, neue Scharfschützengewehr (SSG) von der Insel ist das nun hier abgehandelte AX 50 ELR. Der aus einem hoch legierten Werkzeugstahl gefräste mächtige Systemkasten der AX 50 mit einer Länge von 33 Zentimetern ist mit seiner planen Unterseite permanent mit dem Leichtmetallchassis verschraubt, verkeilt und geklebt, um eine höchstmögliche Stabilität und Wiederholgenauigkeit im Schuss zu erreichen. Eine Besonderheit bei diesem Systemkasten ist die MIL-STD-1913-Optikmontageschiene auf der Oberseite, die mit 45 MOA eine extrem hohe Vorneigung besitzt. Nicht umsonst trägt das englische SSG in der weiteren Modellbezeichnung das Kürzel ELR, weil es für den "Extreme Long Range"-Bereich, also den extremen Weitdistanzeinsatz, konzipiert ist. Wo sich Schützen mit anderen Präzisionsgewehren mit konventionellen Montagen und Optiken bereits im zielballistischen Grenzbereich bewegen, da In dem massiven Systemkasten wohnt eine ebenfalls aus hochfestem Stahl bestehende, 28 Zentimeter lange, kannelierte Verschlusskammer mit einem Durchmesser von drei Zentimetern sowie sechs Verriegelungswarzen in zwei Reihen, die im Lauffortsatz ("Barrel Extension") verriegeln.
Üblicherweise wird der Ausstoßer bei einem Zylinderverschluss auf der gegenüberliegenden Seite des Ausziehers positioniert. Im Stoßboden des AX 50 ELR-Verschlusses jedoch sind beide mechanischen Komponenten näher aneinander gelagert, denn so wird die riesige .50 BMG-Hülse nach oben gedrückt, um sie sicher aus dem Auswurffenster zu katapultieren. Der 27“ lange Lauf aus rostträgem Stahl mit 1-15“ Drall wird mit einer Gewindelänge von 39 Millimeter in den Systemkasten eingeschraubt. Auf dem Feingewinde an der Mündung sitzt eine zusätzlich geklemmte und verschraubte Drei-Kammer-Mündungsbremse, die ihre Effektivität im späteren Praxistest unter Beweis stellte. Bei der klappbaren, vollverstellbaren Schulterstütze überzeugt vor allem auch die federgelagerte Längenanpassung. Betätigt man einen linksseitig unter der höhenverstellbaren Wangenauflage gelagerten Knopf, schnellt die Schaftkappe heraus und passt sich dem Schützen im Anschlag an. Die Schaftkappe kann auch im Winkel justiert werden. Der freistehende AR-15-Pistolengriff wurde im Winkel so verändert, dass in typischen Anschlägen ein besserer Kontakt mit der Schusshand realisiert wird, was sich im späteren Praxistest als sehr positiv erwies.
Test auf dem Schießstand: Was kann die Accuracy International AX 50 ELR in der Praxis? Streukreise auf 300 und 500 Meter
Eine .50 BMG stellt auch hinsichtlich der Beschaffung rund um Munition und Ladekomponenten heutzutage eine Herausforderung dar. Glücklicherweise stellte uns Heinrich Fortmeier seine Ladepresse und Matrizen zur Verfügung. Gut aufgestellt in der ballistischen Oberliga ist auch der deutsche Munitionshersteller Sax aus dem Erzgebirge in Sachsen, der uns dankenswerterweise mit Fabrikmunition mit 600 Grains und 745 Grains schweren Messingsportgeschossen (MSG) sowie den identischen Projektilen für unsere Handlaborierungen versorgte. Die von Sax entwickelten und produzierten Massivgeschosse aus einer Messinglegierung besitzen spezielle Rillen, um einerseits eine maximale Führung im Bereich des Hülsenhalses zu erreichen und andererseits, um das Geschoss für maximale Präzision so nahe wie möglich an die Züge/Felder des Laufes setzen zu können. Aufgrund der Geschosskonstruktion als reibungsarmes Führbandgeschoss wird der Einpresswiderstand des Geschosses in die Züge und Felder des Laufes deutlich reduziert und damit auch der Laufverschleiß erheblich verringert.
Angesichts der Tatsache, dass eine einzige Fabrikpatrone in .50 BMG um die 12 bis 13 Euro kostet, kommt man als Zivilist und Sportschütze kaum am Wiederladen vorbei. In dieser Hinsicht gehen die Preise für die Sax-Matchgeschosse mit 246 Euro/100 Stück für das 600 Grains MSG und 267 Euro/100 Stück für das 745 Grains MSG vollkommen in Ordnung. Wir staunten nicht schlecht, als wir mit unserer Handlaborierung mit 600 Grains Sax MSG-Geschoss auf der 100-Meter-Bahn einen 17 Millimeter großen Streukreis in die Pappe stanzen konnten. Auch wenn man sich auf dieser Kurzdistanz mit der AX 50 ELR wie mit einem Bagger im Sandkasten auf dem Kinderspielplatz vorkommt. Nach dem 100-Meter-Test ging es in die 500-Meter-Indoor-Anlage Rosenberg 1 in Marienberg. Hier realisierten wir die 300- und 500-Meter-Topstreukreise von 58 Millimeter respektive 98 mm mit der Sax 745 Grains MSG-Fabrikmunition. Berechnet hatten wir den Geschossfall übrigens mit der Smartphone-App "Strelok Ballistic Calculator".
Technische Daten | Accuracy International AX50 ELR in .50 BMG |
System: | Zylinderverschluss mit 60 Grad Öffnungswinkel und sechs Verriegelungswarzen, die im Lauf verriegeln. |
Lauf: | 68 Zentimeter langer Matchlauf aus rostträgem Stahl mit 1-15“-Drall und Dreikammer-Kompensator |
Schaft: | AX Leichtmetallchassis mit klappbarer Schulterstütze mit höhenverstellbarer Schaftbacke sowie in Länge, Höhe und Winkel verstellbarer Schaftkappe, freistehendem AR-15-Pistolengriff, Leichtmetall-Handschutz mit Key Slots- und ARCA-Schnittstellen für Montage von Stativen und Zusatzausrüstung. |
Magazin: | Einstellbarer Druckpunkabzug, gemessenes Abzugsgewicht 2.082 Gramm |
Abzug: | Einstellbarer Druckpunkabzug, gemessenes Abzugsgewicht 2.082 Gramm |
Sicherung: | 3-Positionen-Sicherung am Schlösschen, wirkt auf den Schlagbolzen |
Länge: | 1.140 Millimeter bis 1.415 mm (bei ein- und ausgeklappter Schulterstütze) |
Gewicht: | 12 Kilogramm (im Leerzustand ohne Montage, Optik und Zusatzausrüstung) |
Preis: | 11.758,62 Euro |
Test-Fazit: Unser Eindruck zur AI AX50 ELR in .50 BMG
Mit der AX 50 ELR stellt der englische Hersteller wieder einmal mehr unter Beweis, dass man zu den weltweit führenden Spezialisten im Reich der modernen Scharfschützengewehre gehört. Leider hat das aber auch seinen Preis, denn das Exemplar kostet im Basiskaliber .50 BMG um die 12.000,- Euro. Darüber hinaus gibt es vom Hersteller Wechselsätze in den Kalibern .375 CheyTac, .408 CheyTac oder .416 Barrett. In einem Wort: beeindruckend!
Dieser Beitrag stammt aus der caliber 01.2022. Dort sind auch die Schussleistung der Accuracy International AX50 ELR in .50 BMG enthalten. Sie können das Heft – auch als Digitalausgabe – ganz bequem im VS Medien-Onlineshop bestellen.
Text: Stefan Perey / Michael Fischer