Test & Technik: Pedersoli-Lyman Model of 1878 Replika-Büchse

Lyman – dieses US-Unternehmen kennen Schützen für seine Visierungen und Wiederladeprodukte. Lyman feierte vor 4 Jahren sein 135-jähriges Bestehen. Im Zuge dessen orderte man bei Pedersoli in Italien eine auf 200 Exemplare limitierte Replika einer Sharps-Büchse mit einem Fallblock-Verschluss. Es handelte sich dabei um die "Sharps M 1877 No. 1 Long-Range" – bei der Replika wurde dann aber die Jahreszahl in der Modellbezeichnung zu 1878 geändert. 

Die Sharps M 1877 war nicht wie viele zeitgenössische Long-Range-Büchsen von einem militärischen Modell abgeleitet, sondern zum sportlichen Schießen auf lange Distanzen konzipiert. Es geht um das erste serielle Hinterladerbüchsenmodell, dessen Entwicklung eigens an diesen Zweck geknüpft war. Das macht seine besondere historische Position aus, weil es so etwas noch nicht gegeben hatte. Sharps leistete damit Pionierarbeit auf dem Gebiet der Long-Range-Gewehre. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass zur Reihe der Sharps M 1877 auch für kürzere Distanzen bestimmte Sporting- und Scheibenbüchsen gehören.

Die Vorgeschichte des Pedersoli-Lyman Model of 1878

Die Sharps M 1877 entstand, weil die US-Sportler mit ihren bislang benutzten Sharps-Büchsen M 1874 vor einem Gewichtsproblem standen. Die als maßgeblich für Long-Range erachteten Regeln des britischen Gewehrschützenverbandes National Rifle Association sahen ab 1876 ein Maximalgewicht von 10 Pfund vor. Etwas, das die auf der US-Anlage von Creedmoor bei New York tätigen US-Schützen alsbald ebenfalls als verbindlich ansahen.

Lademulde und Patronenlagereingang der Pedersoli-Lyman Model of 1878 Büchse
Von oben sieht man die als Patronenführung dienende Lademulde, vorn den Patronenlagereingang. Er wies bei der Testwaffe messerscharfe Kanten auf.

Wollte man das mit der Sharps M 1874 ausreizen, musste man die Läufe dünner oder kürzer machen. Es gab aber schon ein Problem: Die bislang bei den US-Spitzenschützen verwendeten Sharps-Büchsen des Typs M 1874 Long-Range Rifle erzeugten einen sehr hohen Rückstoß. Für den sorgten zu dünne Läufe im Zusammenspiel mit der verwendeten Ladung (105 Grains Pulver, 520 Grains Geschoss) des ursprünglichen Standardkalibers, der Flaschenhalspatrone .44-90 mit 2 5/8" Hülsenlänge. 

Eine erste Lösung bestand in einem neuen Kaliber mit gerader Hülse, bekannt als .45-100. Aber das reichte immer noch nicht, um die Sportler vollends zufrieden zu stellen. In jener Zeit kam es bei Sharps zu internen Umstrukturierungen. Das Werk firmierte seit Ende 1874 nicht mehr unter "Sharps Rifle Manufacturing Company", sondern als "Sharps Rifle Company". 

Mit der neuen Führung kamen auch neue Leute ins Werk. Allen voran der zum Superintendent berufene Nelson King, der sich zuvor einen Namen bei Winchester gemacht hatte. Zwecks Entwicklung einer neuen Blockbüchse als M 1874-Nachfolger scharte King bei Sharps einige Fachleute um sich: den erfahrenen Sharps-Vertreter und Büchsenmacher Charles E. Overbaugh, Richard Smith Lawrence, den Mitbegründer der alten Sharps-Firma und Kings Vorgänger als Superintendent sowie den erst kurz vorher eingewanderten Büchsenmachermeister A.(dolph) O.(scar) Zischang, bei Sharps als Werkmeister tätig und später für seine Läufe und Stecherabzüge bekannt.

Das Ergebnis hieß M 1875, wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet – und war ein Flop. Es erreichte bei Sharps nie ein Serienstadium, da King das Werk alsbald verließ. So entfiel die dafür treibende Kraft. An seine Stelle trat der Deutsche Hugo Borchardt. 

Er schuf flugs ein neues Fallblocksystem ohne Außenhahn: Die Grundlage des späteren Sharps-Modells 1878 wurde von den Technikern als Quantensprung im Blockbüchsenbau gefeiert. Dies traf jedoch fürs Erste nicht auf Jäger und Schützen zu, die auf den traditionellen Außenhahn bestanden.

Lyman Model of 1877 Long-Range Büchse: eine Frage des Gewichts

Long-Range-Gewehr Lyman Model of 1878 als Replika von Davide Pedersoli in der Seitenansicht von links
Die Lyman Model of 1878 Büchse ist als Replika sehr ordentlich und ansprechend gefertigt. Von Pedersoli ist man aber auch nichts anderes gewöhnt.

Deswegen verzichtete Sharps anfangs auch darauf, das Borchardt-System anstelle der M 1874 Long-Range Rifle herauszubringen. Es blieb nur ein Weg: Man musste auf Basis des 74er Systems etwas kreieren, mit dem die Long-Range-Fraktion zurechtkam – auch beim Gewicht.

Durch eine Überarbeitung des Systemgehäuses gelang es Overbaugh, tatsächlich Masse einzusparen. Er schuf im ersten Schritt Übergangsmodelle mit "schlank gehungerten" M-1874-Systemgehäusen. Dann folgte das eigentliche Modell 1877 Long-Range in den Versionen No. 1 und No. 2: Wie im Regelwerk gefordert, blieb das Gewicht unter 10 Pfund. 

Dies erreichte Overbaugh durch hochwertigste Läufe (Längen 32 und 34 Zoll, 45er Kaliber, Hülsenlängen 2,6 und 2,4 Zoll) und leichtere Schlosse, beides aus England. Die Schlosse kamen meist von Webley & Sons (ohne Firmenzeichen), einige auch von Joseph Brazier aus Wolverhampton (gekennzeichnet). Hierin wie im Regelwerk der britischen NRA lag der Grund, warum dieses Gewehrmodell den Beinamen "The English Model" führte. 

Die frühen Transition-Versionen gingen großteils an den kalifornischen Händler Nathaniel Curry, die eigentlichen M 1877er mit ihren britischen Schlossen hingegen blieben im Großraum New York oder fanden den Weg zu englischen Sportschützen. So gesehen handelt es sich bei der Lyman Model of 1878 nicht um eine Western-Waffe, sondern um die Replika einer frühen Hochleistungssportbüchse.

Pedersoli-Lyman Model of 1878 Replika-Büchse

Jenseits des per Laser-Technik ausgeführten Lyman-Jubiläumsschriftzugs auf dem silberfarbenen Gehäuse unterscheidet sich die Kopie in weiteren Punkten von dem Original. Das Kaliber .45-70 Government gab es bei der M 1877 seinerzeit nicht. Es ist aber zeitgenössisch korrekt und längst als ideal für Waffen dieses Typs etabliert: Gerade in Deutschland schießen die meisten Käufer solcher Büchsen damit allenfalls auf Distanzen bis 100 m, vielleicht noch bis 300 m. 

Diese Entfernungen schafft die Allzweckpatrone .45-70 allemal. Für viel Nachschub in Gestalt von Fabrikpatronen in allen erdenklichen Laborierungen und allen möglichen Ladekomponenten ist außerdem gesorgt – ganz im Unterschied zu fast allen anderen alten Patronensorten für historische US-Blockbüchsen.

Hahn, Fallblockverschluss und Abzugsbügel der Pedersoli-Lyman Model of 1878 Büchse
Zum Laden der Pedersoli-Lyman Model of 1878 setzt man den Hahn in die Laderast. Dann senkt man den Fallblockverschluss mittels des daran angelenkten, beweglichen Abzugsbügels ab.

Womit die Waffe freilich seinerzeit auf den Schießbahnen von Creedmoor und Dollymount nicht ausgestattet gewesen wäre, ist der Stecherabzug der Replika. Einen solchen kennen wir auch von manchen bei Pedersoli gebauten Kopien der M 1874 – seinerzeit schrieben die NRAs hüben wie drüben einen Direktabzug vor. 

Auch ein Zugeständnis ans Machbare ist der Lauf der neuen Büchse: Statt 32 respektive 34 Zoll misst er 30 Zoll (1 Zoll = 2,54 cm). Der Vergleich zu anderen Sharps-Replikas ergab, dass Pedersoli da wohl auf das Rohr ihres Infantry-Models M 1874 zurückgegriffen hatte.

Austattung der Pedersoli-Lyman Model of 1878 Replika-Büchse

Ähnliche Effizienz waltete beim Systeminneren, indem sich einige vom System der M 1874 bekannten Teile fanden. Und statt des für originale M 1877 üblichen Korntunnels mit Libelle und dem klappbaren Kolbenhalsspindeldiopter mit Stellskala und Irisblende (Sporting Tang Sight) gab es den kleinen Lyman No. 2 Tang Sight mit Ghostring-artigem Durchblick (eine kleine Irisblende und Korneinsätze lagen im Zubehör): Kein Wunder bei einer Waffe, auf der mit Lyman der bekannteste Name für solche kleinen Dioptertypen steht. 

Lyman No. 2 Tang Sight Diopter der Pedersoli-Lyman Model of 1878 Büchse
Das Lyman No. 2 Tang Sight lässt sich in der Höhe verstellen und per Konterschraube fixieren. Gut zu sehen: Das große Loch des Ghostrings.

Die kleinen Zielhilfen sind jedoch für schnelle jagdliche Schüsse ausgelegt. Sie sind wegen ihres sehr großen Durchblicks und mangels Justierskalen nicht fürs sportliche Zielschießen angedacht. Auch schießen sie sich bei starkem Futter erfahrungsgemäß gern mal lose, so dass die jeweilige Einstellung verlorengeht. Hier wird sich wohl jeder Schütze spätestens dann, wenn er öfters als nur ab und zu auf 100 m und weiter schießt, einen anderen Diopter besorgen.

In Sachen Fertigungsqualität kann sich die Replika-Büchse wirklich sehen lassen: Das Metall erschien tipptopp. Der schwarz brünierte Lauf und die ebenfalls schwarzen Schrauben kontrastierten schön mit den blanken Teilen des Systems und der Schaftkappe. Holz und Metall waren sauber zueinander gepasst und der Ebenholzabschluss vorn am Vorderschaft sorgte für einen hübschen Akzent. 

Das Innere des sechszügigen Rohrs mit dem 1:18"-Drall prunkte mit spiegelblanken Flächen. Worüber wir bei Italo-Büchsen (wie auch bei manchem US-Gewehr) jedoch immer wieder seufzen, ist jener Arbeitsschritt, bei dem die Lackierung nach dem Schneiden der Fischhaut erfolgt – flächendeckend, statt die Fischhaut auszusparen.

Handhabung des Pedersoli-Lyman Model of 1878 Long-Range-Gewehrs

In der Handhabung erwies sich die Büchse als wendig: Sie ließ sich dank der recht niedrigen Masse von 4.150 g auch freihändig prima anschlagen. Sowohl da wie auch im liegenden Anschlag konnte man sie mittels des sanft nach hinten gehenden Pistolengriffs gut in die Schulter einziehen. Die Balance der Pedersoli-Lyman Model of 1878 gefiel. Einhändig gehalten, ließ sich der Schwerpunkt ungefähr eine Handbreit vor der Laufwurzel ermitteln.

Laufmündung und Korntunnel der Pedersoli-Lyman Model of 1878 Büchse
Über der sauber angesenkten Laufmündung der Pedersoli-Lyman thront der seitlich versetzbare Korntunnel mit dem werkseitig eingesteckten Lochkorn.
Zubehör-Box der Pedersoli-Lyman Model of 1878 Büchse mit weiteren Korneinsätzen
Wer hier etwas anderes haben will, findet weitere Loch- sowie Perl- und Balkenkorneinsätze in der Zubehör-Box von Lyman, ebenso einen Gelbfilter, eine Irisblende und 2 Ersatzschrauben.

Im Schießtest löste die Waffe dank des tadellos justierten, verstellbaren Stechers sauber und ohne Störungen aus. Wir stellten jedoch fest, dass die Büchse mehrfach Ohrfeigen austeilte. Zudem mussten die Tester am Lyman No. 2 schrauben, bis die Waffe auch auf der Scheibe ablegte. Die Höhe stimmte, aber die Schüsse saßen rechts vom Schwarzen.

Technische Daten der Replika-Büchse

Modell:Model of 1878
Hersteller:Pedersoli, für Lyman
Kaliber:.45-70 Government
Länge:
1.182 mm
Lauflänge:762 mm (30")
Dralllänge;1:18"
Feld-/Zug-Maß:.457" / .452"
Abstand Kolben - Abzug:349 mm
Gewicht:4.150 g
UVP:2.599,- Euro

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Fazit zur Pedersoli-Lyman Model of 1878

Auch die jetzt begutachtete Büchse von Pedersoli gefiel uns als sauber und ansprechend gearbeitet. An ihrer Schussleistung ist nichts auszusetzen. Die auf 200 Exemplare limitierte Pedersoli-Lyman Model of 1878 Büchse ist die zeitgemäße Würdigung einer fast in Vergessenheit geratenen Pionierleistung, die nun gute 140 Jahre später in verdientem Glanz erstrahlen darf.

Das ist die etwas andere Sharps für jeden, der sich von seinen Blockbüchsen-bewehrten Schützenfreunden absetzen will. Wer mit seinem Model of 1878 richtig weit hinaus will, sollte über einen dazu geeigneten, mit Skala und Irisblende bestückten Kolbenhalsdiopter nachdenken.

Replika-Büchse Pedersoli-Lyman Model of 1878 in der Seitenansicht von rechts
Der geölte, mit Fischhaut verschnittene Schaft aus amerikanischem Nussbaum gibt der Pedersoli-Lyman Model of 1878 Büchse eine edle Anmutung.

Weitere Informationen zu den hochwertigen Replika-Waffen von Pedersoli finden Sie direkt auf der Webseite des italienischen Herstellers.


Den ausführlichen Test und die Ergebnistabelle der Schießtests mit der Pedersoli-Lyman Model of 1878 Replila-Büchse finden Sie in der VISIER 01/2018. Die Ausgabe können Sie sich ganz bequem im VS Medien Online-Shop bestellen.