Test in VISIER: Einfluss der Lauflänge bei der .223 Rem.

Entscheidet sich der Schütze für eine neue Waffe, bieten ihm viele Hersteller neben einer großen Anzahl an Modellen und Kalibern oft auch unterschiedliche lange Läufe zur Auswahl an. Doch für welche Lauflänge soll er sich hier entschieden - welche ist für seine Zwecke die Richtige? Allgemein heißt es: Lange Rohre erreichen eine höhere Geschossgeschwindigkeit, und die Flugbahn der Projektile verläuft somit gestreckter. Andererseits erzeugen lange Rohre auch stärkere Laufschwingungen, und auch Schützenfehler machen sich durch die längere Durchgangszeit des Geschosses bis zur Mündung stärker bemerkbar.

Um den Einfluss der Lauflänge auf die Präzision und die Abgangsgeschwindigkeit zu untersuchen, griffen die VISIER-Tester auf vier Halbautomaten im beliebten Sportkaliber .223 Remington zurück.

Der besseren Vergleichbarkeit geschuldet, wählten sie die drei systemgleichen Modelle SIG Sport 550, 551 und 552 mit Rohrlängen von 500 mm, 430 mm und 240 mm von SIG SAUER. Um noch eine Waffe mit noch längerem Lauf einzubeziehen, kam auch noch ein DAR-15 LRS Advanced mit einem 650 mm langen Rohr dazu.

Einfluss der Lauflänge bei der .223 Rem.-Die vier Testwaffen
Die vier Testwaffen im Überblick: Aus Eckernförde kamen die SIG Sport Modelle 552, 551 und 550. Unten das DAR-15 LRS Advanced mit einem 650 mm langen Super Bull Barrel. Als Zielhilfe für die SIG-Waffen diente ein SCHMIDT & BENDER 5 - 25 x 56 PM II mit P4LF- Absehen und für das DAR-Gewehr ein ZEISS HENSOLDT 6 - 24 x 56.

Testmodelle von VISIER für die Lauflänge .223 Remington:

Der sportlich abgestimmte Halbautomat aus der im sächsischen Lichtentanne ansässigen

Waffenschmiede DYNAMIC ARMS RESEARCH besitzt einen Super-Bull-Barrel aus dem Hause LOTHAR WALTHER. Die Innengeometrie des Rohres weist sechs rechtsdrehende Züge auf. Die Dralllänge beträgt bei einer Geschossumdrehung neun Zoll (229 mm). Um eine geringere Rauhtiefe zu erreichen, wurde das Innenprofil handgeläppt. Den Lauf unterzieht DYNCAMIC ARMS RESEARCH, wie alle weiteren Stahlteile, einer Teniferierung.

Dabei werden die Stahlteile im Tenifer-QPQ-Verfahren (Quenchen-Polieren-Quenchen) in mehreren Tauchbädern bei unterschiedlichen Temperaturen nitriert und zwischendurch wiederholt abgeschreckt, gewaschen und poliert respektive perlgestrahlt. Diese Prozedur führt durch die dabei erzielte Oberflächenhärtung zu einer erhöhten Verschleißfestigkeit und Steifigkeit. Sie schützt zudem vor Korrosion.

An der zurückgesetzten Match-Mündung der Testwaffe schnitt der Hersteller außen ein M 18 x 1-Rechtsgewinde in den Lauf. Dafür schickte er die passende Mündungsbremse (DYNAMIC ARMS RESEARCH Super Bull Comp) aus harteloxierten Aluminium gleich mit. Der lange, ventilierte Handschutz besteht aus dem gleichen Material und besitzt seiner Oberseite eine durchgehende, mit der Top-Rail des Gehäuses teilungsgleiche Picatinny-Schiene. An die Unterseite des Vorderschafts schraubte DAR eine weitere MilStd-1913 zur Aufnahme von Zweibeinen oder entsprechenden Adaptern.

Wie allen Alu-Teilen verpasst der Hersteller auch dem trowalisierten und perlgestrahlten Upper Receiver eine Harteloxierung. Durch die mechanische Vorbehandlung erhält er eine gleichmäßige Oberfläche, ohne scharfe Kanten. Im Lower Receiver verbaut DYNAMIC ARMS RESEARCH einen AR-15-Match-Druckpunktabzug von Uhl und außen dran eine beidseitig bedienbare MPSS-Sicherung. Serienmäßig liefern die Sachsen ein zehnschüssiges MAGPUL 20-Magazin aus Kunststoff mit. Der Griffwinkel des gummierten Hogue-Pistolengriffes ermöglicht ein entspanntes Schießen. Am Gehäuse sitzt ein PRS-Kunststoffhinterschaft mit zahlreichen Verstellmöglichkeiten, ebenfalls von US-Hersteller MAGPUL. An dessen Unterseite brachte DYNAMIC ARMS RESEARCH ein höhenverstellbaren Accushot BT 12QK-Erdsporn an.

Einfluss der Lauflänge bei der .223 Rem.
Sauber verarbeitet: Systemgehäuse (Upper Receiver) und Griffstück (Lower Receiver) des DYNAMIC ARMS RESEARCH DAR-15 LRS Advanced.
Einfluss der Lauflänge bei der .223 Rem.
Auch das DYNAMIC ARMS RESEARCH DAR-15 LRS Advanced lässt sich ohne jegliches Werkzeug zum feldmäßigen Reinigen zerlegen. Die Mündungsbremse bekommt man aber nur mit einem Inbus ab.

Bei den zum Test herangezogenen SIG Sport-Modellen handelt es sich um die zivilen Varianten des 1983 unter der Bezeichnung Sturmgewehr 90 (Stgw 90) in der Schweizer Armee eingeführten SG 550. Alle drei Modelle besitzen an dem Lauf und den stählernen Gehäuseteilen eine schwarze Ilaflon-Beschichtung zum Schutz vor Korrosion. Auf der Gehäuseoberseite thront eine punktverschweißte Pica-Rail zur Aufnahme von Optiken. Alle drei Varianten verfügen jedoch auch über ein für 100 Meter Distanz ausgelegtes, höhen- und seitenverstellbares, klappbares Notvisier. Der Handschutz besteht aus schwarzem Kunststoff und wartet ausschließlich bei der 550 mit einem integrierten, ausklappbaren Zweibein auf. 

Bei den kürzeren Modellen finden sich auf beiden Seiten des Plastikvorderschafts lediglich die Aussparungen für die Beine der Waffenunterstützung. Der skelettierte Hinterschaft lässt sich bei den Modellen 550 und 551 nach Drücken eines halbrunden Knopfes auf der linken Waffenseite anklappen. Eine Federklemme arretiert ihn an der rechen Waffenseite.

Durch den Klappschaft lässt sich beidiesen beiden Modellen die Waffenlängeum 227 Millimeter verkürzen. Bei der nurinsgesamt 713 Millimeter langen SIG Sport 552 blockiert der Hersteller die Klappfunktion des Schaftes. Das deutsche Waffenrecht schreibt für „zivile“Langwaffen eine Mindestlänge von 60 Zentimetern vor. Diese würde mit angeklappter Schulterstütze von der SIG Sport 552 unterschritten.

Einfluss der Lauflänge bei der .223 Rem.
Systemgleichheit: Bis auf den Lauf besitzen alle SIG Sport-Modelle der 550er Serie das gleiche Innenleben wie das hier feldmäßig zerlegte SIG Sport 552. Die Demontage der Hauptbaugruppen lässt sich einfach und ohne Werkzeug bewerkstelligen.

Analog dem Stgw 90 besitzen die drei SIG Sport-Modelle einen nicht freischwingenden Lauf mit sechs Zügen und einer Dralllänge von 1:10 Zoll. Der von außen sichtbare Laufteil der beiden langen SIG-Modelle verläuft zylindrisch und durchmisst 19 Millimeter. Beim kurzen SIG 552 beträgt die Stärke sogar nur 15,2 mm. Im Gegensatz zum Stgw 90 fehlt bei den Zivilversionen ein Mündungsgewinde. Während die Modelle 550 und 551 ohne Mündungsfeuerdämpfer auskommen, wäre dieser bei dem kurzen Lauf der SIG 552 wünschenswert: Fast alle Testlaborierungen spuckten Feuerbälle von einem halben Meter Länge aus dem kurzen Rohr.

Einfluss der Lauflänge bei der .223 Rem.
Die Gasdüse der SIG-Modelle lässt sich einfach ohne Werkzeug einstellen. Im Test wurden alle Laborierungen mit der 1,2-Millimeter-Einstellung geschossen.

Aus dem vorderen Ende des Handschutzes ragt bei allen drei Modellen die einstellbare Gasdüse. Diese reguliert bei dem indirekten Gasdrucklader die Menge des für den Repetiervorgang abgeleiteten Verbrennungsgases. Die Düse verfügt über zwei Stellungen. Standardmäßig messen die Bohrungen in der Düse 1,2 mm und 1,3 mm. Mit der kleineren Bohrung zweigt das System weniger Gas ab, was zu einem ruhigeren Schussverhalten führt: Der Prallschlag des nach hinten beschleunigten Verschlusses und auch die Materialbelastung der Waffe fallen so deutlich geringer aus. Die große Gasbohrung sollte der Schütze demnach nur bei stark verschmutzter oder vereister Waffe nutzen.


Fragestellungen des Tests für Lauflänge .223 Remington:

Wie beeinflusst die Lauflänge die Mündungsgeschwindigkeit und die Präzision der Geschosse?

Welche Geschossgewichte eignen sich besser für kurze oder gar sehr kurze Läufe?

Welchen Einfluss hat die Dralllänge auf die Stabilisierung unterschiedlicher Geschossgewichte? Können längere Läufe bei grenzwertiger Dralllänge die Geschosse besser stabilisieren?

Mit diesen Fragen im Gepäck marschierten die Tester auf den Schießstand. Zuvor bestückten sie noch das DYNAMIC ARMS RESEARCH DAR-Gewehr mittels einer Era-Tac-Blockmontage mit einem ZEISS Hensoldt 6 - 24 x 56 und für den Präzisiontest der SIG-Modelle versahen sie diese nacheinander mit einem per Recknagel-Blockmontage aufgesetzten SCHMIDT UND BENDER-Zielfernrohr 5 -25 x 56 PM II. Eines vorweg: Alle vier Testwaffen verdauten alle ihnen im Test vorgesetzten Patronen störungsfrei. Für die Messungen schossen die Prüfer 14 Laborierungen mit Geschossgewichten von 52 bis 75 Grains unter den gleichen äußeren Bedingungen. Dabei erfassten sie die Geschossgeschwindigkeiten drei Meter vor der Mündung mit einem Mehl BMC 18. Dabei ergab sich, dass die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den 55- und 69-Grains-Geschossen aus dem kurzen 240-mm-Rohr relativ gering waren. Dabei muss man aber beachten, dass die schwereren Projektile selbstredend mehr Geschossenergie mit auf den Weg bekommen. 

Mit zunehmender Rohrlänge holen die Leichtgewichte diesen Rückstand in Sachen Energie aber annähernd auf. Betrachtet man den Mittelwert der drei 55 grs und der fünf 69 grs schweren Laborierungen, so ergibt sich für die schweren Geschosse aus dem 240-mm-Lauf ein Energieplus von 18 %, bei 430 mm Rohrlänge von 14 %, beim 500-mm-Rohr von 12,7 % und bei dem mit 650 mm längsten Lauf nur noch von 7,5 %. Daher sollte man bei kurzen Rohren den schweren Geschossen den Vorzug geben - zumindest, wenn die Geschossenergie im Vordergrund steht.

Dass mit zunehmender Lauflänge die Geschossenergie steigt und sich daher die Einsatzentfernung vergrößert und sich die Wirkung im Ziel verbessert, war bekannt. Doch wie wirkten sich die unterschiedlichen Lauflängen auf die Präzision aus? Der Schießtabelle auf Seite 62 kann man entnehmen, dass sich (bis auf wenige Ausnahmen) die Streukreise mit zunehmender Lauflänge deutlich verkleinerten. Vor allem der starkwandige Lauf der DAR wirkte sich aufgrund seiner hohen Masse erkennbar präzisionsfördernd aus.

Weiter wurde gemessen, ob die Dralllänge einen direkten Bezug auf das Geschossgewicht und die Stabilisierung der Geschosse hat. Wir erinnern uns: Die SIG Sport-Testwaffen besitzen alle eine Dralllänge von 1:10 Zoll und die DAR eine von 1:9 Zoll. Fälschlicherweise ordnen viele Schützen einem bestimmten Drall meistens auch bestimmte Geschossgewichte zu. Besser setzt man jedoch den Drall in Relation zur Geschosslänge und nicht zur -masse, da vielmehr die -länge die Stabilisierung bewirkt.

Vor allem im Hinblick auf die allgemeine Bleihysterie kommen nun auch Geschossmaterialien

wie Zinn, Kupfer sowie Kupfer-Zink-Legierungen als Ersatz für den bewährten Bleikern zum Einsatz.

Die Ersatzstoffe haben eine um etwa ein Drittel geringere Dichte als das bei den Römern unter „Plumbum“ bekannte Schwermetall. Daraus folgt, dass gleich schwere, bleifreie Geschosse länger sind als jene mit Blei. Die geeignete Dralllänge bei gegebenen Geschossen lässt sich für Langwaffenkaliber hinreichend genau mit der sogenannten Miller-Formel herausfinden. Diese Formel enthält neben dem Geschossgewicht auch die Geschosslänge und kann auch zum Ermitteln geeigneter Geschosse bei gegebener Dralllänge genutzt werden.

Um den Effekt auf die Geschossstabilisierung gleichschwerer Projektile mit und ohne Blei zu untersuchen, stellte RUAG Ammotec den Testern eine neue Laborierung zur Verfügung. Bei dieser Sorte namens „Zinn Training“ handelt es sich um eine Trainingspatronen für Behörden, die speziell auf die dort üblichen Dralllängen von sieben bis acht Zoll abgestimmt wurde. Ihr Teilmantel-Kegelstumpf-Geschoss besitzt einen Zinnkern, und ihr Geschossgewicht beträgt - bei einer Länge von 23,2 mm -4,0 Gramm (62 grs).

Als Referenzgeschoss diente das PPU 4,0 Gramm FMJ BT (Laborierung Nr. 6) mit Bleikern und einer Länge von nur 20,5 mm. Während das Prvi-Geschoss aus Läufen mit beiden im Test vorhandenen Dralllängen ausreichend stabilisiert wurde, fand das Zinngeschoss seinen Grenzbereich. Der kürzere Drall der DAR stabilisierte die Zinn-Projektile noch hinreichend, wie Streukreise von 14 mm auf 100 m Distanz belegten. Der Zehn-Zoll-Drall der SIG Waffen führte dagegen zu einer Unterstabilisierung. Allerdings wirkte sich hier die Lauflänge auf den Grad der Destabilisierung aus. 

Beim sehr kurzem Rohr der SIG Sport 552 kamen sowohl die Zinn- als auch die 75 grs schweren HORNADY Geschosse (Laborierung Nr. 14) in Querlage auf der Scheibe an. Diese Querlage trat jedoch bei den Modellen 551 und 550 nicht mehr auf, allerdings waren die Streukreise im Vergleich zum besser stabilisierenden 1:9"-Drall der DAR-15 LRS Advanced höher. Es kann daher festgehalten werden, dass bei nicht auf die Dralllänge der Waffe abgestimmten Projektilen längere Läufe eine bessere Stabilisierung einstellen als kurze. Weiterhin sollte bei Verwendung bleifreier Geschosse unbedingt der passende Drall berechnet werden, da sich die mit Bleigeschossen gesammelten Erfahrungswerte hierauf nur sehr bedingt übertragen lassen.

Einfluss der Lauflänge bei der .223 Rem.- Geschossgeschwindigkeit 
Vergleich Geschossgeschwindigkeit DAR, SIG 550, 551 & 552 bei Laborierung 8
Einfluss der Lauflänge bei der .223 Rem.-Geschossabfall
Vergleich Geschossabfall DAR, SIG 550, 551 & 552 bei Laborierung 8

Technische Daten der Waffen im Test der Lauflänge .223 Rem.:

Modell
SIG Sport 550

SIG Sport 551

SIG Sport 552

DYNAMIC ARMS RESEARCH

DAR-15 LRS Advanced


Preis:
€ 2.899,-
€ 2.899,-
€ 2.699,-
€ 3.388,–
Kaliber:
.223 Remington
.223 Remington
.223 Remington
.223 Remington
Magazinkapazität:

2, 5, 10, 20 oder 30 Patronen
2, 5, 10, 20 oder
30 Patronen 
2, 5, 10, 20 oder 30 Patronen
2, 5, 10, 20 oder
30 Patronen
Lauflänge:
500 mm
430 mm
240 mm
650 mm
Abzugsgewicht:
3.270 g
2.960 g
2.870 g
1.136 g
Gesamtlänge:
972 mm
902 mm
713 mm
1.197 mm
Gewicht:
4.180 g
3.825 g
3.200 g
5.750 g
Ausführung:
Druckpunktabzug, Picatinny Rail, Notvisier, Klappschaft, Zweibein.
wie SIG Sport 550, aber ohne Zweibein.
wie SIG Sport 550, aber ohne Zweibein und Klappschaft. 
Matchabzug, Picatinny Rail, Mündungsbremse,
verstellbarer Schaft.

Schießtest .223 Remington aus Läufen mit unterschiedlichen Längen

Einfluss der Lauflänge bei der .223 Rem.-Schießtest
Schießtest .223 Remington aus Läufen mit unterschiedlichen Längen