Die .30-30 Winchester hat in ihrer langen und erfolgreichen Geschichte als eine der ersten zivilen Patronen für rauchloses Pulver unzählige Jäger begleitet. Die im Jahr 1895 zuerst in der Winchester 1894 eingeführte Patrone findet noch heute Verwendung – vor allem in Unterhebelrepetierern und Einsteckläufen. Selbst prominente Jäger wie Teddy Roosevelt lobten die flache Flugbahn und hervorragende Terminalballistik der .30-30 Win. im Vergleich zu damaligen Wettbewerbern.
Es darf jedoch nicht verschwiegen werden, dass der betagte Veteran in der modernen Zeit an seine Grenzen stößt (die Patrone, nicht Teddy Roosevelt). Die ausgeprägte Flaschenform und der lange Hals sorgen für einen geringen Pulverraum. Die Kombination aus dem geringen Maximaldruck und den im Röhrenmagazin eines Unterhebelrepetierers geforderten Flachkopfgeschossen hat eines zur Folge: Die im BJagdG (Bundesjagdgesetz) geforderte Hochwildtauglichkeit kann nicht erreicht werden. Denn eine hochwildtaugliche Büchsenpatrone muss eine Auftreffenergie von mindestens 2.000 J auf 100 m (E100) garantieren.
Unterhebelrepetierer in .30-30 Win. auf Hochwild nutzen – .30-30 Ackley Improved
Selbst der technologische Fortschritt in Gestalt der FTX-Geschosse von Hornady erreicht auch nur aus langen Läufen die erforderlichen Energien. Dank ihrer weichen Polymerspitze können diese Geschosse übrigens in Röhrenmagazinen verwendet werden. Zudem weisen sie einen hervorragenden Ballistischen Koeffizienten (BC) auf. Somit werden die weit verbreiteten Unterhebelrepetierer in .30-30 Win. mit ca. 50 cm langen Läufen weiterhin als Rehwildkaliber deklassiert.
Wie also lässt sich der geliebte Unterhebelrepetierer als vollwertige Jagdwaffe nutzen?
Die Antwort findet sich in Gestalt der .30-30 Ackley Improved. Peter Otto Ackley war US-amerikanischer Autor, Büchsenmacher und Forscher auf dem Gebiet der Ballistik. Im Lauf seiner Arbeit hatte er diverse Patronen auf seine eigene spezielle Art verbessert. Dazu gehören: Ein Vorverlegen der Schulter, ein steilerer Schulterwinkel und das Begradigen der Hülse, um das nutzbare Volumen zu vergrößern.
Das nutzbare Hülsenvolumen der .30-30 Ackley Improved steigt, je nach verwendeter Hülse und kleinen Abweichungen des Lagers, auf 46,5 bis 48 gr H2O – das entspricht einem Zuwachs von bis zu 15 %. P.O. Ackley gibt in seinem Werk einen vergleichbaren Leistungszuwachs an. Allerdings ging er bei der Entwicklung seiner Ladedaten auch sehr großzügig an die Druckmaxima heran.
Wie gehen Jäger in Deutschland nun vor, wenn sie ihre Büchsen auf dieses Kaliber ändern möchten?
Umbau eines Unterhebelrepetierers für die .30-30 Ackley Improved
Zunächst geht es um die Bearbeitung eines relevanten Waffenteils. Folglich muss entweder eine nicht-kommerzielle Bearbeitungserlaubnis beantragt oder ein qualifizierter Büchsenmacher gefunden werden. Wer auf diesem Gebiet nicht bereits umfangreiches Wissen und Erfahrungen besitzt, sollte Letzteres tun. Die notwendigen Werkzeuge, Reibeahle und Lehren für den Verschlussabstand können durch den Büchsenmacher als Leihwerkzeug bestellt werden. Andernfalls sind sie selbst zu kaufen.
Als kleine Gruppe von Jagdfreunden hatten wir uns unabhängig voneinander bereits Unterhebelrepetierer vom Typ Marlin 336 zugelegt. Da insgesamt nun also 3 Jagdgewehre umgebaut werden sollten, fiel die Wahl auf die selbstständige Beschaffung des Werkzeuges. Die Durchführung der Arbeit hingegen sollte durch einen Büchsenmacher erfolgen. Das Werkzeug wurde bei Pacific Tool & Gauge bestellt. Für die Arbeit konnten wir die Büchsenmacherei Niedermeier aus München gewinnen.
Der Umbau selbst ging bei den Waffen problemlos vonstatten. Besonders interessant ist allerdings der Beschuss. Als nicht CIP-homologiertes Kaliber oder "Wildcat" unterliegt die .30-30 Ackley Improved weiterhin der Beschusspflicht. Das Procedere ist jedoch ein anderes: Anstelle eines Überdruckbeschusses mit 30 % wird eine Beschussladung festgelegt und die Waffe mit dieser beschossen. Der für die Beschussladung errechnete Druck gilt dann als zulässiger Höchstdruck.
.30-30 Ackley Improved: Herstellung von Hülsen
Nach Rückerhalt der Waffen und Eintragung des geänderten Kalibers auf dem Amt ging es an die Herstellung von Hülsen wie auch die Entwicklung der passenden Ladedaten. Das Design der .30-30 Win. macht das Feuerformen zu einem sehr eleganten Prozess. Bei anderen Hülsen muss zumeist mit einer falschen Schulter gearbeitet werden, damit die Patrone überhaupt im Lager gehalten wird. Hier ist dank der Randhülse und des auf den Rand eingestellten Verschlussabstandes die Position der Schulter egal.
Entweder verschießen Sie Fabrikmunition und erhalten die passend geformten Resultate oder aber Sie arbeiten mit speziellen Feuerformladungen. Diese unterscheiden sich in 2 verschiedene Klassen: Entweder mit Geschoss oder aber mit einem inerten Füllstoff.
Ganz gleich, welche Feuerformladung gewählt wird, erzielen Sie doch die gleichen Resultate: Die Hülse legt sich an das Lager an und erhält dadurch ihre endgültige Form. Gries hat jedoch einen entscheidenden Nachteil gegenüber anderen Ladungen: Er verteilt sich nicht nur als feinkörniges Mittel im Lauf, das es vor der Benutzung mit Geschossen wieder herauszuputzen gilt. Ihm wird darüber hinaus ein erhöhter Laufverschleiß nachgesagt. Zusätzlich dürfen Sie danach auch noch die Überreste vom Stand fegen – das muss wirklich nicht sein.
Ladedaten Feuerformen:
Komponente | Gries feuerformen | Geschoss feuerformen | Geschoss feuerformen |
Hülse: | .30-30 Win. | .30-30 Win. | .30-30 Win. |
Zündhütchen: | CCI 200 | Murom KVB-7 | Murom KVB-7 |
Pulver: | Hodgdon Titegroup, 8 gr | Lovex DO69, 22 gr | Lovex DO73.6, 32 gr |
Geschoss: | Trennblatt aus Filterpapier, Gries bis Hälfte Hülsenhals, Papierstopfen | ARES 165 RN FP EPRX | PPU 170 gr FN B200 |
Die Ladedaten sind exemplarisch zu sehen. Es kann jede moderate .30-30 Ladung aus der Literatur verwendet werden.
.30-30 Ackley Improved: Entwicklung der Jagdladungen
Die feuergeformten Hülsen sind, unabhängig von der verwendeten Methode, konstant. Es zeigten sich jedoch je nach Hersteller der Hülsen deutliche Schwankungen des nutzbaren Innenvolumens. So liegen PPU-Hülsen bei etwa 46 gr Wasserkapazität nur knapp über den nominalen Volumina der ursprünglichen .30-30 Win. Patrone. Im Gegensatz dazu erreichen die Hülsen von Federal eine Kapazität von etwa 47,8 gr. Dies spiegelt die bereits vor dem Feuerformen vorhandenen Kapazitätsschwankungen des Ausgangsmaterials wieder.
Die Entwicklung der Jagdladungen gestaltete sich aufgrund der Anforderungen an die heutige Jagd etwas umfangreicher. Als bleihaltige Geschosse wurden das 150 gr Speer Hot-Cor (Typ #2011) sowie das 170 gr PPU (Typ #B-200) gewählt. Die bleifreien Geschosse wurden durch das LOS 155 gr H sowie das Hornady Monoflex (Typ #30310) vertreten. Als Pulver wurden aufgrund der Verfügbarkeit exemplarisch Lovex DO 73.6, Reload Swiss 40 sowie das erst seit Kurzem in Deutschland erhältliche Pulver PEFL 18 von Baschieri & Pellagri gewählt. Eine Druckmessung war aufgrund des Mangels an entsprechend eingerichteten Testläufen bei den Beschussämtern nicht möglich. Es erfolgte daher die rechnerische Ermittlung der Druckdaten und anschließende Kontrolle der Geschwindigkeiten. Die Präzision war hierbei nicht von Ausschlag. Mit ein wenig Tüftelei ließ sich aber problemlos eine für die Jagd auf 100 m Entfernung ausreichende Präzision herstellen.
Die Entwicklung der Ladedaten stellte uns vor große Herausforderungen: Aufgrund der zylindrischen Hülsengeometrie expandiert die Patrone und drückt nur in wesentlich geringerem Maß gegen den Verschluss. So treten die typischen Druckzeichen des Zündhütchens erst sehr spät auf. Zunächst bemerkt der Wiederlader den Widerstand beim Öffnen des Verschlusses. Erst wenn eine Expansion des Hülsenbodens und locker sitzende Zündhütchen auftreten, findet er auch gekraterte und plattgedrückten Zündhütchen. An diesem Punkt dürfen Sie die Hülse aber bereits mit dem Gummihammer entfernen.
Bleihaltige und bleifreie Ladungen der .30-30 Ackley Improved
Zu Beginn war es uns mit den gewählten Pulvern und Hülsen nicht möglich, die vom Gesetzgeber geforderte Grenze für Hochwildtauglichkeit der Patrone zu erreichen. Die langsameren Pulver wie Lovex DO 73.6 brannten als Pressladung nur noch vor dem Lauf ab und gaben keine zusätzliche Mündungsgeschwindigkeit. Die schnelleren Pulver hingegen neigten wesentlich eher als berechnet zu Überdruck.
Die Ursache konnten wir sehr schnell im gewählten Hülsenmaterial ausmachen. Die PPU-Hülsen hatten in ihrer Urform (.30-30 Win.) bereits ein für das Kaliber geringes Hülsenvolumen. Und auch nach dem Feuerformen war das Hülsenvolumen mit 46,2 gr H2O nicht so groß, wie erhofft. Da die Hülsenvolumina jedoch zwischen den Herstellern deutliche Unterschiede aufweisen und zudem von Charge zu Charge schwanken können, war schnell Abhilfe gefunden. Hülsen der Fabrikate Federal und Winchester boten nach dem Feuerformen mit ca. 47,6 gr H2O Hülsenvolumen nun genug Pulverraum. Somit konnten die vorher errechneten Daten umgesetzt werden.
Ladedaten bleihaltige und bleifreie Geschosse:
Geschoss bleihaltig | Pulver | E0 / E100 in Joule | Anmerkungen |
Speer Hot-Cor 150 gr | DO 73.6, 39,3 gr | 2.809 J / 2.007 J | Pressladung, erhebliche V0-Abweichung zur Berechnung |
PPU B-200 170 gr | B&P PEFL18, 34,3 gr | 2.746 J / 2.015 J | Benötigt festen Crimp |
Geschoss bleifrei | Pulver | E0 / E100 in Joule | Anmerkungen |
Hornady Monoflex 140 gr | RS 40, 35 gr | 2.659 J / 2.009 J | Am Drucklimit |
LOS 155 gr Hunter | DO 73.6, 35,1 gr | 2.610 J / 1.997 J | Pressladung, viel Mündungsfeuer, präziseste Ladung im Test |
Als OAL wurde jeweils die maximal zulässige Länge der .30-30 festgelegt. Längere Patronen lassen sich im Unterhebelrepetierer schließlich nicht zuverlässig repetieren. Alle gemessenen Werte beziehen sich auf einen 20 Zoll (ca. 51 cm) Lauf. Die Ladedaten geben jeweils die minimal notwendige Ladung für die Hochwildtauglichkeit wieder. Dem geneigten Wiederlader wird dringend empfohlen, sich langsam an diese Ladungen heranzutasten.
Hinweise und Tipps für Wiederlader – .30-30 Ackley Improved
Mit Bleigeschossen war das Erreichen einer E100 > 2.000 J problemlos ohne Druckzeichen möglich. Sowohl das als günstige Referenz gewählte 170 gr Geschoss von PPU wie auch das jagdlich verwendete Speer Hot-Cor zeigten bei der gewünschten Energie ausreichende Präzision.
Die bleifreien Geschosse waren da schon etwas widerspenstiger: Beide verwendeten Pulver mussten bis knapp vor das berechnete Druckmaximum geladen werden, um die notwenigen Energien zu erreichen. Hier war besonders auffällig, dass die berechneten und gemessenen Daten bei Lovex 73.6 deutliche voneinander abwichen. Die Geschwindigkeit blieb hinter den erwarteten Werten zurück. Das Pulver brannte als intensiver Mündungsblitz ab. Bei reproduzierbaren Ergebnissen scheint hier die Ursache in einer langsamer abbrennenden Pulvercharge zu liegen. Nach Anpassung der Ladung konnte auch das bleifreie Geschoss LOS Hunter auf annähernd 2.000 J beschleunigt werden.
Abschließend noch einige Hinweise für Wiederlader: Die Lager der .30-30 Ackley Improved sind nicht standardisiert. Je nach Herkunft der Reibeahle und nach Schnitttiefe können leicht unterschiedliche Varianten entstehen. Auch konnten wir nachweisen, dass das nutzbare Hülsenvolumen stark vom Hersteller der Hülse abhängig ist. Daher beim Erstellen der Ladungen bitte Vorsicht walten lassen.
Alle Ladeangaben ohne Gewähr. Jeder Wiederlader handelt nach dem Gesetz eigenverantwortlich!
Vergleichstest von 5 Pulverfüllgeräten für Wiederlader.
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