Im europäischen Vergleich ist Deutschland sicherlich auch hinsichtlich der blühenden Entwicklung eines AR-15 Marktes führend, mischen doch Unternehmen wie Heckler & Koch, Oberland Arms, Schmeisser oder Sauer & Sohn auf diesem Sektor mit. Darüber hinaus gibt es "Custom Schmieden" wie Dynamic Arms Research (DAR) oder HERA Arms, die Komplettwaffen oder Hauptbestandteile offerieren sowie eine kleine, aber feine Tuningindustrie mit Firmen wie Impact oder Gunworks, die Gasblöcke oder Mündungsaufsätze produzieren.
Ansonsten sieht es in Europa mit AR-15 Herstellern eher bescheiden aus, gibt es doch beispielsweise noch Astra Arms in der Schweiz oder Luvo Arms, ein Unternehmen, das wie Proarms aus der Tschechischen Republik stammt.
Newcomer mit Ehrgeiz
Rund 20 Kilometer östlich von der tschechischen Hauptstadt Prag entfernt, befindet sich das beschauliche Örtchen Nehvizdy, Firmensitz des jungen Waffenproduzenten Proarms Armory von Ivo Hofmann. Die ersten Schritte im "AR-15 Business" unternahm man ab 2008 mit nur geringfügig modifizierten Gewehren PAR Mk1, die auf geschmiedeten Hauptbestandteilen amerikanischer Zulieferer aufbauten.
Wie so viele andere europäische Firmen, die sich mit dem Import aus den USA stammenden AR-15 Komponenten beschäftigen, musste auch Ivo Hofmann die traurige Erfahrung machen, dass der Aufwand rund um den behördlichen Papierkram riesig und die Lieferzuverlässigkeit oftmals winzig ist.
Aus diesem Grunde entschied man sich dazu, eine komplette Eigenfertigung auf die Beine zu stellen. Hierbei wollte man gleich "Nägel mit Köpfen" machen und ein eigenständiges, wandlungsfähiges Gewehr auf dem neuesten Stand der Technik in Modulbauweise kreieren – ein ehrgeiziges Unterfangen. Doch das Ergebnis in Gestalt des PAR Mk3 mit indirektem Gasdruckladersystem mit Drehkopfverschluss, Kurzhub-Impulsgestänge, vierfach justierbarem Gaskolben sowie mechanischem Schnellwechsellaufsystem kann sich zumindest auf den ersten Blick mehr als sehen lassen.
Immerhin verspricht es eine rasche Wandlungsfähigkeit hinsichtlich der Rohrlänge von 10,5" bis 18" und für die Zukunft auch Kaliberkonversionen, wobei neben dem Standardkaliber .223 Remington dann auch 9 mm Luger, .222 Remington, 7,62x39, 6,8 mm SPC oder 5,45x39 angeboten werden sollen.
Wenn Späne fliegen
Die Hauptbestandteile der Proarms Armory PAR Mk3 Gewehre werden aus dem vollen Aluminiumblock 7075 T6 auf modernen CNC-Fräsmaschinen herausgearbeitet. Griffstück und Systemkasten besitzen durch die schnittigen Konturen – vor allem im Bereich des Magazinschachtes – sowie die integrale, massiv gehaltene Einheit aus manueller Schließhilfe und Hülsenabweiser ein eigenständiges, attraktives Erscheinungsbild.
Doch hier wurde nicht nur auf Kosmetik geachtet, denn "lower" und "upper" sind mit Minimaltoleranzen aufeinander abgestimmt.
Weil uns zwei Testgewehre mit mehreren Wechselläufen zur Verfügung standen, konnten wir probehalber auch Hauptbestandteile untereinander austauschen.
Dies war problemlos möglich und die Komponenten passten wechselweise nahezu spielfrei zueinander. Die nachträglich gestrahlten und eloxierten Griffstücke und Oberteile weisen saubere Oberflächen auf, die auch bei akribischer Examinierung keinerlei Frässpuren offenbarten.
Wechselspiele
Ein Laufwechsel lässt sich theoretisch ohne Werkzeug bewerkstelligen. Allerdings saßen die Teile unserer Testwaffe so stramm, dass wir es dennoch bevorzugten, Hilfsmittel, wie beispielsweise einen kleinen Gummihammer, einzusetzen. Ein Klemmhebel am Handschutz muss um 180 Grad gedreht werden, um ihn von der Laufeinheit nach vorne abziehen zu können. Schon hier kam der Gummihammer zum Einsatz, um den Hebel in seine Endposition zu bewegen.
Die Toleranzen zwischen dem Handschutz und der darunter liegenden Laufarretiermutter ("barrel nut") waren wiederum derart knapp bemessen, dass sich der Vorderschaft nur mit Kraftaufwand lösen und entfernen ließ.
Bei einem konventionellen AR-15 befindet sich auf der Stirnfläche der Laufmutter ein Lochkranz, in den man mit einem Spezialschlüssel eingreifen kann, um die Laufmutter zu lösen. Bei dem PAR Mk3 entdeckt man nach Abnahme des Handschutzes aber eine spezielle Laufmutter mit umlaufenden Seitenbohrungen, in denen ein Bügelgriff eingehakt ist, der als praktischer Verlängerungshebel bei der Demontage eingesetzt werden kann.
In diesem Konstruktionsdetail weist das tschechische AR-15 beispielsweise gewisse Gemeinsamkeiten mit dem amerikanischen Magpul "Masada Adaptive Combat Weapon System" (MACWS) Sturmgewehr auf. Bevor man die Laufmutter lösen kann, muss man noch eine im Griffstück positionierte Fangraste nach hinten drücken. Zumindest bei den Testmustern war es schwierig, eine neutrale Stellung zu realisieren, hier hätten der Raststift länger und die Nut ein wenig tiefer sein können, um ein sicheres Einrasten zu gewährleisten.
Nach der Demontage der Laufmutter kann der Lauf herausgenommen und durch einen anderen ersetzt werden. Wie beim Original wird der gehämmerte Lauf aus ziviler CZ-Fertigung mit dem Lauffortsatz, der als Gegenlager für den Verschlusskopf mit seinen sieben Riegelwarzen dient, in den oberen Systemkasten eingesetzt und in seiner Position mit einem Stift gesichert.
Alternatives Antriebssystem
Im Gegensatz zum originalen Stoner-System mit direktem Gasantrieb und Gasröhre arbeitet das PAR Mk3 mit einem indirekten Kurzhub-Impulsgestänge (wie auch HK G36, HK 416, FN SCAR oder SIG 516). Das Kolbensystem besteht aus einer direkt mit dem Lauf verbundenen Gasentnahmeeinheit, einer Steuerungseinheit und einem Stößel.
Bei einem Laufwechsel ist auch der Austausch von Steuerstück und Stößel fällig. Weil in allen Lauflängen die Gasentnahme an der gleichen Stelle positioniert ist, gibt es unter den bisher angebotenen Läufen von 10,5" bis 18" keinerlei Probleme hinsichtlich der Kompatibilität.
Die Demontage des Kolbensystems ist intuitiv und in Sekundenschnelle erledigt. An der Frontseite der Gasentnahmeeinheit sitzt ein Stift, der nur in eine Richtung rausgeschoben werden kann. Anschließend drückt sich das Kolbenstangensystem nahezu von ganz alleine in Richtung Ausgang und es kann entnommen werden.
Das Zusammenbauen funktioniert wesentlich leichter als das Zerlegen, so dass man es tatsächlich in noch nicht einmal einer Minute schafft, den gewünschten Lauf wieder einzubauen.
Um eine hohe Funktionsbandbreite mit unterschiedlichsten Munitionssorten und bei diversen Dauergebrauchszuständen hinsichtlich des Verschmutzungsgrades zu erreichen, ist die Steuerungseinheit für die Gaszufuhr in vier sauber markierten Positionen regulierbar.
In der ersten Position wird über eine kleine Bohrung die kleinste Menge und in der vierten Stufe über die größte Bohrung die meiste Menge Gas zum Antrieb des Kolbens eingesetzt.
Im Testverlauf arbeiteten wir mit einer Einstellung auf Position Zwei, was für absolute Zuverlässigkeit mit den sechs verwendeten Munitionssorten sorgte.
Ausbaufähig
Herstellerseitig wird der Leichtmetall-Handschutz in drei Baulängen angeboten. Trotz der eigenständigen Konstruktionsmerkmale ist das Selbstladegewehr PAR Mk3 an den weiteren Schnittstellen – Schulterstütze und Pistolengriff – aber mit dem riesigen Angebot an AR-15 Produkten der Tuningindustrie kompatibel.
Ausgerüstet ist das tschechische AR-15 mit einer in sechs Längenpositionen verstellbaren Schulterstütze im Magpul CTR Design. Der Schaft sitzt spielfrei auf der Röhre, kann zusätzlich geklemmt werden und eignet sich aufgrund seines Längenzuwachses in der Endposition (im Vergleich zu einem A2 Standardschaft) vor allem auch für große Schützen.
Auch der freistehende Pistolengriff aus Kunststoff im Stile eines Magpul MOE überzeugt durch seine gelungene Ergonomie. Die im Lieferumfang enthaltene, mechanische Klappvisierung für den Notfall entspricht im Design ebenfalls einem Magpul Produkt in Form der MBUS (Magpul Back-Up Sight) Visierung aus Polymer-Kunststoff.
Eine Seitenverstellung wird über die Lochkimme und eine Höhenkorrektur über das Korn vorgenommen – und das Ganze funktioniert auch noch sehr präzise, wie wir feststellen konnten.
Auf dem Schießstand
Das tschechische Selbstladegewehr PAR Mk3 in .223 Remington wurde mit einem Leupold-Zielfernrohr Mark 4 3,5-10x40 ausgerüstet. Weil der "Quadrail" Handschutz mit Picatinny-Profil die Montage leicht machte, entschieden wir uns für ein kurzes UTG Zweibein anstatt einer Benchrest-Auflage als vorderen Auflagepunkt, um im sitzend aufgelegten Anschlag mit einer weiteren, hinteren Auflage an der Schulterstütze mit fünf Schuss pro Munitionssorte die Präzision auf 100 Metern zu überprüfen.
Zum Einsatz kamen fünf Fabrikmunitionssorten und eine Handlaborierung mit einem Geschossgewichtsspektrum von 52 Grains bis 69 Grains. Wie bereits erwähnt, kam es zu keinerlei Funktionsstörungen. Der militärisch-harte Standardabzug mit einem gemessenen Widerstand von 3.750 Gramm erleichterte mitnichten die Arbeit. Das Bestschussbild konnten wir bei Lauflänge von 16,75" (425 mm) und 12,5" (317 mm) mit 38 mm sowie 48 mm mit der neuen Hornady Zombie Munition mit giftgrünem Z-Max Projektil erzielen.
Das tschechische PAR Mk3 besticht durch ein hohes Verarbeitungsniveau gepaart mit innovativen Detaillösungen. Die zuverlässige Funktion des Gasdruckladersystems und die Laufwechselmechanik machen es zu einer flexiblen Plattform nach dem Motto "ein Gewehr, viele Disziplinen".
Leider kann aber die bisher machbare Schussleistung zumindest im ersten Anlauf nicht mit der von anderen Selbstladebüchsen auf Basis des AR-15 Systems mithalten. Angesichts des hohen Verarbeitungsniveaus und der engen Toleranzen ist diese eher durchschnittliche Schussleistung etwas überraschend und auch enttäuschend. Dennoch erachten wir aber das Gewehr als technisch viel versprechend und interessant, so dass weitere Tests und eine Feinabstimmung im Detail ein dankbares Betätigungsfeld darstellen werden.
Demnach geht unserer Meinung nach der Preis von knapp 2.000 Euro für das innovative PAR Mk3 mit sehr eigenständigen Designeigenschaften auch in Ordnung.
Nach Abschluss der ersten Testreihen ergaben weitere Recherchen bisher folgendes Bild.
Nach Herstellerangaben reicht es in vielen europäischen Ländern durchaus aus, wenn die tschechischen AR-15 Gewehre mit den CZ-Läufen aus Zivilfertigung Streukreise im Bereich von 50 mm auf 100 Metern produzieren können.
Weil aber uns deutschen Lochbohrern mit Hang zur Perfektion solcherart Schussgruppen nicht ausreichen, hat Proarms Armory in Abstimmung mit dem deutschen Importeur bereits beschlossen, die PAR Mk3 Gewehre auch mit deutschen Lothar Walther Matchläufen anzubieten. Mit diesen Versionen, die schon ab etwa April 2012 zur Verfügung stehen sollen, dürfte dann nach den gesammelten Erfahrungswerten sicherlich eine Halbierung der 50-mm-Marke machbar sein. Zumindest dann, wenn sich das Laufwechselsystem nicht als die Ursache für die bisher durchschnittliche Schussleistung herausstellen sollte.
Selbstverständlich werden wir auch einen "zweiten Anlauf" mit einem derart modifizierten Selbstladegewehr mit Lauf aus deutscher Fertigung wagen. Schon aus Eigeninteresse, schließlich möchte man doch wissen, was aus dieser vielversprechenden Basis noch herauszuholen ist.
Ein All4Shooters-Beitrag von