Hier auf all4shooters/all4hunters.com haben wir bereits berichtet, wie der Europäische Bürgerbeauftragte einen Missstand in bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aufgedeckt hat, da diese nicht in der Lage war, wichtige Dokumente zum laufenden Beschränkungsverfahren für Blei in Munition rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Dadurch wurde die erste öffentliche Konsultationsphase beeinträchtigt und musste nach einem Rechtsstreit neu angesetzt werden.
Nach dieser Verzögerung beim Zugang zur EFSA-Datenbank wurde nun von Stakeholdern eine Studie bei ARCADIS US (Wissenschaftliches Beratungsunternehmen aus den USA) in Auftrag gegeben, um mit externer Expertise zu einem korrekten Verständnis der Bleikonzentration in Wildfleisch zu kommen. Hierbei ging es um eine realistische wissenschaftliche Bewertung des besagten Datensatzes, der von der EFSA gesammelt und ausgearbeitet und dann von der ECHA verwendet wurde. Diese wissenschaftliche Arbeit wurde jetzt als Beitrag zu der außerordentlichen öffentlichen Konsultation des RAC (Ausschuss für Risikobewertung) eingereicht, die am 6. Oktober 2022, abgeschlossen wurde.
IQ Verlust bei Kindern durch Blei in Munition – oder eine falsche Datenlage der ECHA?
Die Analyse von ARCADIS US befasst sich mit der Bewertung der ECHA, ausgehend von der Tatsache, dass die ECHA berechnet hat, dass der Verzehr von Wildfleisch, das mit Bleigeschossen gejagt wurde, IQ-Verluste bei Kindern und chronische Nierenerkrankungen bei Erwachsenen verursachen würde. Die vorgelegte Analyse zeigt nun, dass die Schlussfolgerung der ECHA – wonach die Konzentration von Blei in mit bleihaltigen Geschossen erlegtem Wildfleisch 2,516 μg/g (oder mg/kg) betragen soll –fehlerhaft ist. In dem EFSA-Datensatz von 10.000 Proben von Hochwild gibt es Fälle, die so hoch kontaminiert sind, dass sie die endgültigen Schlussfolgerungen erheblich beeinflussen. Diese Proben können nach Analysen von ARCADIS US nur aus dem Wundkanal stammen (was von der ECHA bestätigt wurde) und damit aus einem Fleisch, das nicht in die Nahrungskette gelangt. Damit sorgen diese Proben und die daraus ermittelten Werte für eine extrem hohe Abweichung im gesamten Datensatz der ECHA.
Alles in allem schlägt die Analyse von ARCADIS US eine Überarbeitung der EFSA-Tabelle vor, indem realistischere Zahlen für "Blei in Wildfleisch" verwendet werden und diese "Ausreißer" entfernt werden. So könnte eine validere Darstellung erreicht werden, die im Vergleich dann verdeutlichen würde, dass die aktuelle ECHA Aussagen in Bezug auf die Gefährdung der menschlichen Gesundheit zu hoch gegriffen und damit irreführend sind.
Das sind die drei zentralen Fehler in der Analyse der ECHA zur Bleibelastung von Wildbret
1. Die Bleikonzentration in Wildfleisch: Es wurde nachgewiesen, dass es nicht angemessen ist, die Risiken im Zusammenhang mit der Aufnahme von Wildfleisch zu berechnen, das mit Bleigeschossen gejagt wurde, weil der obere Mittelwert drei statistische Ausreißer enthält – also Werte, die im Vergleich zum Rest der Daten extrem hoch sind und daher dazu führen, dass die Gesamtergebnisse, falsch dargestellt werden.
2. Daten zur Aufnahme von Wildfleisch, wie von der EFSA beschrieben:
a. Der Begriff "Säugling" sollte keine Kinder unter 6 Monaten umfassen. Denn Säuglinge können in den ersten 6 Lebensmonaten nur Muttermilch oder Säuglingsnahrung zu sich nehmen und kein Fleisch verzehren.
b. Bei der angenommenen Wildverzehrrate wird davon ausgegangen, dass Säuglinge etwa 27 % ihres Gesamtproteins aus mit Bleischrot oder Bleigeschossen erlegtem Wild verzehren, was absolut unrealistisch ist.
c. Bei Kleinkindern wird angenommen, dass sie 75 % ihres jährlichen Fleischkonsums aus Wildfleisch beziehen, was ebenfalls völlig unrealistisch ist.
d. Bei Erwachsenen geht die ECHA davon aus, dass 27 % ihres jährlichen Fleischverzehrs aus Wildfleisch besteht, das mit Bleischrot oder -geschossen erlegt wurde. Es mag sein, dass es in Europa einige Jäger gibt, die bei jeder vierten Mahlzeit im Jahr Wildfleisch verzehren, das mit Bleimunition erlegt wurde, aber dies ist keine vernünftige Annahme für eine Risikobewertung für die Politikgestaltung in der gesamten Europäischen Union.
3. Die ECHA-Annahme zur Bioverfügbarkeit von metallischem Blei ist viel zu hoch: Auf der Grundlage dieser neuen - von Fachleuten überprüften - Studie wird empfohlen, dass die ECHA von einer Bioverfügbarkeit von 15 % für "metallisches Blei" (aus Munition) ausgehen sollte. Stattdessen geht die ECHA von "löslichem Blei" aus und von einer relativen Bioverfügbarkeit von 50 %. Dieser Wert ist viel zu hoch und basiert auf der fehlenden Unterscheidung von Bleimetall wie in Munition oder löslichem Blei. Der Unterschied und die ggf. von Blei ausgehende toxische Wirkung ist abhängig von der Partikelgröße. Beides unterschiedet die ECHA nicht und kommt damit auch hier zu völlig überhöhten Zahlen, was die Bioverfügbarkeit von Blei aus Munition angeht.
Wie im Verfahren und im Zeitplan der ECHA vorgesehen, muss der RAC nun die detaillierten Informationen prüfen, die im Rahmen der öffentlichen Konsultation vorgelegt werden, und möglicherweise seine bisherige Stellungnahme und die Empfehlungen daraus bis Dezember 2022 ändern.
Noch haben wir eine Chance, das Bleiverbot in Munition zu verhindern. Denn die ECHA hat "nur" die Aufgabe, für die EU-Kommission eine fachliche Empfehlung zu erarbeiten. Diese sollte jedoch inhaltlich, faktisch und wissenschaftlich korrekt sein. Alles was dann danach erfolgt, ist ein politischer Prozess im EU-Parlament. Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden.