Test & Technik: Pedersoli Whitworth Vorderlader-Gewehr

Kurz vor ihrem Ende waren die Vorderlader am besten: In den 1850er Jahren führten viele Armeen Perkussions-Ordonnanzgewehre mit gezogenen Läufen ein, die sich bei massiv gesteigerter Präzision, Reichweite und Wirkung so schnell laden ließen wie die gut 250 Jahre lang benutzten Militärmusketen. Konstrukteure und Ballistiker wie Claude Minié oder Joseph Whitworth leisteten die Grundlagenarbeit bei der Perfektionierung dieser Waffenart.

Aktuell stellt das italienische Unternehmen Davide Pedersoli seine Replik des britischen Whitworth-Gewehrs vor – um 1860 war das einer der besten Vorderlader. Der Clou: Statt gängigem Feld-Zug-Profil kam das Perkussionsgewehr Whitworth mit hexagonalem, also sechseckigem Laufprofil. 

Pedersoli Whitworth: Geschichte des Vorderlader-Gewehrs

Portrait des Konstrukteurs des Whitworth-Gewehrs Joseph Whitworth
Der britische Konstrukteur der Waffe: Joseph Whitworth (1803-87)

Der Mann, dessen Namen das Gewehr trägt, war Joseph Whitworth (1803-87). Der Ingenieur war einer der Väter der industriellen Massenfertigung und galt als Technik-Universalgenie. Er befasste sich auch mit Waffen, als ihn die britische Regierung darum bat. Nach Einführung des gezogenen Enfields Pattern 1853 in .577 wurde festgestellt, dass ein Teil gut schoss, der Rest schlecht. Darum beauftragte der Zeugamtschef Whitworth mit der Ursachenforschung. Der Erfinder erledigte das und schuf gleichzeitig ein neues Gewehr.

Diese neue Version hatte das für damalige Militärgewehre revolutionär kleine Kaliber von .45 und im Laufinneren statt Feldern und Zügen die Form eines regelmäßigen Sechsecks, dessen Ecken auf 1,3 mm abgerundet waren. Der Drall betrug 1:20 Zoll (etwa 50 cm) und die Pulvercharge glich der Armeeladung, bei der 70 Grains Pulver ein 530 Grains schweres Geschoss antrieben.

Joseph Whitworth wollte so 2 Probleme lösen: Beim üblichen Laufprofil setzte sich schnell Pulverschleim in den Feld-Zug-Kanten fest und zudem konnten stärkere Ladungen die Geschosse über die Züge treiben. Bei einem polygonalen Profil gab (und gibt) es keine Feld-Zug-Kanten, daher kann sich dort nichts festsetzen. Auch das "Überspringen der Züge" war unmöglich. Ein Whitworth-Gewehr ließ sich daher mit viel mehr Pulver laden. Das führte zu höherem Anfangstempo, flacherer Flugbahn und größerer Reichweite. Zwar rieben sich die langen, im Druck gestauchten Geschosse arg im Lauf, doch sorgten ein perfekt poliertes Laufinneres und papiergewickelte Hartblei-Geschosse dafür, dass diese Friktion nicht störte.

sechseckiger Lauf des Vorderlader-Gewehrs Pedersoli Whitworth in .451
Der unverwechselbare sechseckige Laufinnenquerschnitt des Vorderlader-Gewehrs Pedersoli Whitworth.

Die Briten testeten das Gewehr ausführlich: Es war dem Enfield weit überlegen, aber es erschien der Armee mit Startpreisen ab 10 Pfund als zu teuer.

Seinen legendären Ruf erwarb sich das Gewehr bei den Wettkämpfen der im Jahr 1859 gegründeten britischen National Rifle Association NRA. Die besten britischen Büchsenmacher konzentrierten sich darauf, denn ein Sieg mit einer von ihnen gebauten Waffe war Werbung, die kaum zu übertrumpfen war. Das führte rasch zu immer besseren britischen Scheibenbüchsen. Das vielfach getestete, gut dokumentierte Whitworth blieb aber lange so etwas wie das Referenzmodell für Vorderlader im Kaliber um 11 mm.

Vorderlader-Gewehr Pedersoli Whitworth: Matchbüchse mal anders

Beim ersten Blick wirkt die Pedersoli Whitworth wie ein Militärgewehr mit 3 Laufringen und Enfield-typischer Visierung. Aber das täuscht: es ist eine reinrassige Matchbüchse, die als Militärgewehr verkleidet ist. Sportlich lässt sie sich als Perkussionsgewehr (50 m stehend freihändig) oder als Freigewehr (100 m liegend freihändig) einsetzen.

Schaft und Lauf des Pedersoli Whitworth Vorderladers

Linke Laufseite mit Herstelleradresse, Seriennummer und Kaliberangabe
Auf der linken Laufseite des Pedersoli Whitworth Vorderlader-Gewehrs sind Herstelleradresse, Seriennummer und Kaliberangabe eingeprägt.
Lauf des Vorderlader-Gewehrs Pedersoli Whitworth mit dem Schriftzug "WHITWORTH PATENT"
"WHITWORTH PATENT": Die Laufbeschriftung auf der Oberseite der Replik von Pedersoli ist dem Original nachempfunden.

Das Rohr ist außen matt gebräunt, Schlossplatte, Laufringe und Hahn sind bunt gehärtet. Schaftkappe, Abzugsbügel und vorderer Schaftabschluss bestehen aus Messing. Der geölte und polierte Schaft besteht aus amerikanischem Walnussholz. Verarbeitung und Passungen sind sehr gut. Die Schaftsenkung macht die Waffe besonders für den Liegend-Anschlag (100 m-Disziplin) geeignet. Die Büchse ist gut ausbalanciert und lässt sich auch stehend freihändig gut anschlagen.

Da die Gewinde metrisch sind, passen keine Teile mit nicht-metrischen Gewinden wie etwa Pistons von Parker-Hale. Der gehämmerte, innen polierte Lauf entspricht in der Qualität dem herstellereigenen Pedersoli Match Grade PMG.

Technik + Visierung des Pedersoli Whitworth Vorderladers

Die Visierung besteht aus einem Tunnel-Perlkorn und einer von 1 bis 9 graduierten Treppen-Rahmen-Visierung. Rechts am Kimmenschieber sitzt eine Madenschraube, mit der sich der Schieber in beliebigen Positionen stabil festlegen lässt.

Die Kimme mit grobem, V-förmigem Ausschnitt und das Korn in Gestalt einer kleinen Perle auf dünnem Stiel sind optisch nicht aufeinander abgestimmt und erschweren präzises Zielen. Besserung würden entweder ein Dachkorn im Tunnel oder ein anders geformter Kimmenausschnitts bringen.

Perlkorns des Vorderlader-Gewehrs Pedersoli Whitworth
Vorderlader-Gewehr Pedersoli Whitworth: Der Tunnel des Perlkorns ist seitlich driftbar und zwecks besserer Lichtausnutzung hinten abgeschrägt.
Kimme des Vorderlader-Gewehrs Pedersoli Whitworth
Die Vorderlader-Gewehr Pedersoli Whitworth hat eine Rahmenleiterklappkimme mit 3 Kimmen, verstellbar bis 900 Yards.

Technische Daten zum Vorderlader-Gewehr Pedersoli Whitworth

Modell:Pedersoli Whitworth
Preis:1.690,- EUR*
Kaliber:.451
Gesamtlänge:1.198 mm 
Lauflänge:915 mm
Dralllänge:508 mm (1:20")
Visierlinie:735 mm 
Gewicht: 4.100 g
Abzugsgewicht:1.748 g

*Einführungspreis Ende 2017

Pedersoli Whitworth Vorderlader-Gewehr im Praxistest

Vorderlader-Gewehr Pedersoli Whitworth im Test von VISIER
Für das Vorderlader-Gewehr Pedersoli Whitworth werden Ladungen zwischen 65 und 90 Grains grobkörnigen Pulvers empfohlen.

Für Matchbüchsen gilt: Geschosse immer mit gleicher Kraft auf gleiche Tiefe setzen, den Abzug nie ruckartig ziehen, sondern den Druck gleichmäßig steigern, bis der Schuss bricht. Zudem sollte der Schütze die Waffe immer auf dieselbe Weise in die Schulter einziehen. Abweichungen von diesem Vorgehen verschlechtern stets die Trefferbilder. Wer meint, zwischenwischen zu müssen, darf nur so weit hinunter, wie das Blei im Lauf steht. Wird der Putzstock tiefer geschoben, landet Pulverschleim im Zündkanal und verursacht Versager. Ein passender Begrenzer für den Stock ist deshalb zu empfehlen.

Die Büchse braucht Musketenzündhütchen. Bei diesem Test wurden sechsflügelige RWS-Zünder #1218 verwendet. Bei Ladungen ab 80 Grains Pulver sorgt die unvermeidbare Gasausströmung am Piston schnell für Enfieldtypischen Brandstellen am Schaft hinter dem Piston. Wer da kein verkohltes Holz sehen will, sollte die Partie mit geeignetem Material abdecken. 

Für Whitworth-Gewehre werden Ladungen zwischen 65 und 90 Grains eines möglichst grobkörnigen Pulvers empohlen. Diese Tipps beruhen auf Erfahrungen der Zeit zwischen 1860 und 1870 und gelten auch heute noch. Allerdings dürfen sie nicht kritiklos übernommen und auf heutige Gegebenheiten übertragen werden. Der Schütze sollte sich immer fragen, ob die Waffe solche Ladungen braucht, um präzise zu schießen oder ob die starken Ladungen bloß für Long Range nötig wären und ob sich für Distanzen von max. 100 m geringere Ladungen besser eignen.

Pedersoli Whitworth: die passenden Geschosse

Es ist unter Vorderlader-Fans ein scheinbar nicht auszurottender Aberglaube, dass polygonale Laufprofile Geschosse mit ähnlichen Querschnitten erfordern. Dabei wusste schon Whitworth, dass Geschosse mit kreisförmigem Querschnitt genauso gut treffen wie die mit hexagonalem. Sorgt doch die Geschoss-Stauchung beim Schuss stets für eine perfekte Anpassung ans hexagonale Laufprofil. Deshalb lassen sich aus Gewehren mit Whitworth-Lauf mit Erfolg auch gefettete Langgeschosse (.451 oder .452) mit rundem Querschnitt verschießen. 

Die Geschosse für den Test des Pedersoli Whitworth Vorderlader-Gewehrs: Lyman-Kokille, Hexagonal mit Fettrillen, Hexagonal, papiergewickelt
Die im Test des Pedersoli Whitworth Vorderlader-Gewehrs verwendeten Bleigeschosse: Lyman-Kokille (links), Hexagonal mit Fettrillen (Mitte), Hexagonal, papiergewickelt (rechts).

Die VISIER-Tester benutzten:

  1. Geschoss aus der Lyman-Kokille 457121PH, kalibriert auf .452. Weichblei, 487 Grains, 30,8 mm lang, 7 Fettrillen
  2. Hexagonal-Geschoss mit 5 Fettrillen, einer Masse von 551 Grains und einer Länge von 32,7 mm. Weichblei (99,97% Blei), auf .451 kalibriert
  3. Hexagonal-Geschoss, Hartblei, papiergewickelt, 577 Grains schwer, Länge 35 mm

Der Ladungsaufbau folgte historischem Vorbild: Auf das per Trichter eingebrachte Pulver kam eine Pappscheibe (Durchmesser 0,45"), darauf eine 3 mm starke gefettete Filzscheibe (0,45"), noch eine Pappscheibe und dann eine Scheibe aus Zeitungspapier. Sie soll verhindern, dass die obere Pappscheibe und die Filzscheibe am Geschossboden kleben. 

Dann folgte das Geschoss: Als Geschossfett diente ein Mix aus 4 Teilen Talg (Schaf oder Rind) und einem Teil Bienenwachs. Die Tester reinigten den Lauf nur zwischen den Serien. In der Serie bliesen sie per Schlauch Atemluft ein, um die Pulverrückstände weich zu halten.

Fazit zum Pedersoli Whitworth: eine fast perfekte Replika

Schlossplatte mit Firmenzeichen der Pedersoli Whitworth
Pedersoli Whitworth Vorderlader-Gewehr: Die liebevoll gestaltete Schlossplatte mit dem Firmenzeichen von Whitworth und der passenden Beschriftung.

Sir Joseph Whitworth wäre stolz gewesen, dass sein Gewehr auch noch über 150 Jahre nach seiner Einführung einen Spitzenruf genießt. Und nun mit dieser Pedersoli-Replika in Form einer sauber gearbeiteten, gut schießenden Waffe wiederbelebt wird. 

Freilich hätte er sicher eine andere Visierung montiert – doch da gibt‘s bei Pedersoli Abhilfe: Das "Whitworth Long Range Set", ein zweiteiliger Komponentensatz, bestehend aus dem Sockel für ein Kolbenhalsdiopter und demjenigen für ein Korn, der auch die Montage eines Korntunnels erlaubt.


Den ausführlichen Bericht und die Ergebnistabelle der Schießtests mit dem Vorderlader-Gewehr Pedersoli Whitworth in .451 finden Sie in der VISIER 12/2017. Die Ausgabe können Sie sich ganz bequem im VS Medien Online-Shop bestellen.

Hier kommen Sie zur digitalen Version der VISIER 12/2017.

Weitere Informationen zu den hochwertigen Replika-Waffen von Persoli finden Sie direkt auf der Webseite des italienischen Herstellers.