Wer am Muttertags-Wochenende Anfang Mai die KNIFE 2024 im Solinger Theater- und Konzerthaus besucht hat, konnte neben fast 250 Ausstellern auch die zahlreichen Vorträge besuchen, die während der wohl aktuell größten deutschen Messerausstellung gehalten wurden. Einer davon beschäftigte sich mit einem wahren Verkaufsschlager aus der Klingenstadt Solingen – dem PUMA White Hunter. Dieses klassische Jagdmesser wurde seit 1956 in weit über 1,5 Millionen Exemplaren weltweit verkauft, nicht zu rechnen die zahllosen, meist minderwertigen Kopien, die nach dem Auslaufen des Gebrauchsmusterschutzes von anderen Herstellern in den Handel gebracht wurden. Das Original ist es jedoch wert, einmal näher vorgestellt zu werden.
Der Text richtet sich weitgehend nach dem Vortrag von Yannick Dorn, der als Marketing Manager bei PUMA tätig ist und – natürlich – auch die Geschichte(n) der meisten Messer des Unternehmens kennt. Das Puma-Werk hat seine Ursprünge im Jahr 1769, als Johann Lauterjung sein Markenzeichen in die Messermacherrolle eintragen ließ, also vor beachtenswerten 255 Jahren. Viele Unterlagen aus den jahrzehnten seither und eben leider auch aus den Anfangsjahren der White-Hunter-Karriere wurden allerdings beim Großbrand im Puma-Werk in der Kanalstraße in Solingen im Jahr 1979 unwiederbringlich vernichtet, daher danken wir auch den beiden Sammlern Jörg Hübner und Ralf "Pumahunter" für die Bereitstellung von ergänzenden Informationen und Fotos, die in Dorns Vortrag eingeflossen sind. Den kompletten, ungeschnittenen Vortrag von der Knife 2024 finden Sie übrigens als Video unten in diesem Beitrag.
Das Geburt des PUMA White Hunter 1956: Die Kooperation zwischen Kenia und Solingen führt über die USA
Die Geschichte des White Hunters beginnt mit einer ungewöhnlichen Kooperation. Im Jahr 1953 wurde Oswald von Frankenberg und Ludwigsdorf (1915-1986), der Ehemann von Renate Lauterjung aus der Gründer-Dynastie, neuer Chef des PUMA-Werks. Er stellt die Produktion weitgehend auf funktionale Jagd-, Angel-, Freizeit- und Sportmesser um und hat als Jäger selbst auch gute Kontakte zu den "Endkunden" seiner Produkte. Auch zu Großwild-Jägern der East African Professional Hunter's Association EAPHA, dies war eine Organisation ostafrikanischer weißer Jäger, die 1934 in Nairobi in Kenia, gegründet wurde. Ihr gehörten einige legendäre Jäger an, die sich aber ebenso um die
Yannick Dorn: "Unter der Leitung von Oswald von Frankenberg und Ludwigsdorf sowie durch das Design von Hermann Heck wurde das White Hunter entsprechend den Vorstellungen der EAPHA konzipiert. Mit Hirschhorn-Griffschalen ausgestattet, sollte das Messer als zuverlässiges Jagd- und Outdoormesser dienen. Seine durchdachte Klingenform ermöglichte es, allen erdenklichen Anforderungen gerecht zu werden, wodurch es schnell als ultimatives Outdoormesser weltweit bekannt wurde." Gedacht war das neue Messer aber nicht direkt für Afrika, sondern zunächst für den amerikanischen Markt, wo es als universell einsetzbares Outdoor-Messer auch sofort zum Verkaufserfolg wurde, von dem dort jährlich zwischen 20.000 und 30.000 Stück über den Ladentisch gingen.
Nach Europa kam es als Modell 6384 "Allzweckmesser", weiterhin mit Klingen aus "Pumaster Steel", einer nicht rostfreien Stahlsorte speziell für PUMA eingekauft (erst 1980 sollte eine rostfreie Version als Modell 6375 mit einer Klinge aus 440A folgen). Hier finden Sie übrigens eine Übersicht über die bei PUMA eingesetzten Klingenstähle. An deutsche Jäger als Zielgruppe dachte damals offenbar noch niemand ernsthaft, die Waidmänner hier trugen eher kleinere, traditionelle Hirschfänger oder jagdlich ausgestattete Klappmesser. Deutsche Knaben mögen solche Messer eher in den Billigversionen als Fahrtenmesser erträumt haben, für die Älteren war das White Hunter eher ein Camping- und Gartenmesser.
Die Eckdaten der diversen PUMA White Hunter auf einen Blick:
- Klingenlänge: 155 mm
- Klingenstärke: 5 mm
- Gesamtlänge: 270 mm
- Messergewicht: je nach Beschalung um 260 Gramm
- Beschalung: wahlweise Hirschhorn, aber auch Büffelhorn, Olivenholz oder auch Elforyn Super Tusk (WH Elefant)
- Knebel: Aluminium
- Stahl / Härte: 1.4116 / 55-57 HRC
- Scheide: Sattelleder
Die zur damaligen Zeit völlig neuartige Klingenform, die Hermann Heck 1956 als Technischer Leiter der PUMA-Produktion entwickelt hatte, war genauestens durchdacht und erfüllte die umfangreichen Anforderungen der Jäger:
- Der robuste Aufbau der Spitze des White Hunter ermöglicht das Öffnen von Dosen oder das Aufhebeln von Kronkorken. Durch den Schwerpunkt an der Klingenspitze entwickelt das Messer eine beeindruckende Schlagkraft und eignet sich somit auch hervorragend zur Verteidigung.
- In der Nähe der Spitze ist der Klingenrücken am breitesten. Diese Verbreiterung ist derart gestaltet, dass sie zum Einschlagen von Nägeln oder Zelthaken geeignet ist. In der Mitte des Klingenrückens befindet sich eine lange Beilschneide, die für grobe Arbeiten konzipiert wurde, bei denen die eigentliche Schneide zu stark abstumpfen würde. Mit dieser Beilschneide kann man Reisig schlagen, Feuerholz spalten oder sogar Knochen zerkleinern. Sie kann ähnlich wie eine Machete verwendet werden, um sich durch dichtes Unterholz zu schlagen. Direkt vor dem Griff befinden sich oben die geriffelte Daumenraste und unten die ausgeprägte Parierstange, so dass das Messer sicher und kraftvoll geführt werden kann.
- Die untere Schneide ist ebenfalls zweifach geschliffen: Die vorderen zwei Drittel der Klinge sind als normale Schneide gestaltet. Die bauchige Form ermöglicht kraftvolle, lange Schnitte und weist eine hervorragende Schnitthaltigkeit auf. Das hintere Drittel der Klinge ist als Säge konzipiert und dient dazu, grüne Äste, Fischhaut oder ähnliches Material durch- oder anzuschneiden. Der abschließende Schnitt kann dann oft mit der glatten Schneide durchgeführt werden.
- Der Griff des White Hunter besteht in der Ursprungsversion 6377 aus Rothirschhorn, einem äußerst widerstandsfähigen Naturmaterial, das keinerlei Pflege bedarf. Dank der natürlichen rauen und unebenen Oberfläche hat man auch bei Kälte und Nässe einen rutschfesten Griff. Im hinteren Teil des Griffs befindet sich ein Loch, in das ein separates Sicherungsband angebracht werden kann. Zudem dient es als Aufnahme für das Sicherungsband der Lederscheide, welches das Messer vor dem Herausfallen aus der Scheide schützt.
- Die Lederscheide des White Hunter besteht aus strapazierfähigem Sattelleder und ist mehrfach vernietet. Oben ist sie mit einer Gürtelschlaufe versehen, und am unteren Ende befindet sich ein Lederband. Dieses Band kann beim Tragen des Messers am Gürtel um den Oberschenkel gelegt werden, um es noch sicherer zu fixieren. Auf diese Weise bleibt das Messer auch beim Kriechen auf allen Vieren, beim Reiten oder anderen bewegungsintensiven Einsätzen stabil am Körper fixiert.
Als Modell White Hunter II wurde der Klassiker zwischen etwa 1994 und 2001 neu aufgelegt, aktuell ist die moderne Version das White Hunter 240, in der Form minimal verändert und mit Olivenholz-Schalen. Es kam zum 40-jährigen Jubiläum des White Hunter 1996 auf den Markt.
Filmstar Lex Barker alias "Old Shatterhand" machte das PUMA White Hunter hierzulande berühmt
Erfolg kommt manchmal auf Umwegen. Als Anfang der 1960er Jahre die ersten Karl-May-Filme gedreht wurden, dienten mehrere PUMA White Hunter-Messer als Ersatz für die bei den Dreharbeiten offenbar schwerer zu beschaffenden originalen Bowie-Messer, die man im Wilden Westen hätte vermuten können – aber gedreht wurde "Der Schatz im Silbersee" 1962 in Kroatien. Old Shatterhand zeigte das Messer so demonstrativ oft, neben den kampfszenen auch beim Deuten auf Punkte auf einer Landkarte, dass man heute unwillkürlich an geschicktes Product Placement denken könnte. Vermutlich hat das Puma-Werk damals aber weder horrende Summen für die effektive Werbung gezahlt noch kostenlose Film-Messer geliefert. Prompt wirkte sich der Filmerfolg aber auch auf die Messerkäufe zumindest in Europa aus, auch wenn das Bowie-Messer eben gar keins war.
Aber auch ein anderes Schwestermodell des White Hunter machte parallel Karriere: Das sogenannte Automesser 6390 war zunächst ein White Hunter mit lediglich verändertem Namen und Holzbeschalung, aber vor allem einer neuartigen Auto-Halterung aus Holz und später aus Kunststoff – denn es sollte als Universalmesser im Fahrzeug dabei sein, was heute schon aus waffenrechtlicher Sicht undenkbar... ach, lassen wir das.
Aber auch in die Luft sollte sich das Automesser bald bewegen, ab 1967 als Pilotenmesser der Bundeswehr und für deren sonstiges fliegendes Personal als Überlebensmesser. Nur etwa 250 Stück (Schätzung Pumahunter) sollen eine nachträgliche Ätzung "BUND" auf der Fehlschärfe erhalten haben, was sie heute für Sammler interessanter macht. Einige Muster gingen sogar an die Grenzschutztruppe GSG9, dann mit geschwärzter Klinge, und für Feuerwehr-Einheiten gab es bald Versionen mit einem zum Durchtrennen von Sicherheitsgurten gedachten Kapphaken. Die Armee-Karriere endet wohl Anfang der 1980er Jahre, als der Bund fast baugleiche, aber günstigere Konkurrenzmodelle einkaufte. Eine gute Übersicht der Automesser-Varianten hat der Pumahunter auf seiner Website zusammengestellt.
Heute als Messer-Klassiker lässt Puma es mit dem White Hunter in aktueller Version gediegener angehen; es gibt zahlreiche Jubiläumsmodelle zu runden Jahrzehnten, und mit dem Knife Award auf der IWA 2024 in der Kategorie "Classic" wurde die Top-Position im Sammlermarkt nochmals bestätigt. Es ist anzunehmen, dass diese raren Stücke auch nicht mehr in den Außeneinsatz müssen und eher in Vitrinen sowohl von LEDs wie von den Besitzern angestrahlt werden.
VIDEO: Die Geschichte des legendären PUMA White Hunter (Vortrag von Yannick Dorn auf der KNIFE 2024 Solingen)
Interessante Links: Weitere Infos zum Messerhersteller PUMA
Zur PUMA-Website mit direkter Bestellmöglichkeit
Zur privaten Website des renommierten Messer-Sammlers Pumahunter