.450 Marlin ist das leistungsstärkste Repetiererkaliber und das – mit Abstand – dritte unter jenen Kalibern, die für die Drückjagd auf Keiler einsetzbar sind. Schon seit einiger Zeit wollte ich auf dem Schießstand und bei der Sauenjagd dieses Kaliber einem umfassenden Test unterziehen. Es war aber schwer, alle drei auf dem Markt verfügbaren, für die mächtige Marlin/Hornady-Kreation passenden Drückjagdwaffen aufzutreiben. Die Browning BLR light und die Marlin 1895M, sind beide noch in Produktion während die Winchester 94 AE, vor kurzem eingestellt wurde. Hier kursieren allerdings Gerüchte über eine mögliche Neuauflage. Es hat mich fast zwei Jahre gekostet, alle drei Waffen zu finden. Aber letzten Endes hatte ich Erfolg und war in der Lage, eine Reihe von Tests mit den beiden ausgewählten Hornady-Laborierungen vorzubereiten.
Außerdem gibt es noch eine vierte Waffe, die für die.450 Marlin eingerichtet ist: Die Steyr Mannlicher Big Bore. Diese Repetierbüchse wurde nahezu ausschließlich für die Nachsuche konstruiert. Allerdings wäre diese angesichts ihrer Eigenschaften ziemlich unpassend für den Zweck dieses Tests, der auf die Drückjagd ausgerichtet ist. Wie bereits erwähnt, stammt das Kaliber .450 Marlin aus zwei Händen. Es ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Marlin und Hornady. Ziel war ein Kaliber, das leistungsstärker als die .444 Marlin und die alte .45/70 Gvt. war. Die beiden sind nur mit wenigen Laborierungen am Markt. Das zwingt den Nutzer zum Wiederladen. Das wiederum liegt für die meisten Leute außerhalb ihrer Möglichkeiten. Dieses mächtige Kaliber wurde auf der Shot Show 2000 zusammen mit dem 350-gr-Hornady-Geschoss aus der Custom Interlock Serie präsentiert. Bereits nach der fünften Saison folgte die legendäre LeverEvolution mit 325-gr-FTX-Geschoss. Diese Munition hatte großen Erfolg in den Vereinigten Staaten, speziell auf dem Markt für Jagdwaffen, vor allem bei Jagdführern, die sie zur Jagd auf wehrhaftes und Großwild verwenden.
Tatsächlich erlaubt dieses leistungsstarke Kaliber in Kombination mit leichten und kurzen Waffen bei einfacher und schneller Handhabung und Folgeschüssen nicht nur die Jagd auf kurze und mittlere Distanzen, sondern eröffnet vor allem die Möglichkeit, Doppeltreffer auf große und gefährliche Tiere im Wald zu erzielen. Sein schweres Geschoss wird auf mittlere bis hohe Geschwindigkeiten beschleunigt. Selbst in schwierigsten Situationen ist man damit im sicheren Bereich. Betrachten wir einmal ein paar Zahlen, indem wir diese mit anderen Kalibern an der Spitze dieser Kategorie vergleichen; augenscheinlich haben sie alle das maximale Geschossgewicht des Kalibers.
Kaliber | Geschoss |
V° (m/s)
|
Energie° (J)
|
Rückstoßfaktor
|
.338 Win. Mag.
|
250 gr N. P.
| 810 | 5321 | 2,93 |
9,3 mm×62
|
293 gr S. P.
| 740 | 5209 | 3,55 |
.450 Marlin
|
325 gr FTX
| 678 | 4840 | 3,27 |
.450 Marlin
|
350 gr FP
| 640 | 4646 | 3,27 |
.300 Win. Mag.
|
200 gr N. P.
| 869 | 4848 | 2,39 |
9,3 mm×74R
|
285 gr P. P.
| 720 | 4788 | 3,45 |
.35 Whelen
|
225 gr TBBC
| 792 | 4575 | 2,64 |
.338 Marlin Express
|
200 gr FTX
| 781 | 3960 | 2,28 |
.444 Marlin |
265 gr FTX
| 708 | 4312 | 2,54 |
.45/70 Gvn’t
|
325 gr FTX
| 625 | 4110 | 2,43 |
.30-06 Springfield
|
220 gr SP
| 735 | 3846 | 2,19 |
.356 Winchester
|
200 gr PP
| 750 | 3644 | 2,22 |
Wie aus der Tabelle ersichtlich, ist die .450 Marlin, hinsichtlich der Energie das drittstärkste jener Kaliber, die für gewöhnlich für die Sauenjagd verwendet werden. Wenn wir allerdings die Energie in Bezug zum Geschossgewicht der ersten drei Kaliber in der Kategoriespitze setzen, dann ist die .450 Marlin mit dem 325-gr-Geschoss hinsichtlich des Verhältnisses von Energieübertragung zu Durchschlagskraft im Ganzen äußerst ausgeglichen und verwendbar. Das gilt für den Vergleich mit der .338 Winchester Magnum und der 9,3 mm×62, die 225-gr- und 286-gr-Geschosse haben. Tatsächlich besagen die Zahlen einiges, aber nicht alles. Darüber hinaus muss der Rückstoß berücksichtigt werden. Dieser Faktor wirft die .450 Marlin auf den dritten Platz hinter die 9,3 mm×62 Mauser und die 9,3 mm×74R, die beide wirklich "heftig" auf die Schultern des Jägers einwirken, zurück.
Die .450 Marlin
Wir können jetzt über die Waffenmodelle reden, die wir für das Kaliber .450 Marlin ausgewählt haben. Marlin bietet gegenwärtig zwei Versionen des Modells 1895 im .450 Marlin an, die Jagdführerwaffe 1895M mit einem 18 ½ Zoll langen Lauf und die 1895MXLR mit vollständig aus Edelstahl gefertigtem 24 Zoll langem Lauf. Bedauerlicherweise wurde die Version mit 22 Zoll langem Lauf lediglich ein Jahr lang produziert. Diese bot ein herausragendes Verhältnis von Munitionsleistung und Flexibilität der Waffe. Browning bietet das BLR-Leichtgewichtsmodell in zwei unterschiedlichen Konfigurationen an, dem Affut und dem Take-Down, beide mit einem 51-cm-Lauf ausgestattet. Auf der anderen Seite bot Winchester die Timber mit einem 46 cm langen Lauf und Mündungsbremse an. Der Vorteil der Browning-Repetierbüchse BLR liegt im Vergleich mit der klassischen Marlin und Winchester darin, dass die Browning mit ihrer abnehmbaren Magazinzuführung, Spitz- oder Rundkopfpatronen aufnehmen kann. Dies ist bei den zwei amerikanischen Modellen mit Röhrenmagazin völlig ausgeschlossen. In der Tat könnten Spitzgeschosse im Röhrenmagazin Zündungen auslösen, mit allen entsprechenden Konsequenzen für den Schützen und die Waffe. Allerdings besteht im Vergleich mit Marlin und Winchester ein kleinerer Nachteil der BLR in der geringeren Anzahl verfügbarer Patronen: Die BLR hat nur vier Schuss - drei im Magazin und eine im Patronenlager - verglichen zu den fünf Schuss der Marlin und der Winchester.
Munition
Wir haben zwei Laborierungen von Hornady, getestet: Die Custom Interlock 350 Grain mit Flachspitzgeschoss und die LeverEvolution mit 325 Grain FTX-Geschoss mit einer Antizündspitze aus Spezialgummi. Diese beiden Geschosse decken die Anforderungen der zwei Arten typischer .450 Marlin-Nutzer ab. Das sind Jagdführer und Nachsucher, deren Aufgaben die Verwendung von schweren Geschossen für Schüsse aus kurzen und sehr kurzen Entfernungen im Wald erfordern. Außerdem ist der Ansitz Einsatzgebeit für dieses Kaliber. Es verwendet Geschosse mit Durchmesser .458 Zoll, wie das auch bei der.45/70 Government und der .458 Winchester Magnum der Fall ist. Hier ist also Wiederladen möglich.
Unten aufgeführten sind die grundlegenden Merkmale der zwei Hornady-Laborierungen.
LeverEvolution 325 grain FTX bullet (code No. 82750)
Custom 350 grain FP bullet (code No. 8250)
Wie aus diesen beiden Tabellen ersichtlich, ist der Unterschied zumindest auf mittlere und kurze Entfernungen (grundsätzlich jenseits der 90m), durchaus beachtlich. Das gilt für Geschwindigkeit und Energie, was Auswirkungen auf den Geschossfall hat. Jedenfalls sind Schießen auf weite Entfernungen und Geschossabfall keine Themen, die den Nutzer der "Drückjagd"-Version der .450 Marlin Sorge bereiten. Die Standardentfernungen 100 m liegt innerhalb der Standarddistanz für dieses Kaliber.
Die drei Büchsen
Obwohl es sich bei den Gewehren um Unterhebelrepetierer handelt, haben die drei Waffen große Unterschiede in der Mechanik, im Aussehen, der Ergonomie sowie das Gewicht. Die Unterschiede sind sogar so groß, dass es nicht einfach ist, zwischen den Waffen zu wechseln, ohne sie zu kennen. Insbesondere muss man sich an die Zielerfassung gewöhnen.
Ich muss sagen, dass es sich mit der Marlin am schnellsten von den dreien zielen ließ, gleichauf gefolgt von den anderen beiden. Die W94 hat allerdings eine „Ghost Sight“, ein Diopter mit transparentem Korn) und muss mit beiden Augen offen verwendet werden. Das bedeutet, dass die optimale Nutzung etwas Übung erfordert. Ich habe die Originalvisierung der BLR und der Marlin durch eine rote Glasfaseroptik ersetzt, da diese kaum sichtbar ist. Das Einziehen in die Schulter geht mit allen dreien sehr schnell, bei einer um einen winzigen Bruchteil höheren Geschwindigkeit bei der Marlin. Aufgrund des längeren Laufs ist die BLR etwas vorderlastig. Aber dies ist allenfalls wahrnehmbar, wenn man das Gewehr in der Warteposition hält, nicht jedoch während des Schießens. Ein ziemlich wichtiger Hinweis zur Sicherung: Die Marlin und die W94 verfügen über eine doppelte Sicherung, den Sicherungsdruckknopf bei halbgespanntem Hahn (Marlin) oder den Sicherungsschieber (W94). Beide sind ausgesprochen leise im Gebrauch und sicher in der Handhabung. Andererseits verfügt die BLR über zwei Sicherungsen, die zwar leicht einzulegen, aber relativ laut sind.
Werfen wir nun einen Blick auf die Eindrücke bezüglich der Repetiergeschwindigkeit, des Rückstoßes und Mündungsausschlags der drei Büchsen. Die W94 war in Bezug auf den Rückstoß aufgrund ihres leichten Gewichts schlechter. Trotz der Mündungsbremse wird der Schuss mit der .450 Marlin unkontrollierbar. Die BLR ist gut; die Marlin ist sehr gut, da sie sehr ausgewogen ist und einen soliden Lauf nebst Gehäuse zu bieten hat. Der Mündungsausschlag ist bei allen drei Büchsen relativ "zahm".
Beim schnellen Repetieren waren die W94 und die Marlin (die beste) nahezu gleich auf, während die BLR etwas langsam ist. Das liegt an der Länge des Repetierwegs und an dem bemerkesnwerten Kraftaufwand, der bei all dem Stahl aufzuwenden ist. Hinzu kommt auch etwas Ungenauigkeit der Magazinfunktion, wenn die drei Patronen im Magazin nicht perfekt ausgerichtet sind.
Auf dem Schießstand
Zuallererst: Da ich es als angemessen empfand, beide Typen der handelsüblichen Hornady-Munition zu testen, musste ich eine Entscheidung zur Schussentfernung treffen, um die Unterschiede der ballistischen Leistungswerte abschließend verifizieren zu können. Diese setzte ich für alle drei Büchsen auf 40 Meter. Ich habe mich dafür entschieden, die Ausgangsgruppe bei der Marlin 1895M mit der Hornady LeverEvolution und bei der BLR und der Winchester 94 mit der Hornady Custom vorzunehmen. Jedoch habe ich nach erfolgter Treffpunktermittlung mit der entsprechenden Munition, zwei Gruppen von drei Schuss mit der jeweils anderen Munition abgegeben, um etwaige Abweichungen bei Ausschlag, Versatz und Höhenstreuung des Gruppenschussbildes aufzudecken. Hier sind die Ergebnisse.
Auf "DNA-genauem" Niveau war die Marlin, trotz kürzestem Lauf und fehlender Mündungsbremse, die genaueste Büchse (mit weniger als 10 mm). Ich denke, dass dies aufgrund des höheren Gewichts und des besseren Abzugs der Marlin, verglichen zu den zwei Wettbewerberinnen, so ist. Ich bin mir sicher, dass die drei Büchsen unter identischen Bedingungen nahezu gleich schießen, was gewissermaßen typisch für Waffen mit langsamen und schweren Kalibern ist.
Hier sind die Schussbilder der drei Büchsen: BLR 39 mm × 37 mm; W94 38 mm × 34 mm; 1895M 29 mm × 28 mm. Mit der auf die LeverEvo (1895M) ausgerichteten Waffe lagen die Einschüsse mit der Custom ein paar Zentimeter tiefer, während die Einschüsse der anderen beiden Büchsen, die mit der Custom ausgerichtet wurden, mit der LeverEvo 5 bis 6 cm höher liegen: Im Hinblick auf Abweichungen gibt es bei beiden Munitionssorten nichts zu erwähnen. Diese Tatsache vermittelt uns, dass bei einer Ausrichtung der Büchsen auf 40 bis 50 Meter für die Drückjagd getrost beide Munitionssorten verwendet werden können, ohne dass etwa eine vorherige Neuausrichtung auf dem Schießstand erforderlich wäre. Dies ist relativ typisch für langsame und schwere Kaliber, obwohl die Marlin, um fair zu sein, gar nicht so langsam ist.
Mit der .450 Marlin auf der Jagd
Das erste Wildschwein, das mit diesem Kaliber geschossen wurde, war ein 60 kg schwerer Keiler, erlegt mit der Marlin und der LeverEvolution. Das Wild wurde auf eine Distanz von 20 Meter getroffen und brach mit nur einem Schuss sofort zusammen. Aber dieser Abschuss liefert uns einiges an Informationen, da das Tier, trotz vollständigen Wiederaustritts des Geschosses, bei einem Treffer in der Nierengegend tödlich getroffen wurde. Vor allem sagt uns dies, dass beim Treffen eines durchschnittlich schweren Tieres auf kurze Distanz und an einer Stelle, die von nicht unbedingt vitaler Bedeutung ist, das LeverEvo-Geschoss der .450 Marlin in der Lage ist, die nötige Energie abzugeben, um das Wild auf der Stelle niederzustrecken. Des weiteren war der Fleischverlust mit ungefähr einem Kilo minimal: Die Eintrittsöffnung entsprach dem Durchmesser des Geschosses, während die Austrittsöffnung leicht größer war.
Der zweite Eber wurde mit der BLR und der Hornady Custom FP Munition geschossen, in einem Schießdurchgang, in dem insgesamt drei Keiler erlegt wurden. Das erste, 30 kg schwere Wild, auf eine Entfernung von ungefähr 60 Metern mitten in die Schulter geschossen, bewegte sich noch 7 bis 8 Meter, bis es zu Boden ging. Das Geschoss durchschlug beide Schultern und behielt seinen Umfang beim Ein- und Austritt bei. Das Wildpret war in perfektem Zustand. Die Büchse wurde am nächsten Tag auf dem Schießstand einer Prüfung unterzogen: 2 Schuss auf 50 Meter, einer in der 10, der andere in der Mouche.
Der anfängliche Eindruck war, dass die 350-gr-FP-Munition zu hart für das Wildschwein ist und sich daher wie ein Vollmantelgeschoss verhält. Dies ist ein falscher Eindruck: Die nächsten zwei Abschüsse, Keiler von 20 kg und 50 kg, haben mich überzeugt, dass es sich um ein eher weiches Geschoss handelt, dessen Daseinsberechtigung seine Ausdehnung und die damit einhergehende respekteinflößende stoppende Wirkung ist. Allerdings ist die Wildpretentwertung größer. Dies führt uns zu der Annahme, dass diese Munition für das Erlegen von sehr großen Tieren auf eine Entfernung zwischen 0 und 60 bis 70 Meter geeignet ist, was auch zu deren Leitmotiv passt, da diese für Büchsen verwendet wird, die auch als Jagdführerwaffen bezeichnet werden. Es bedeutet, dass die beiden Keiler schlecht getroffen wurden.
Schlussfolgerung
Ich kann verstehen, dass dieses Kaliber einige Jäger verzagen lässt (natürlich nicht die tapfersten und hartgesottensten Schwarzwildjäger). Dabei ist es aber deutlich unangenehmer, mit einer leichten oder unausgewogenen Büchse im Kaliber .300 Winchester Magnum oder 9,3 mm×62 zu schießen. Ich kann auch verstehen, dass viele Leute bei von Unterhebelrepetierbüchsen die Nase rümpfen, weil diese keine schnellen Schussfolgen zulassen, wenn der Benutzer nicht daran gewöhnt ist. Trotzdem muss ich darauf hinweisen, dass es möglich ist, dies angemessen zu trainieren, ohne zu schießen oder mit "nasser Munition", wie der Amerikaner das Schießen mit einer leeren Hülse im Patronenlager nennt.
Trotzdem gibt eine Waffe dieses Kalibers in Verbindung mit einer Ad-hoc-Munition, wie der LeverEvolution dem Benutzer all das, was vielen Standardkalibern hinsichtlich stoppender und Tötungswirkung fehlt, plus einem unerwarteten "Respekt" vor der Fleischausbeute, die unter Sauenjägern einen hohen Stellenwert einnimmt. Dies alles ist nicht nur für diejenigen auf dem Ansitz sehr verlockend, sondern auch für jene, die mit dem Hund unterwegs sind oder pirschen.
Hier geht's zur Bildergalerie.