Die Ausgangslage ist explosiv und das nicht nur für Jäger: Die ASP (Afrikanische Schweinepest) steht vor der Türe – und damit muss Deutschland, führend im Export von Schweinefleisch, vor immensem Schaden bewahrt werden. Alles verständlich, logisch und nachvollziehbar. Was aktuell jedoch in keiner Weise zur Sprache kommt, ist ein finanzieller Ausgleich, der bundesweit allen Jägern zu Gute kommen müsste, weil der Preis für Schwarzwild inzwischen total am Boden ist. Deutschland importiert aktuell Rotwild aus Neuseeland, Ungarn oder anderen osteuropäischen Ländern. Wildschwein aus Texas bekommt man z.B. auch bei Lidl. Pro Kilo zahlt man beim Discounter im Moment jedoch mehr als beim Jäger in der Nachbarschaft. Der Einzelhandel wirbt mit markigen Sprüchen wie "Wildfleisch zum günstigen Preis". Und der Stern schreibt "Finger weg von Wildfleisch vom Discounter". Der Grund ist nachvollziehbar: Bei der Qualität im Discounter ist oftmals extrem viel "Luft nach oben", um es höflich auszudrücken, vom langen Transportweg mit hohen Schadstoffemissionen mal ganz zu schweigen.
all4hunters.de war unterwegs und hat sich bei Jägern vor Ort umgehört: Dieses Mal in Brandenburg. Dort haben wir wieder Kai-Uwe Kühl (K&K Premium Jagd) getroffen, den wir in den letzten Wochen quer durch Deutschland mit der Videokamera begleiten durften. Wir wollten unser Ohr an der Basis haben. Denn das, was viele Jäger in Deutschland sich nicht trauen zu fordern, spricht der Mann aus Erkrath schonungslos offen aus: die Forderung nach einem Mindestpreis!
Lesen Sie hier unser Interview mit Kai-Uwe Kühl zum Thema "Mindestpreis für Wildbret vom Schwarzwild":
all4hunters.de: Als Jagdreiseveranstalter sind sie viel dichter an der Basis als manch ein Außenstehender vermuten mag. Sie fordern 2,00 Euro Mindestpreis für den Jäger pro Kilogramm Schwarzwild. Wie kommen sie auf diese steile These?
Kai-Uwe Kühl: Wir Jäger sind nach § 1 BJG dazu verpflichtet, die Wildbestände den landeskulturellen und landwirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Seit Jahren steigen die Schwarzwildbestände dramatisch, was aber nicht das Verschulden der Jäger ist. Die Schwarzwildstrecke in Deutschland stieg sogar bis auf 820.000 im Jagdjahr 2017/2018. Das war eine Steigerung um 160.000 Sauen im Jahr. Die deutschen Jäger haben diese Rekordstrecke mit viel Engagement, Zeit und Aufwand zustande gebracht. Diese zusätzlichen Mengen an Wildbret müssen aber auch verkauft und als Nahrungsmittel dem Endverbraucher angeboten werden. Es entstand also temporär ein Überangebot an Wildbret vom Schwarzwild, das die Wildhändler so kurzfristig nicht aufnehmen und vermarkten konnten. Der Markt war also verstopft und ist es auch heute noch. Auf der anderen Seite wird seitens der Politik gefordert, dass die Schwarzwildbestände rigoros abgesenkt werden müssen, da das Schwarzwild als wesentlicher Vektor für die Übertragung der ASP gesehen wird. Die mediale Präsenz der ASP sorgt natürlich beim Verbraucher für eine Verunsicherung, obwohl der ASP-Virus für den Menschen ungefährlich ist. Wir haben alle noch die Bilder vor Augen, als BSE grassierte und Millionen Rinder verbrannt werden mussten. Also fordert die Politik den massiven Abschuss des Schwarzwilds! Die Jäger sind dem Aufruf gefolgt und haben 160.000 Sauen pro Jahr mehr erlegt – mit der Konsequenz, dass der Preis für Schwarzwild auf ein Rekordtief von 0,30 Euro pro Kilo in der Schwarte gesunken ist. Das Ende vom Lied: Jäger werden das erlegte Wild nicht mehr los.
Im letzten Jahr sind Schwarzwildstrecken zum Abdecker gebracht worden, weil die Schwarzwildstrecke nicht mehr vermarktet werden konnte. Viele von uns veredeln das erlegte Wildbret, portionieren dieses und verkaufen es in Kleinmengen vakuumiert. Da der politische Wille eine intensivste Bejagung fordert, sehe ich die Politik in der Pflicht, den Jägern auch bei der Vermarktung zu helfen und dafür zu sorgen, dass ein marktgerechter Preis für dieses hochwertige Wildfleisch erzielt wird. Denn kein Jäger wird weiterhin Schwarzwild erlegen, wenn er dieses nicht vermarktet bekommt. In den Bundesforsten z.B. in der Altmark werden erlegte Sauen bis 15 kg dem Erleger geschenkt, weil sich diese überhaupt nicht mehr verkaufen lassen. Bei einem Preis von 0,50 Euro in der Schwarte bringt ein 20 kg Frischling noch gerade € 10,00. Alleine die Trichinenuntersuchung kostet mehr, wenn die Kosten nicht vom Land getragen werden, als der Frischling an Einnahme bringt. Die Personalkosten, die Strecken aufzubrechen und ins Kühlhaus zu bringen und hinterher zu vermarkten, treiben den Verlust bei den niedrigen Preisen noch höher. Und der Jäger, der mehr Zeit und Aufwand betreibt, legt bei der verordneten Intensivbejagung noch Geld drauf. Wir Jäger sind ja keine Schädlingsbekämpfer. Aber wenn man unseren Einsatz fordert, dann könnten die Länder mit eigenen und neuen Landesbetrieben die gesamte Wildbret-Vermarktung übernehmen und das Wildbret profitabel vermarkten. Ich bin mir sicher, dass die Jäger weiterhin intensiv das Schwarzwild bejagen würden, wenn sie wüssten, dass es einen fairen Preis für das Wildbret gibt und dieses als hochwertiges Nahrungsmittel in die Nahrungskette einfließt. Die 2,00 Euro waren nur ein von mir genannter Minimalwert. Eigentlich sollte dieses hochwertige Nahrungsmittel einen höheren Preis pro Kilogramm erzielen.
all4hunters.de: Können Sie uns mit einfachen Worten die Diskrepanz zwischen dem, was die Politik in die Wege geleitet hat und dem, was draußen beim Jäger geschieht, erklären?
Kai-Uwe Kühl: In meiner vorherigen Antwort habe ich versucht, die Zusammenhänge zu erläutern. Wir von K&K Premium Jagd sind alleine in elf Bundesländern jagdlich mit unseren Kunden unterwegs. Und in jedem Bundesland und in den jeweiligen Landes-, Bundes- und Privatforsten wird unterschiedlich agiert. Klar, wir müssen die Schwarzwildbestände bestmöglich wieder auf ein Normalmaß zurückbringen. Dazu bedarf es der Jäger. Aber nicht nur der Jäger. Es müssen "Runde Tische", wie schon in Brandenburg geschehen, aus Grundbesitzern, Landwirten, der Mastindustrie, der Futtermittelindustrie, Wildbiologen, des Lebensmittelhandels, der Jäger und der Politik gebildet werden. Die ASP wird ja nicht flächendeckend auftreten, sondern punktuell oder regional. Wenn wir uns einmal die deutsche Landkarte anschauen, wo die meisten Mastbetriebe und Schlachtbetriebe liegen, dann wäre es zunächst sinnvoll, in diesen Regionen das Schwarzwild bestmöglich einzuregulieren. Aber es wird auch andere Regionen geben, in denen es nicht so stark einreguliert werden muss. Dieses mögliche Vorgehen würde dafür sorgen, dass weniger Wildbret auf den Markt kommt und die Preise wieder steigen. Also, aus meiner Sicht ist es eher eine Überreaktion von Flensburg bis Rosenheim und von Kleve bis Frankfurt/Oder, dem Schwarzwild den Kampf anzusagen und von den Jägern zu fordern, so viel Schwarzwild zur erlegen wie irgend möglich, anstatt alle Beteiligten, die dafür verantwortlich sind, dass die Schwarzwildbestände so anwachsen konnten, an einen Tisch zu holen. Auch wenn es in Deutschland keine Wildschweine mehr gäbe, wäre die Gefahr des Ausbruchs der ASP nicht gebannt. 80 % der landwirtschaftlichen Flächen werden für die Gewinnung erneuerbarer Energien und zur Futtermittelgewinnung genutzt. Artenschwund auf ganzer Breite. Nur das Schwarzwild vermehrt sich prächtig in diesen Monokulturen. Landwirte und Jäger müssen endlich wieder an einen Tisch und gemeinsame Lösungen erarbeiten. Aktuell sind die Schwarzwildbestände in einigen Regionen zu hoch und bedürfen einer Anpassung durch die Jagd.
all4hunters.de: Sie hatten ja schon angedeutet, dass der Mutterschutz bei jedem Jäger aus Deutschland oberste Priorität haben muss. Sie sagten, dass in NRW die These vertreten wird, dass "Bachen, die Frischlinge führen, die nicht mehr gestreift sind, als nicht-führend" gelten. Wildbiologisch ist das nicht nachvollziehbar. Wird es aus ihrer Sicht nicht höchste Zeit für mehr Zentralismus und klare Vorgaben in der Bewertung der ASP sowie für die Festlegung von Mindestpreisen für Wildbret vom Schwarzwild?
Kai-Uwe Kühl: Was ich mir wünsche, ist, dass bei der Einregulierung des Schwarzwildbestandes auch wildbiologische und wissenschaftliche Erkenntnisse verstärkt einfließen. Dass Bachen, deren Frischlinge nicht mehr gestreift sind, als nicht-führend definiert werden, ist unverantwortlich. Der mögliche Ausbruch der ASP ist ein Thema mit nationaler Tragweite. Spätestens wenn es zu einem Exportstopp für entsprechendes Fleisch kommt. Die ASP wird die Seuchenkassen und damit den deutschen Steuerzahler möglicherweise Milliarden kosten, wenn man jetzt nicht richtig reagiert. Viele Mastbetriebe sind allerdings sehr gut dagegen versichert. Das sollten wir nicht vergessen. Wir hören häufig, dass die Jäger eine Rekordstrecke erzielt haben, aber wir hören nichts, was eigentlich in den anderen Bereichen derer getan wird, die von der ASP am meisten betroffen wären. Es wäre wünschenswert, wenn Eigeninteressen der oben erwähnten Beteiligten einmal zurückgestellt würden und eine nationale/länderspezifische Strategie definiert würde, welche Zieldichte beim Schwarzwild erreicht werden soll, wie gemeinsam dieses Ziel erreicht werden kann, in welchem Zeitraum und wie das Wildbret als hochwertiges Nahrungsmittel zu vernünftigen Preisen in den Markt einfließen kann. Mir fehlt es an einer europäischen Strategie zur Vermeidung der ASP an den Außengrenzen und möglicherweise an den Innengrenzen zu Ländern innerhalb der EU, wo die ASP schon real existiert. Der aktuelle Zustand der drohenden ASP ist ja nicht durch das Schwarzwild verursacht, sondern durch uns Menschen. Die Jäger sollen nun das Symptom behandeln, aber es müssten doch primär die Ursachen bekämpft werden, die dazu geführt haben, dass Millionen Hausschweine in osteuropäischen Staaten oder in Belgien bereits gekeult wurden. Das Schwarzwild hat es verdient, waidgerecht und tierschutzgerecht bejagt und einreguliert zu werden. Eigentlich müssten wir die Schwarzwildbestände aufbauen, denn dieses hochwertige Wildfleisch in freier Natur produziert, bietet eine ganz andere Qualität. Aber eventuell schaffen es ja alle erwähnten Gruppen, dafür zu sorgen, dass die Schwarzwildvermarktung zu gerechten Preisen kein Wunsch bleibt.
all4hunters.de: Vielen Dank für das Interview, Herr Kühl.
Das Interview mit Kai-Uwe Kühl führte Mathias Haack im Dezember 2018.
"Keine Schalldämpfer für Jagdwaffen" – das Bundesverfassungsgericht stellt Bedürfnis für Jäger in Frage
Mehr rund um die Drückjagdsaison 2018 gefällig? Wir haben noch weitere Video-Interviews geführt:
- Ausblick auf die Drückjagdsaison 2018
- "Meine erste Drückjagd" – all4hunters begleitet eine Jungjägerin auf den Stand!
- Jagd und Naturschutz – wie passt das zusammen?
- Organisation einer Drückjagd: Was sollte man unbedingt beachten?
- Geschosswirkung auf kurze Entfernungen: Herausforderungen bei Schussentfernungen unter 20 m auf der Drückjagd
- Klimawandel – der Wald braucht unsere Hilfe!
- Extremsommer 2018: Unsere Sauen brauchen Wasser! Was Sie als Jäger wissen sollten.