November-Zitat von Innenminister Horst Seehofer zu "Nachtsichtgeräten" sorgt für Verwirrung – wir stellen klar: Wärmebildgeräte und Restlichtverstärker sind legal!

Potenzielle Käufer sowie Händler, die Nachtsichttechnik für Jäger anbieten, waren verwirrt und es gab viele unnötige Diskussionen - auf persönlicher Ebene und in Internetforen. Im Vorfeld der größten internationalen Jagdmesse in Dortmund (Jagd & Hund vom 28.01. bis 02.02.2020) wollen wir von all4shooters.com Aufklärungsarbeit leisten:

In der Deutschen Jagdzeitung wurde im November 2019 im Rahmen eines Interviews folgendes Zitat von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) veröffentlicht: 

Frage der DJZ: "Nachtzieltechnik in Form von Vorsatzgeräten soll erlaubt werden. Gilt das nur für Restlichtverstärker oder auch für Wärmebildtechnik?"

Antwort von Horst Seehofer: "Das gilt für Restlichtverstärker. Unsere Sicherheitsexperten sehen Wärmebildtechnik noch nicht auf dem notwendigen Stand der Technik."

Der Hersteller Nitehog hatte das am 20. Januar 2020 zum Anlass genommen, beim Bundesinnenministerium per E-Mail nachzufragen, wie sich der o.g. Sachverhalt im Detail darstellt.


Die Antwort des BMI ließ nicht lange auf sich warten. Man stellte am Folgetag (21. Januar 2020) in einer E-Mail Antwort an Nitehog klar:

"Das Interview mit Herrn Bundesminister Seehofer wurde am 11. November 2019 geführt. Zu diesem Zeitpunkt wurde die waffenrechtliche Zulassung von Nachtsichttechnik (einschließlich der Frage, welche Technik von der geplanten Regelung erfasst werden sollte) im parlamentarischen Verfahren intensiv diskutiert. In diesem Zusammenhang sind auch Sicherheitsbedenken, u.a. auch die Gefahr der Verwendung möglicherweise minderwertiger Technik aus Billigimporten, vorgetragen worden. Die zitierte Aussage von Herrn Bundesminister Seehofer in dem Interview mit der DJZ ist in diesem Kontext zu sehen. 

In der vom Deutschen Bundestag am 13. Dezember 2019 beschlossenen Fassung des Gesetzentwurfs, dem der Bundesrat am 20. Dezember zugestimmt hat, sind von der Regelung Nachtsichtvorsatz- und Nachtsichtaufsatzgeräte im Sinne von Anlage 2 Abschnitt 1 Nr 1.2.4.2. WaffG erfasst, unabhängig davon, ob diese als Restlichtverstärker oder mit Wärmebildtechnik arbeiten. 

Um Unklarheiten in Bezug auf die kommende Regelung vorzubeugen, erstellt das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat derzeit in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt ein Merkblatt, in dem erläutert wird, welche technischen Hilfsmittel von der Regelung konkret erfasst sind. Dieses Merkblatt wird voraussichtlich sehr zeitnah veröffentlicht werden."

Mit freundlichen Grüßen

im Auftrag

Dr. Markus Lammert

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Pressestelle | Pressesprecher Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat I Alt Moabit 140, D-10557 Berlin


Was bedeutet diese Klarstellung des BMI rechtlich für den Einsatz von Nachtsichttechnik bei der Jagd? 

Damit ist abschließend klar, dass es nach dem neuen deutschen Waffengesetz keine rechtlichen Unterschiede zwischen Restlichtverstärkern und Wärmebildgeräten gibt. Dennoch gibt es zum Thema Nachtsichtgeräte bei der Jagd weitere juristische Details, die sich in aus waffenrechtlicher Sicht oder jagdrechtlicher Sicht unterscheiden. Das macht es für Handel und Käufer ziemlich kompliziert. 
Grund genug für uns, auch beim Herstellerverband JSM (Verband der Hersteller von Jagd-, Sportwaffen und Munition) nachzufragen. Rechtsanwalt Klaus Gotzen (Verbandsgeschäftsführer) ergänzt zur Thematik live aus Las Vegas von der SHOT Show am 21. Januar 2020:

"Zunächst muss man die waffenrechtlichen und die jagdrechtlichen Regelungen was Nachtsichtvor- und -aufsätze oder Wärmebild angeht strikt trennen.   Durch die neue Regelung im Waffengesetz 2020 wird Jägern zukünftig nur erlaubt, entsprechende Nachtsichtvor- und -aufsätze oder Wärmebildgeräte z.B. erwerben und besitzen zu dürfen. Die neue Regelung umfasst dabei auch Wärmebildgeräte. Dies macht auch Sinn, da wenn man Wärmebild nicht unter Nachtsichtvor- und -aufsätzen fassen würde, dann würden sie nicht unter das Waffengesetz fallen.

Davon zu unterscheiden ist der jagdliche Einsatz von Nachtsicht Auf- oder -Vorsatz oder Wärmebildgeräten. Dies hängt von den jagdlichen Verboten (Bundesjagdgesetz; Landesjagdgesetze) ab. Hierauf weist § 40 Abs. 3 WaffG neu extra hin, dass diese Verbote unberührt durch die waffenrechtliche Neuregelung bleiben. Soweit ersichtlich ist die jagdliche Nutzung von Nachtsichtvor- und Aufsätzen oder Wärmebildgeräten durch Jäger bisher nur in wenigen Bundesländern (ich meine drei) erlaubt, so dass nur in diesen Bundesländern auch die Nutzung der Geräte durch Jäger möglich wäre."

Klaus Gotzen / RA


Fazit von all4shooters.com zur rechtlichen Situation von Nachtsichtgeräten bei der Jagd:

Man kann hier offenbar von einem klassischen Missverständnis zwischen Politik und Medien sprechen, das nun aus der Welt geschaffen ist. Damit steht einem Kauf und dem Besitz von Nachtsichttechnik − egal in welcher technischen Ausführung − für den Jäger prinzipiell nichts im Wege. Dennoch gilt es, sich mit den individuellen rechtlichen Voraussetzungen in seinem jeweiligen Bundesland auseinanderzusetzen. Weitere Lockerungen für sogenannte Dual-Use Geräte werden hier schon bald nach neuem Waffenrecht in 2020 folgen. Damit wird der Weg zur Montage auf eine Jagdwaffe frei - und die Option für Ausnahmegenehmigungen steht bereits jetzt offen. Vor dem Hintergrund der immer näher rückenden Afrikanischen Schweinepest (ASP) macht das in der waidgerechten Bejagung von Wildschweinen aus rechtlicher Sicht und auch aus einem gesunden Verantwortungsbewusstsein für Jagd und Naturschutz mehr als Sinn.


all4shooters.com hat den Gesetzgebungsvorgang zum neuen deutschen Waffenrecht 2020 von Anfang an begleitet und  über einzelne Schritte berichtet.

Alle  Änderungen im neuen Waffengesetz für 2020 und unseren Bericht von der Bundestagssitzung  sowie die entsprechenden Konsequenzen für Jäger, Sportschützen, Industrie und Handel finden Sie unter diesem Link zu unserem Artikel.

Außerdem  kommentierten wir bereits das aktuelle Urteil des EuGH  zur EU-Feuerwaffenrichtlinie.