Der REACH-Auschuss hat im September 2020 das Bleiverbot für Schrotmunition beschlossen. So geht es nun weiter und das sagen die Verbände.

+++ Update vom 9.9.2020 +++ Der REACH-Ausschuss hat das Bleiverbot für Munition in unveränderter Form beschlossen. Die Übergangsfrist beträgt 2 Jahre. Beweislastumkehr für Jäger?

Der REACH-Ausschuss hat das Bleiverbot in und über Feuchtgebieten nunmehr in unveränderter Form beschlossen. Wie bereits berichtet, bedeutet dies, dass nach einem auch nur leichten Schauer prinzipiell alles als Feuchtgebiet gilt. Das liegt an der festgeschrieben 100-Meter-Pufferzone. Die ersten Verbände haben bereits reagiert:

FACE (der europäische Jagdverband) nimmt Stellung Entscheidung des REACH-Ausschusses

Am 7. September veröffentlichte die FACE-Generalversammlung eine Erklärung zur Entscheidung des REACH-Ausschusses: "Mit großer Besorgnis stellt FACE fest, dass die REACH-Vertreter der Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission die grundlegenden gesetzlichen Rechte der Bürger innerhalb des Vorschlags und im Zusammenhang mit dem Vorschlag nicht respektiert haben." Insbesondere bekräftigt FACE, dass "die Unschuldsvermutung, die nach EU-Recht und nationalem Recht ein Grundrecht ist, in dem Vorschlag im Hinblick auf das Verbot des Besitzes von Bleischrot nicht respektiert wird" und bedauert zutiefst, "dass Jäger und Vollzugsbeamte mit einer weit verbreiteten Rechtsunsicherheit konfrontiert sein werden in Bezug auf: die vage und flüssige Definition eines Feuchtgebietes, die kleine und vorübergehende Pfützen und Torfgebiete ohne sichtbares Wasser einschließt; die 100-Meter-Pufferzonen um jedes Gewässer; das Verbot des Besitzes von Bleischrot."

Die FACE-Erklärung schließt mit der Aufforderung an die Mitglieder des Europäischen Parlaments und des Ministerrats, "den Vorschlag des REACH-Ausschusses aufgrund seiner Illegalität, Unanwendbarkeit und Unverhältnismäßigkeit abzulehnen, um sicherzustellen, dass die Fragen innerhalb des REACH-Ausschusses korrekt neu überdacht werden."

Lesen Sie hier die vollständige FACE-Erklärung.

Der Deutsche Jagdverband (DJV) kritisiert in seiner Stellungnahme, dass nun der Umbau vieler Schießstände fällig würde, wenn dieser in einem solchen Feuchtgebiet liegt. Man müsse hier als Betreiber mit einem 7-stelligen Betrag rechnen. Zudem wird die Rechtsunsicherheit für Jäger bemängelt: Laut der Verordnung müsse sich der Jäger rechtfertigen, sobald er mit Bleimunition in einem Feuchtgebiet angetroffen wird und somit beweisen, dass er diese nicht verwendet hat. Das sei durch die damit verbundene Beweislastumkehr auch rechtsstaatlich bedenklich.

Laut des europäischen Dachverbandes der Jäger (FACE) haben in Europa bereits 23 Mitgliedsstaaten die Benutzung von Bleimunition verboten. Dadurch sei die Hauptänderung durch die Verordnung einzig die Tatsache, dass nun 7 Millionen europäische Jäger vor rechtlichen Problem stünden. FACE hat zu der Thematik auch ein Video produziert, das vom DJV übersetzt wurde. Es ist auf YouTube zu finden.

Eine ähnliche Kritik äußert auch die German Rifle Association (GRA) und betont dabei noch einmal, das Kernproblem würde in der sehr weiten Definition von Feuchtgebieten liegen.

Katja Triebel von der GRA nahm auf ihrer persönlichen Stellung zum Blei in Bezug auf vergiftete Wasservögel: "Geschossblei ist – im Gegensatz zu Blei in Benzin, Farben und Trinkwasserrohren – Hartblei. Solides Blei, dass nach kürzester Zeit auch noch mit einer Bleioxidschicht überzogen ist, ist selbst mit konzentrierter Salzsäure, dessen pH-wert nicht einmal annähernd in den Mägen von Seeadlern erreicht wird, nur schwer aufschliessbar, und somit für den Körper nicht resorbierbar. Es ist daher noch die Frage, welche Bleiaufnahme bei den Wasservögeln zur Bleivergiftung führt: die vom soliden Blei der Bleischrote (oder den Altlasten aus zwei Weltkriegen) oder das aufgelöste Blei im Getreide, Gemüse, aus bleihaltigen Trinkwasserrohren etc."

Durch den Beschluss des REACH-Ausschusses kann der Text nun nicht mehr geändert werden. Die einzige Möglichkeit das Bleiverbot noch abzuwenden besteht darin, dass Europäisches Parlament oder der Rat dem Vorschlag widersprechen.


+++ Update vom 15.7.2020 +++ Wie die AFEMS (Verband der Europäischen Munitionshersteller) soeben mitteilte, wurde die heutige Abstimmung zum Verbot von Bleischrot in Feuchtgebieten "ergebnislos beendet". Tschechien hatte sich sowohl gegen das Abstimmungsverfahren als auch gegen die Ramsar-Definition von Feuchtgebieten gewehrt.

Die deutsche Bundesregierung galt bisher als uneins in ihrem Abstimmungsverhalten, nun mehren sich Gerüchte, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium dem Bleiverbot ebenfalls zustimmen würde. Darauf deutet auch eine deutsche Anfrage zu einer etwaigen Verlängerung der geplanten Übergangsfrist von 2 auf 3 Jahre hin. Diese Entscheidung könnte sehr bedeutend für den Abstimmungsausgang sein, denn nicht wenige Beteiligte sehen in Deutschland die entscheidende Stimme. Leider hat man die Tragweite dieser Entscheidung nicht verstanden, sondern versucht ein Bleiverbot mit allen Mitteln durchzusetzen. Dass Alternativen wie Weicheisenschrote höchst problematisch in ihrer Tötungsgwirkung sind, spezielle Flinten mit Weicheisenbeschuss benötigen und dass viele Alternativmaterialien öko- und/oder humantoxikologisch sehr viel problematischer als Blei sind, wird dabei unter den Teppich gekehrt. Wir brauchen "green ammo" lautet die Devise − egal was die Folgen sind. Das ist aus unserer Sicht verantwortungslos und ohne jeglichen Weitblick. Ohne Hang zur Übertreibung: das ist auf lange Sicht das Ende der Jagd und des Schießsports. Offenbar geht es aber einigen der Protagonisten genau darum.

Wir halten Sie dazu auf dem Laufenden! Denn es wäre sinnvoll, wenn sich auch andere Ministerien, die von der Entscheidung betroffen sind, mit dieser Thematik beschäftigen würden und ihre Überlegungen bei der Wahl einbringen.

Eine erneute Abstimmung zum Verbot des bleihaltigen Schrotschusses soll es Mitte September 2020 geben.


Hintergründe zur Abstimmung im REACH-Ausschuss am 15.7.2020:

Die Mitglieder des REACH-Ausschusses der Europäischen Kommission haben noch bis zum 15. Juli 2020 Zeit zur Abstimmung. Wer keine Stimme abgibt, der stimmt laut Geschäftsordnung dem EU-Vorschlag zu. Und die Ramsar-Konvention macht Pfützen zu Feuchtgebieten. Aufgrund der Komplexität und daraus resultierender offener Fragen ist sich auch die deutsche Bundesregierung nicht einig.

Am 23. Juni 2020 traf sich der REACH-Ausschuss (der Ausschuss der Mitgliedsstaaten innerhalb der European Chemicals Agency, kurz ECHA) um über den 3. Entwurf zum Verbot von bleihaltiger Munition in Feuchtgebieten zu beraten. Die Abstimmung der Ausschuss-Mitglieder zum Vorschlag der Europäischen Kommission und der ECHA soll bis zum 15.7.2020 erfolgen. Das Problem dabei: Nach den Regeln des Ausschusses werden fehlende Stimmabgaben als Zustimmung gewertet und spielen der ECHA in die Karten.

Umwelt- und Landwirtschaftsministerium uneins − Enthaltung?

Problematisch könnte das z.B. bei den deutschen Ausschussmitgliedern werden. Im REACH-Ausschuss wird Deutschland vom Bundesumweltministerium vertreten. Auf Twitter gab Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, dieses Statement zum Abstimmungsverhalten ab: "Wir mussten heute Enthaltung für die schriftliche Abstimmung ankündigen. So sind die Regeln, wenn es keine Einigkeit in der Bunderegierung gibt. In der Sache ist das allerdings unverständlich, weil bereits 14 von 16 Ländern ein solches Bleimunitions-Verbot haben."

Bedenken gegen das Bleiverbot in Munition hat hingegen das Bundeslandwirtschaftsministerium und konnte sich deshalb der Meinung des Umweltministeriums nicht anschließen. Die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner schreibt zum Thema in einem Brief an den NABU: "Mein Haus geht deswegen davon aus, dass vor dem Hintergrund der herabgesetzten Tötungswirkung der alternativen Schrotmunition in Verbindung mit der sehr weiten Definition der Feuchtgebiete und der Pufferzone eine tierschutzkonforme Jagd insbesondere auf invasive Tierarten wesentlich erschwert wird. Das kann weder im Sinne des Tierschutzes noch des Umweltschutzes sein." 

Nach aktuellem Kenntnisstand würden sich Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowenien und Spanien für den Antrag der ECHA aussprechen. Wenn diese Entscheidung durchkommt, ist das das Aus für den jagdlichen Schrotschuss innerhalb der Länder der EU, welche der CIP unterliegen. 

Makaber: Dänemark, die Niederlande, Schweden etc. wären von ihrer eigenen Abstimmung nicht besonders hart betroffen, da sie selbst nicht Mitgliedstaaten der CIP sind und somit auch nicht auf die ausschließliche Verwendung von CIP-konformer Munition angewiesen sind.

In den Ländern, die der CIP unterliegen, haben wir aufgrund der strengen sicherheitsrelevanten CIP-Regularien das Problem, dass es praktisch technisch und physikalisch keine Möglichkeit gibt z.B. Weicheisenschrotlaborierungen dem Anwender zur Verfügung zu stellen, welche ein waidgerechtes Erlegen des Wildes ohne Qual sicherstellen würde. Die FACE (European Federation for Hunting and Conservation, europäischer Jagdverband) hat zwar eine Übergangsfrist von >2 Jahren angeregt – aber was bringen die Jahre, wenn keine adäquaten Alternativen für die bewährten Bleischrotlaborierungen und Lösungsvorschläge in Sicht sind? Mit Kupfer, Zink, Chrom, Nickel etc. als reines Metall, Legierung oder Beschichtung würde man alternative Schwermetalle in Verkehr bringen, die nachweislich ökotoxikologisch wesentlich kritischer sind als Blei!

Pfützen = Feuchtgebiete?

Von Anfang an heftig diskutiert wird auch die Definition von Feuchtgebieten (hier von uns erklärt) und die Größe der Pufferzonen. Die von ECHA und Europäischer Kommission bevorzugte Definition ist jene der so genannten Ramsar-Konvention. Dabei handelt es sich namentlich um das "Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, von internationaler Bedeutung". Würde man der Definition eines Feuchtgebiets nach dieser Konvention folgen, wäre jedes vorübergehend von Wasser bedeckte Gebiet ein Feuchtgebiet. Also auch jede noch so kleine Pfütze. Diese Bereiche würden dann noch um Pufferzonen erweitert werden, in denen das Bleiverbot ebenfalls gelten würde. In einer Anfrage aus dem Parlament, bezeichnet die EU-Kommission diese Definition als "[...] angemessen, da sie von Jägern und Polizei- und Ordnungsbehörden angewendet werden kann" − eine doch recht weltfremde Sicht der Dinge.

In welchem Umfang die Betreiber von offenen Schießständen von dieser Definition betroffen sein könnten, muss noch geklärt werden.

AFEMS-Webinar:

Die AFEMS (Verband der europäischen Munitionshersteller) hat sich online in einem Webinar zur Thematik ausgetauscht. Zu den ca. 80 Teilnehmern gehörten auch Vertreter der Waffenhersteller, Jäger, Sportschützen, Händler und Sammler.


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ECHA: "Aufruf zur Vorlage von Nachweisen" zum möglichen Verbot von Blei in Munition.

Die EU-Kommission treibt das Verbot von Bleimunition voran − was droht Jägern und Schützen?

Die Wahrheit über Blei in Munition:  Fakten, wissenschaftliche Studien − alles, was Sie wissen müssen, um die Folgen eines Verbots von Bleimunition zu verstehen.

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