Test: STEYR SSG Carbon Scharfschützengewehr in .308 Win.

Das Unternehmen Steyr Mannlicher hat bekanntermaßen im Marktsektor der Scharfschützen- und Präzisionsschützengewehre (SSG/PSG) Pionierarbeit geleistet. Bereits 1969 präsentierte man mit dem Steyr SSG-69 das weltweit erste serienmäßige SSG mit Kunststoffschaft und Spitzenpräzision für den professionellen Militär- und Polizei-Einsatz. Alle anderen SSG davor basierten auf Jagd- oder Infanteriegewehren, die lediglich für die besondere Verwendung modifiziert und aufgerüstet wurden. 

Überraschend stellte Steyr auf der IWA 2014 das SSG Carbon mit außergewöhnlichem Lochschaft aus Kohlestofffasern dem interessierten Fachpublikum vor und schwimmt damit gegen den Strom an.

Angeboten wird aktuell gleich eine Modellfamilie in den vier gängigstenen Kalibern: .243 Winchester, .308 Winchester, .300 Winchester Magnum und .338 Lapua Magnum. Das Steyr SSG Carbon wird im Standardkaliber .308 Winchester (7,62x51 mm NATO) in zwei Lauflängen angeboten:

Mit 50 cm-Lauf für Einsatzentfernungen von bis zu 300 Metern Entfernung und mit 60 cm-Lauf für den Weitdistanzeinsatz jenseits dieser Marke. 


Steyr SSG: Carbon statt Metall

Der markante, auf beidseitige Bedienung ausgelegte Daumenloch-Kunststoffschaft mit hohem Carbonfaser-Anteil, wird im so genannten „Sheet Moulding Compound“ (SMC) Verfahren hergestellt. Eine fertige Matrix (Verbundwerkstoff aus Polyesterharzen, Additiven und mineralischen Füllstoffen) mit drei Millimeter Dicke, die bis zu 50 mm große Carbon-Flocken enthält, wird in eine vorgefräste Form eingelegt und anschließend werden die Formhälften zusammengefahren. Das zähflüssige Material wird dabei in alle Vertiefungen gepresst und mit Temperatur ausgehärtet.

Weil sich die unförmigen Kohlefaser-Flocken dreidimensional in der Matrix verteilen, ergibt sich ein sehr stabiler, gleichmäßiger Zustand in jeder Belastungsrichtung. Das Material verändert sich im ausgehärteten Zustand kaum, weist also nur eine sehr geringe Wärmeausdehnung und minimales Schrumpfmaß auf, wenn es kalt wird. 

Test: STEYR SSG Carbon in .308 Win.
In den Daumenloch-Kunststoffschaft des Steyr SSG Carbon wurden Aluminiumblöcke integriert, um eine optimale Systembettung zu gewährleisten.

Diese Eigenschaften sollen sich positiv auf die Präzision auswirken, weil keine Spannungen auf das System übertragen werden. Laut Herstellerangaben entstand der neue Kunststoffschaft mit dem großen Daumenloch auch deshalb, weil sich Mitglieder verschiedener Militär- und Polizeieinheiten darüber beklagten, dass sich die dominierenden Aluchassis mit ihren oftmals vorhandenen, gefrästen Fensterausschnitten und Taschen im harten Einsatz nur sehr schwer und mit viel Aufwand ordentlich reinigen lassen. 

Test: STEYR SSG Carbon in .308 Win.
Steyr SSG Carbon: Der voll ausgestattete, vielseitig verstellbare Schaft bringt gerade einmal zwei Kilogramm auf die Waage. Das gelungene Schaftdesign und das erstklassige Zweibein (von Fortmeier) erleichterten die Präzisionsarbeit.

Das großzügig dimensionierte Daumenloch hinter dem Pistolengriff mit Fingermulden und weicher Elastomer-Einlage erlaubt eine Waffenbedienung selbst beim Tragen von dicken Winterhandschuhen. Die Schaftlänge kann durch die Montage von Zwischenstücken variiert werden. Verstellungsmechaniken erlauben eine Höhenjustierung der Schaftkappe sowie eine Höhen- und Seitenveränderung der Schaftbacke. Zusätzliche Features: Hecksporn mit Höhenfeinkorrektur, Montagemöglichkeit für ein VersaPod-, Harris- oder das sehr gute, hauseigene Steyr-Zweibein, fünf M6-Anschlussgewinde für die Anbringung von Brückenmontagen für Nachtsichtoptiken oder Montageschienen für weitere Zusatzausrüstung. 

Test: STEYR SSG Carbon in .308 Win.
Blick auf die schnittige Mittelpartie des Steyr SSG Carbon. Abzugsbügel- und Magazinschacht-Unterseite befinden sich auf einer Linie.

In der Unterseite des Hinterschaftes befindet sich übrigens ein groß dimensionierter Stauraum mit Deckel, in dem Reinigungszeug, Batterien oder andere Utensilien untergebracht werden können. Der Abzugsbügel ist an seiner Unterseite mit einer Bohrung versehen, was Justierarbeiten an der Abzugseinheit vereinfacht. Die hakenförmige Stufe an der Unterseite der Schulterstütze verleiht der unterstützenden Hand einen sehr guten Halt in der Liegend-Position oder im sitzend aufgelegten Anschlag. 

Auf der nächsten Seite finden Sie alles zum Verschluss, der Schussleistung und dem Praxistest.

Steyr SSG Carbon: Mit SBS-Zylinderverschluss

Test: STEYR SSG Carbon in .308 Win.
Steyr SSG Carbon: Der Steyr „Safety Bolt System“ (SBS)-Verschluss funktioniert höchst zuverlässig und bietet Maximalsicherheit. Das Magazin für 10 Patronen besitzt zwei Bedientasten.
Test: STEYR SSG Carbon in .308 Win.
Steyr SSG Carbon: Neben der hier gezeigten Version mit 600 mm Laufl änge gibt es auch eine Variante mit 100 mm kürzerem Lauf.

Das SSG Carbon basiert wie die aktuelleren Vorgänger auf dem zusammen mit dem Sportgewehr SBS 96 Match im Jahre 1996 eingeführten „Safety Bolt System“ (SBS)-Zylinderverschluss mit vier Verriegelungswarzen in zwei Reihen und 70 Grad Öffnungswinkel, wurde aber im Detail modifiziert. Die spezielle Vereisungs- und Versandungsrille sorgt für höchste Funktionszuverlässigkeit unter klimatischen Extrembedingungen von plus 70 Grad bis minus 40 Grad Celsius in der Wüste oder arktischen Eislandschaft.

In das Systemgehäuse mit nun neuerdings abgeflachten Seitenflächen wird der 600 mm lange, kalt gehämmerte Lauf mit Mündungsbremse mit drei Expansionskammern eingeschraubt.

Beim Lauf des SSG Carbon von Steyr wurde der birnenförmige Anfangsbereich nochmals verändert, um noch mehr Steifigkeit und ein optimiertes Lauf-schwingungsverhalten zu realisieren. 

Test: STEYR SSG Carbon in .308 Win.
Steyr SSG Carbon: Der sauber justierte Druckpunktabzug mit der speziellen Drei-Stellungs-Sicherungsscheibe in der Hinterpartie.

Der Lauf soll im Schuss weit weniger ausschlagen und sich schneller beruhigen. Zu den besonderen Konstruktionsmerkmalen des Steyr SBS 96-Verschlusssystems gehört neben dem korrespondierenden Gegenlager für den Verschlusskopf mit seinen vier Verriegelungswarzen eine spezielle Sicherheitsbuchse im Bereich der vorderen Systembrücke. Sollte in einem „worst case“-Szenario einmal ein extrem hoher Gasdruck auftreten und die Patronenhülse beginnt zu fließen, dann stützt die Sicherheitsbuchse den Verschlusskopf und zwingt die Patronenhülse in ihre ursprüngliche Form. Somit kann kein überschüssiges Gas nach hinten in Richtung des Gesichtes des Schützen entweichen, so dass hier für maximale Sicherheit gesorgt ist. Das SBS 96-System ist darauf ausgelegt, Gasdrücke von bis zu 8.000 bar zu verdauen.


Schussleistung des Steyr Mannlicher SSG Carbon in .308 Winchester

Geschoss

Fabrikpatrone

OAL

V2
V2-Diff. 

Präzision 100 m  
Gewicht, Hersteller, Geschossart, DiameterHersteller-Serie 
in mm
in m/s
in m/s
 in mm
102 grs Sako HPBT .308
Sako Fabrikpatrone
66,1
949,3
9,6
19
154 grs MEN SFC .308
MEN Fabrikpatrone
71,2
835,5
9,4
13
168 grs RWS HPBT .308
RWS Fabrikpatrone
71,0
805,1
7,3
23
168 grs Sierra HPBT .308
40,0 grs Hodgdon Benchmark
71,5
772,1
8,5
13
168 grs Sierra HPBT .308
42,0 grs Hodgdon Benchmark
71,5
813,5
10,1
19
168 grs Hornady A-Max .308
Hornady Superformance
71,0
835,9
12,8
11
168 grs Hornady Z-Max .308
Hornady Zombie
71,1
808,4
11,7
12
168 grs Sierra HPBT .308
S&B Fabrikpatrone
70,9
757,3
2,0
11

(Alle Handlaborierungen in Remington-Hülsen, Trimmlänge: 50,9 mm, mit einem Remington Large Rifle 9,5 Zünder. Testaufbau: Sitzend aufgelegt unter Verwendung einer hinteren Sandsack-Auflage und eines vorderen Steyr-Zweibeins. 5 Schuss auf 100 Meter. Visierung: Schmidt & Bender PM II-Zielfernrohr 5-25x56.)


Das Steyr SSG Carbon im Praxistest

Wir konnten auf der 100 Meter-Bahn mit dem Steyr SSG Carbon, ausgerüstet mit ERA TAC-Montage und Schmidt & Bender PM II-Zielfernrohr 5-25x56, mit fünf von acht Munitionssorten Streukreise produzieren, die sich allesamt mit einem 2-Cent-Stück abdecken ließen. Die hier erstmals vorgestellte Testwaffe im Standardkaliber .308 Winchester mit 60 cm-Lauflänge liegt im Preis bei 3.792 Euro. 


Das neue Steyr-Scharfschützengewehr SSG Carbon in den leistungsstärkeren Weitdistanzkalibern .300 Winchester Magnum und .338 Lapua Magnum kostet 4.059 Euro beziehungsweise 4.659 Euro. 

Test: STEYR SSG Carbon in .308 Win.
Prominente Vorgänger: Steyr SSG 04 in .300 Win. Mag. (oben) und Steyr SSG-69-Klassiker in .308 Win. (unten).

Weitere Informationen:

Steyr Mannlicher GmbH

Ramingtal 46

4442 Kleinraming

Telefon: +43-(0)7252-8960

Fax: +43-(0)7252-78618

www.steyr-mannlicher.com

office@steyr-mannlicher.com

Importeur für Deutschland:

Unsere Testwaffe wurde vom Deutschland-Importeur Albrecht Kind GmbH (AKAH), Postfach 31 02 83, 51617 Gummersbach, Telefon: +49-(0)2261-7050, Fax: +49-(0)2261-73540, www.akah.de, info@akah.de zur Verfügung gestellt.

Steyr Mannlicher SSG Carbon in .308 Winchester 
Technische Daten 

Test: STEYR SSG Carbon in .308 Win.

€ 3.792 
System

modifizierter Steyr SBS 96 Zylinderverschluss mit vier Verriegelungswarzen in zwei Reihen und einem Öffnungswinkel von 70 Grad


Lauf  

60 cm langer, gehämmerter Lauf mit einem Drall von 1-12“ (305 mm) und Mündungsbremse 


Schaft

Daumenloch-Kunststoffschaft mit Kohlefaser-Verstärkung, Alubettung, höhenverstellbarer Schaftbacke und -kappe, Vorderschaft-Partie mit fünf beidseitigen M6-Gewindebuchsen und Frontaufnahme für Zweibein


Magazin
metallverstärktes Kunststoff-Kastenmagazin für 10 Patronen
Abzug
Druckpunktabzug, eingestellt auf 1.140 Gramm
Sicherung

3-Stufen-Sicherung auf dem Kolbenhals 


Visierung

ohne, wird mit MIL-STD-1913 Picatinny-Montageschiene mit 20 MOA Vorneigung für Zielfernrohr-Montage ausgeliefert


Länge
1.182 mm
Gewicht
5,7 Kilogramm