Im Interview mit Jägerin und Rechtsanwältin Nina Naske beleuchtet das Team von all4shoters.com/all4hunters.com die Problematik des deutschen Waffenrechts. Deutschland droht im Bereich der Waffengesetzgebung international den Anschluss zu verlieren.
Deutschland ist für seine strengen Gesetze sowohl im militärischen als auch im zivilen Sektor bekannt. Diese strikten Regelungen behindern laut Nina Naske nicht nur Unternehmensgründungen im Inland, sondern bewegen viele Unternehmen dazu, ihre Geschäfte ins Ausland zu verlagern. Angesichts dieser Entwicklung fordern zunehmend mehr Stimmen eine dringende Reform der bestehenden Gesetzgebung.
Regeln des deutschen Waffenrechts im EU-Vergleich unüblich
Besonders kritisch sieht Naske das Bedürfnisprinzip im zivilen Bereich, das in Deutschland eine sehr restriktive Handhabung erfährt. Im Vergleich hierzu verfahren Länder wie Österreich und Tschechien anders: Der Umgang mit Schusswaffen und Munition unterliegt hier deutlich liberaleren Regelungen. So können in Österreich Repetierbüchsen oder Einzelladerflinten und andere Waffen der von der EU-Feuerwaffenrichtlinie vorgegebenen Kategorie C ohne vorherige Genehmigung erworben werden, wenn der Erwerber die Waffe innerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaft zur Selbstverteidigung bereit halten will, oder wenn er die Waffe zur Ausübung der Jagd, des Schießsports oder für eine Sammlung verwenden möchte. Auch in Tschechien gilt die Selbstverteidigung als anerkanntes Bedürfnis für den Erwerb bestimmter Waffen. Ein weiteres Beispiel für die rigide deutsche Waffengesetzgebung ist der Umgang mit (voll integrierten) Nachtsichtgeräten. Obwohl die EU-Feuerwaffenrichtlinie keine spezifischen Verbote vorsieht, legt das deutsche Recht enge Grenzen für den Einsatz solcher technischen Hilfsmittel fest, die sogar von Bundesland zu Bundesland variieren können.
Warum eine Anpassung des deutschen Waffenrechts an die EU- Feuerwaffenrichtlinie dringend erforderlich ist
Nina Naske kritisiert zudem die Bestrebungen der aktuellen Regierungsparteien SPD und Grüne, die Waffengesetze weiter zu verschärfen. Ihrer Meinung nach würde dies lediglich dazu führen, dass gesetzestreue Bürgerinnen und Bürger im Nachteil wären, während gerade jene Menschen, die sich ohnehin nicht an Gesetze halten, auch an solche Vorschriften nicht halten würden. Um Deutschland nicht weiter ins Hintertreffen geraten zu lassen, plädiert Naske für eine Vereinfachung der Regelungen im Rüstungsbereich und eine Anpassung im zivilen Sektor. Das deutsche Waffengesetz könne an die EU-Feuerwaffenrichtlinie angeglichen werden und dadurch mehr Freiheiten bieten, die sich an den liberaleren Praktiken anderer EU-Länder orientieren. Als Beispiele werden hier der schon erwähnte Umgang Tschechiens und Österreichs, aber auch der Polens und Finnlands mit dem Erwerb von Waffen genannt.
Abschließend betont Naske die Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Waffen und argumentiert, dass eine sachkundige und zuverlässige Handhabung von Waffen durch Bürgerinnen und Bürger keinen Grund zur Beunruhigung darstelle. Sie fordert daher eine Neubewertung der deutschen Waffengesetzgebung im Licht der aktuellen Herausforderungen, wie der veränderten internationalen Sicherheitslage – Zeitenwende – und unter Berücksichtigung der Regelungen speziell auch im Zusammenhang mit Selbstverteidigung in anderen EU-Staaten.
Zusammenfassung: Fünf Punkte für ein besseres Waffengesetz
Konkret fordert Rechtsanwältin Nina Naske in unserem Video-Interview fünf Punkte:
Punkt eins – das Bedürfnisprinzip der EU-Feuerwaffenrichtlinie bleibt die Grundregel. Das deutsche Waffengesetz kann und sollte aber mehr erlauben als bisher, wenn es darum geht, was als Bedürfnis anzuerkennen und wie es nachzuweisen ist. Zum Beispiel wäre eine Rechtsänderung dahin möglich, dass jeder Sportschütze, der die Zuverlässigkeit und die Sachkunde hat und in einem Verein Mitglied ist, für alle Disziplinen ohne zusätzliche Erlaubnis Waffen erwerben darf. Neben der Jagd und dem Schießsport kann aus rechtlicher Sicht außerdem auch die Selbstverteidigung daheim oder im eigenen Unternehmen als Bedürfnis anerkannt werden.
Punkt zwei – die Waffenkategorien aus der EU-Feuerwaffenrichtlinie muss das deutsche Waffenrecht eigentlich übernehmen. Aber für die Kategorie C besteht nach der Feuerwaffenrichtlinie nur die Meldepflicht, eine Erlaubnis muss nicht eingeholt werden. Das kann Deutschland auch genau so umsetzen. Dann kann jeder, der über 18 Jahre alt ist und ein anerkanntes Bedürfnis hat, sich beispielsweise eine Repetierüchse oder eine Kipplaufflinte kaufen, ohne dass es zuvor einer Genehmigung durch die Waffenbehörde bedarf. Die Waffe muss lediglich registriert (gemeldet) werden.
Punkt drei – Waffen zu verbieten, bewirkt immer nur, dass die gesetzestreuen Leute sich an die Verbote halten und deshalb ihre Waffen nicht behalten oder keine Waffen erwerben. Wer sich aber ohnehin nicht an Gesetze hält, der schert sich auch nicht um Verbote von Waffen. In Deutschland sollte es deshalb richtigerweise keine Verbote geben, die strenger sind als die EU- Feuerwaffenrichtlinie. Verboten sind nach der EU-Feuerwaffenrichtlinie nur die Waffen der Kategorie A. Für noch strengere Verbote gibt es keinen sachlichen Grund. Deshalb dürfen auch die Freiheitsgrundrechte nicht noch mehr eingeschränkt werden, die vom deutschen Grundgesetz und auch nach der EU-Grundrechtecharta gewährleistet sind.
Punkt vier – das Waffenrecht muss auch das Training ermöglichen. Finnland baut zur Zeit zusätzliche Schiessstätten für die Zivilbevölkerung, damit mehr Menschen den Umgang mit der Waffe lernen und häufiger trainieren. Wenn das in Deutschland auch so funktionieren soll, dann müssen auch die Vorschriften für Schiessstätten vereinfacht werden.
Punkt fünf – wenn jetzt die SPD und die Grünen eine Verschärfung des deutschen Waffenrechts fordern, dann ist jetzt auch die Zeit gekommen, als politische Gegenposition stattdessen die Angleichung an die EU-Waffenrichtlinie und mehr Freiheit zu fordern. Damit wird nur die Freiheit eingefordert, wie sie ähnlich heute schon in anderen EU-Mitgliedstaaten wie Österreich, Tschechien oder Finnland besteht.
Quelle: Das Interview mit Rechtsanwältin Nina Naske führte unser Kollege Mathias Haack auf der IWA 2024 in Nürnberg.
Unsere Interviewpartnerin:
Nina Naske ist deutsche Rechtsanwältin für Unternehmen unter anderem aus den Bereichen Luftfahrt und Verteidigung, Bergbau und Energie. Sie ist Jägerin und interessiert sich auch für den Schießsport. Frau Naske hat auch schon auf all4shooters.com veröffentlicht. Mehr Informationen zu RAin Nina Naske gibt es auf ihrer Webseite.
Thema EU und Waffenregulierung: Parlament und Rat der Europäischen Union haben sich auf eine Verschärfung der die Aus- und Einfuhr von Feuerwaffen regelnden EU-Feuerwaffenverordnung geeinigt. Mehr dazu lesen Sie auch hier bei all4shooters.com