Als Eugene Stoner das AR-15 entwarf, war er geradezu besessen vom so genannten In-Line-Konzept: Alles sollte auf einer Achse liegen – vom Kolben bis zur Mündung. Das war mehr als nur eine Marotte: Durch die lineare Anordnung sollten Erschütterungen minimiert und alle auf die Waffe wirkenden Kräfte direkt gegen die Schulter des Schützen geleitet werden, um den Zielpunkt nicht zu stören und schnelle Schussfolgen zu ermöglichen.
Die meisten halbautomatischen Waffen haben viele bewegliche Teile, die sich über oder unter dem Lauf befinden. Dieser wiederum liegt üblicherweise nicht auf einer Linie mit dem Kolben.
Wenn eine Kraft auftritt, die nicht in einer geraden Linie zum Kontaktpunkt an der Schulter des Schützen wirkt, entstehen Rotationskräfte, die die Mündung vom anvisierten Zielpunkt wegdrücken. Beim AR-15 wirken alle Kräfte auf einer Achse – und zwar in beide Richtungen.
So funktioniert das AR-15
Um das möglich zu machen, erfand Stoner ein System, bei dem ein kleiner Teil des heißen Gases, das das Projektil antreibt, vom Lauf direkt zur Verschlussträgergruppe geleitet wird, ohne dass weitere Mechanismen eingreifen.
Das AR-15 schießt mit einem verriegelten Verschluss: Wenn eine Patrone in die Kammer geschoben wird, schließt sich der Verschluss dahinter und rotiert um 15 Grad. Die Warzen auf dem Verschlusskopf rasten in die Vorsprünge der Verriegelungsbuchse ein und arretieren den Verschluss in seiner Position. Auf diese Weise hält er dem hohen Druck stand, der bei der Verbrennung der Treibladung entsteht.
Wenn die Patrone abgefeuert wird, muss der Veschluss in die entgegengesetzte Richtung rotieren und zurückgezogen werden, so dass die leere Hülse ausgezogen und ausgeworfen und eine neue Patrone in die Kammer geladen werden kann.
Wenn das Projektil das Gasventil im Lauf passiert, strömt ein Teil des heißen Gases in das Gasrohr, das zur Verschlussträgergruppe führt. Von dort aus geht es durch den Verschlussträgerhahn in die Expansionskammer und übt Druck auf alle Oberflächen in der Expansionskammer aus. Deren Stirnseite wird durch den Kolben im Hinterteil des Verschlusses mit den drei C-Ringen gebildet.
Diese ähneln den Dichtungen auf den Kolben im Motor eines Autos. Und genau wie in einem Automotor, so drückt auch hier das Gas auf den Kolben, nur dass hier der Zylinder von einem festen Kolben wegbewegt wird: Der Verschlussträger wird also zurückgedrückt.
Nun passieren zwei Dinge: Zunächst bewegt sich der Verschlussträger rückwärts und dadurch passieren die C-Ringe auf dem Hinterteil des Verschlusses die beiden seitlichen Bohrungen, wobei das heiße Gas abgeleitet wird.
Als nächstes bewegt sich der Verschlussträger aufgrund seiner Trägheit weiter rückwärts und der in die Oberseite gefräste Steuerschlitz betätigt die Verschlusswarze und zwingt den Verschluss zu einer Rotationsbewegung in die offene Position. Zu diesem Zeitpunkt hat das Projektil den Lauf bereits verlassen und der Druck ist auf einen unkritischen Wert abgefallen. Während der Verschlussträger sich aufgrund seiner Trägheit weiter rückwärts bewegt, wird der Verschluss von der Auswurföffnung zurückgezogen und die leere Hülse wird ausgezogen und ausgeworfen. Die Schließfeder, die durch die Verschlussträgergruppe zusammengedrückt wurde, schiebt den Verschlussträger wieder nach vorn. Dabei wird eine neue Patrone aus dem Magazin in die Kammer gehoben und der Verschluss dreht sich durch das Zusammenwirken von Steuerschlitz und Verschlusswarze wieder in die verriegelte Position.
Diese Anordnung ermöglicht nicht nur eine Wirkung aller Kräfte in einer Achse, sondern hält auch die Masse der bewegliche Teile gering, so dass das Ausschlagen der Waffe so gering wie möglich bleibt.
Es gibt aber auch Nachteile. Den größten dieser Nachteile bringen Soldaten mit einer deftigen Weisheit auf den Punkt: "Die Waffe scheißt sich selbst auf den Teller": Auch wenn die meisten bei der Verbrennung der Treibladung entstehenden Gase ausgestoßen werden, gelangen sie vor dem Austritt an der Verschlussträgergruppe alle direkt in den Verschluss, wo Verschmutzungen zu Verstopfungen und Ladehemmungen führen können.
AR-15 mit Gaskolben
Kürzlich ist eine neue Variante des AR-15 herausgekommen: Gewehre mit Gaskolben. Ein Kurzhubkolben ersetzt das Gasrohr und drückt ähnlich wie der Gashahn gegen das Endstück des Verschlussträgers.
Das ursprüngliche AR-15 hat ein "direktes Gasdruckladesystem", die neuen Modelle dagegen ein "Gaskolbensystem". Dabei handelt es sich bei den alten Mechanismen eigentlich nicht um Gasdruckladesysteme. Bei einem solchen System (wie etwa beim Ljungman Ag m/42) drückt das Gas direkt gegen den Verschlussträger, während es hier über einen Kolben auf eine Kammer wirkt.
Tatsächlich haben alle AR-15-Modelle "Gaskolbensysteme". Der Unterschied besteht lediglich in der Positionierung des Kolbens.
In einem späteren Artikel werden wir das Gaskolbensystem (und seine Nachteile) genauer unter die Lupe nehmen.
Hinweis:
Weitere Artikel über AR-15-Modelle haben wir für Sie in unserer Themenübersicht bei all4shooters.com zusammengefasst: Alles zum Thema AR-15