Test: Das neue Steiner Nighthunter H35 – das erste Thermalsichtgerät des Herstellers in der Praxiserprobung

Als Hersteller hochwertiger Optiken für Jäger und Naturliebhaber bekannt und geschätzt, ist Steiner mit dem Wärmebildgerät Nighthunter H35 in den Bereich der digitalen Thermaloptik eingestiegen. Das Gerät soll dabei äußerlich die Expertise aus Jahrzehnten des Fernglasbaus mit modernster Technik im Inneren verbinden. Ob und wie gut das gelungen ist, konnte sich all4hunters.com nun einmal genauer anhand eines Testgeräts anschauen.

Zentral beim Nighthunter H35: Quantum Vision – aber was leistet diese neue Technologie?

Wie wir schon ausführlich in unserem Vorstellungsartikel erläutert haben, bezeichnet Steiner die Technologie im neuen Thermal-Nachtsichtgerät als "Quantum  Vision". Darunter versteht der Hersteller das Zusammenspiel aus einem Thermalsensor der Auflösung 640x512 und des eigens entwickelten Software-Algorithmus. Im Vordergrund stehen die schnelle Erkennung und  die Schärfe der Abbildung. Das LCOS-Display bringt dafür eine Auflösung von 1280x960 Pixeln mit. Dass dieser Plan aufgegangen ist, lassen schon die ersten Versuche der Tester vermuten: Nach erfolgreicher Einstellung der richtigen Bildschärfe an der linken Seite des Geräts – erfahrungsgemäß schaut der Brillenträger besser ohne seine externe Augenkorrektur durch das Gerät – zeigt sich das Bild klar, scharf und flüssig. Bei einem Rundumblick aus den Fenstern der Redaktion sind auch Details an vorbeifahrenden Autos ohne Probleme zu erkennen. Erster Eindruck: Quantum Vision scheint gut zu funktionieren, auch bei schnelleren Fahrzeugen sind keine Ruckler ohne Schmieren festzustellen.

Steiner Nighthunter H35 von oben.
Das Interface zur Bedienung besteht beim neuen Steiner H35 aus fünf Tasten.

Die Bedienung gestaltete sich einfach: Auf der Oberseite des Nighthunter H35 befinden sich nur fünf Buttons: Jeweils eine Hinauf- und Hinuntertaste, eine Menütaste, eine Fototaste sowie natürlich der obligatorische Ein- und Ausschalter. Je nach Menüposition wechseln die Funktionalitäten. Ist man Beispielsweise im "normalen" Sichtmodus, schaltet man mit dem Pfeil nach unten die verschiedenen Farbmodi (s.u.) durch. Im Menü hingegen navigiert der Jäger dann mit den Pfeiltasten. Nach kurzer Eingewöhnung präsentiert sich dieses System als intuitiv und durchdacht. So weit, so gut: Wichtig ist natürlich die jagdliche Funktionalität. Entsprechend ging es mit dem Gerät sodann auch ins Revier:

Praxistest: Mit dem Steiner Nighthunter H35 im Revier

Als erstes ist jagdlich besonders relevant: Die lautlosen Bedienelemente aus Gummi. Hinzu kommt haptisch auch die eingangs erwähnte legendäre Steiner-Robustheit in Form eines stoß- und wasserfesten Makrolongehäuses. Das H35 hält Stöße bis 30 G und Temperaturen von -10  bis  +50° C. aus. Natürlich haben wir das aus offensichtlichen Gründen nicht ausprobiert. Vom subjektiven Eindruck der Stabilität des Gehäuses, liegen diese Werte durchaus im Rahmen des Möglichen.

Steiner Nighthunter H35 im dunklen Revier.
Im Revier-Test wusste das Steiner Nighthunter H35 Wärmebildgerät seine Stärken durchaus auszuspielen.

Auf der Kanzel konnten wir praktisch keine Probleme feststellen, denn die Bedienelemente sind im Dunkeln leicht zu tasten, einzelne Modi erscheinen im Sucher. Die optische Vergrößerung von 2,04x reicht bis rund 100  Meter auch für Details, wie die Geschlechtsbestimmung beim Schwarzwild. Die digitale Vergrößerung von 2x - 16x beginnt bei mehr als dreifacher Vergrößerung zu etwas zu verpixeln, die Wiedergabe kleiner Strukturen wird dadurch eingeschränkt. Hierbei darf allerdings nicht vergessen werden: Digitaler Zoom ist immer ein "Notbehelf", da Geräte optisch Nicht-Dargestelltes nicht einfach "hinzuerfinden" können, besteht dieses Problem bei allen Geräten dieser Klasse. Dazu ein Beispiel: Öffnen Sie ein beliebiges Bild aus dem Internet und versuchen, stark hinein zu zoomen. Auch dort zoomt man entsprechend auf die maximale Auflösung des Bildes und es verpixelt. Die Bildschärfe des Gerätes bei der optischen Vergrößerung ist hingegen sehr kontrastreich und bestätigt auch in der praktischen Anwendung den positiven Eindruck aus den ersten Indoor-Tests.

Exkurs in die Technik: Die fünf Farbmodi des Steiner H35

Zudem kann der Jäger die Erkennung und Beobachtung von Wild mit der Verwendung der unterschiedlichen Farbmodi optimieren, die in das Gerät eingebaut sind. Das H35 bietet fünf davon: White  Hot, Black  Hot, Red  Hot, Iron und Blue  Hot:

Bei dem Modus "White Hot" handelt es sich um einen der nach wie vor am verbreitetsten Farbfilter im Wärmebildbereich. Hier werden wärmere Bereiche in Weiß dargestellt, während kältere schwarz angezeigt werden. Genutzt wird dieser Modus gerne im Behördenbereich, bei Jägern hingegen ist er weniger verbreitet. Bei  "Black Hot" handelt es sich um prinzipiell um den Komplementärmodus zu dem erstgenannten White Hot. Durch die dunkle Darstellung der Wärmequellen sieht das Bild etwas lebensechter aus und liegt optisch nah einer Restlichtaufnahme. Auch deswegen wird er häufiger bei der Jagd eingesetzt. "Red Hot" ist ein verbesserter "White Hot"-Modus. Wie bei dem sind wärmere Bereiche heller, kältere dunkler. Allerdings werden besonders warme Stellen in Rot markiert. Das bringt etwas auf der Jagd einige Vorteile. Im Falle des H35 kann der Jäger einstellen, ab welchem Bereich diese rote Markierung erfolgt. Deshalb nennt Steiner den Modus auch "Adjustable Red Hot". Im Modus "Iron" findet eine farbliche Verteilung der Wärmedarstellung statt. Das bedeutet konkret, kältere Bereiche werden eher in kalten Farben wie Blau dargestellt, während wärmere Farben rötlich bis gelb im Display erscheinen. Dieser Modus ist besonders für das Erkennen feinerer Wärmeunterschiede geeignet und damit auch zum Beispiel für das Auffinden von Wärmebrücken in Gebäuden. Namensgebend taucht "Blue Hot" die Sicht des Jägers ins Bläuliche. Der Kontrast ist dabei eher gering, kalte Bereiche sind ebenso blau wie wärmere, wobei allerdings besonders warme Stellen in einem warmen gelb/grünlichen Ton bis hin zu weiß gezeigt werden.

Da Wahrnehmung individuell priorisiert ist, kann jeder den für sich passenden Modus wählen. Die Tester arbeiteten am liebsten mit der Einstellung Red  Hot. An den Kirrungen sind selbst Kleinsäuger wie Ratten, Mäuse und Schläfer sehr gut erkennbar. Schon auf Geräusche hin wird durch lichteres Blattwerk verhoffendes, sicherndes Wild erkannt.

White Hot beim Steiner Nighthunter H35.
White Hot ist einer der Klassiker: Hier ist die Umgebung dunkel, während das Schwarzwild als Wärmequelle hell dargestellt wird.
Der Farbmodus Black Hot.
Fast wie Opas Schwarz-Weiß-Aufnahme - aber gestochen scharf! Der Farbmodus Black Hot liegt subjektiv näher an einer Restlichtaufnahme.
Farbmodus Adjustable Red Hot.
Stark durchblutetes Gewebe leuchtet beim Farbmodus Adjustable Red Hot grellrot. Das Gesäuge von Bachen, die Jungtiere versorgen, würde deutlich sichtbar, der Finger bliebe gerade.
Farbmodus Iron beim Nighthunter H35.
Kein Zweifel, welches Stück nicht beschossen werden darf. Der für diese Aufnahme gewählte Farbmodus Iron lässt durchblutete Bereiche deutlich gelb-orange werden.
Blue Hot Farbmodus.
In Blue Hot taucht das Steiner Nighthunter H35 die Umgebung in das namensgebende Blau. Wärmere Bereiche, wie hier beim Schwarzwild, zeigen sich gelb bis rot.

Praktische Bedienung und Akkulaufzeit des Steiner Nighthunter H35 Wärmebildgerätes

Neben der reinen Beobachtung kann das Steiner Nighthunter H35 auch als Foto- bzw. Videoaufnahmegerät dienen. Dazu drückt der Nutzer einfach den entsprechenden Aufnahmeknopf: Kurz für ein Foto, lang für ein Video. Die so aufgenommenen Daten können dann bequem über die Steiner App abgerufen und geteilt werden. Auch dafür ist eine WiFi-Funktionalität in das Gerät integriert. Zudem befindet sich an der Seite des Nighthunter H35 eine Micro-HDMI-Buchse, damit wird das Live-Bild direkt auf einen Monitor oder Fernseher übertragen.

Steiner Nighthunter H35 komplett von links.
Die empfindliche Technik im Inneren des Nighthunter H35 sichert Steiner mit einem bewährten Makrolongehäuse.

Den Akku mit 6.000 mAh hat der Hersteller fest verbaut. Steiner gibt eine maximale Beobachtungszeit von 4,5 Stunden für eine Akkuladung an. Möchte der Jäger nebenbei noch Filmen oder Fotos machen, verkürzt sich die Akkulaufzeit entsprechend. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang, das Gerät nicht während des kompletten Ansitzes im Dauerbetrieb zu belassen. So kann der Waidmann durch kurzes Drücken des Ein- und Ausschalters in den "Display aus" beziehungsweise Stand-By-Modus wechseln. Das spart nicht nur Akkuladung, sondern verhindert auch ein unnötiges Aufheizen des Geräts. Beim erneuten Drücken der Taste ist das H35 dann unmittelbar und lautlos wieder einsatzbereit. Diese Funktion hat uns in der Praxis überzeugt. Entscheidet der Jäger, das Gerät komplett auszuschalten (langes Drücken des Knopfes), ergaben unsere Versuche eine Hochfahrzeit von etwa 12 Sekunden. Dabei ist jedoch auch eine leichte Geräuschentwicklung zu bedenken. Sollte die Akkulaufzeit nicht ausreichen, kann der Nutzer das Nighthunter-Thermalgerät auch mit einer Powerbank laden. Dazu verbindet er diese per USB-C-Schnittstelle mit dem H35.

Das neue Steiner Thermalsichtgerät kam mit einer universellen Tasche, einem USB-C-Ladekabel sowie einem Netzteil. Letzterem lagen noch fünf verschiedene Stecker-Adapter bei. Man ist also auch für eine Jagdreise gut gerüstet.

Interview: Steiner-CTO Alan Page über das Nighthunter H35 (englische Sprache)


Steiner Nighthunter H35: Technische Daten und Preis

Modell:Steiner Nighthunter H35
Typ: Wärmebildgerät
Preis:3.299,- Euro (UVP)
Detektor:Auflösung 640 x 512 @ 12µm, Spektrum 8 ~ 14µm, NETD ≤50mk @ F1 25° C.
Brennweite:35mm F1.0
Bildausgaberate:50 Hz
Systemvergrößerung:2x-16x
Anzeige:LCOS
Auflösung:1280x960
Gewicht:695 g
Länge / Breite:215x72 mm
Ausstattung:
Steckdosenadapter für GB/AU/EU/CN/UL und Transporttasche/Riemen/Ladekabel und USB-Netzadapter im Zubehör. Spannungsversorgung über fest eingebaute Akkus 2x18650, 6000mAh. Speicher 16 GB, Video-Ausgangsformat digital. Identifikations-Grenzen: Rothirsch ca. 400m, Rehwild ca. 250m, Mensch ca. 225 m.
Steiner Nighthunter H35 mit Zubehör.
Das H35 von Steiner kommt mit einer wertigen Tasche und vielen Ladeoptionen zum Kunden.

Das Nighthunter H35: Testfazit zum ersten Thermalsichtgerät von Steiner

Der Sprung von analoger zur digitalen Bildwiedergabe, zusammen mit anspruchsvoller Wärmebildtechnik, ist Steiner aus dem Stand gelungen. Die optische Qualität war im Test hervorragend, Handling und Bedienung intuitiv und an keiner Stelle kam im Jagdeinsatz Angst um das Gerät auf – der robusten Bauweise sei dank. Die Dreingaben, insbesondere die solide Tasche und die vielen Lademöglichkeiten, sind nicht spektakulär aber durchaus solide. Alles in allem geht damit die UVP von 3.299,- Euro durchaus in Ordnung - auch wenn es damit nicht zu den günstigsten Angeboten auf dem Markt gehört. Was wir uns noch gewünscht hätten, wäre eine eingebaute Entfernungsmessung. Aber vielleicht erhören die Entwickler ja unser "leises Rufen" beim nächsten Produktupdate.

 Das hat uns gut gefallen:

 Das fanden wir weniger gut:

Hohe optische Leistung mit 5 Anzeigemodi
Fest verbauter Akku entwickelt bei längerem Betrieb Wärme
Starke Performance im Revier bei Dunkelheit

Intuitive Bedienung

Besonders robuste Bauweise


Test: Dieter Kronenberg
Redaktion: Robert Riegel und Dario Nothnick

Weitere Informationen über das Nighthunter H35 bekommen Sie auf den Seiten von Steiner.