Test: SAUER Artemis in 20/76 − wie schlägt sich die Bockdoppelflinte für Damen im Test?

Artemis, Göttin der Jagd, des Waldes, des Mondes, Hüterin der Frauen und Kinder. Passender hätte wohl der Name für die neue Bockflinte für Damen aus dem Hause Sauer nicht gewählt werden können. Die J. P. Sauer & Sohn GmbH mit Sitz in Isny im Allgäu rühmt sich, der älteste Jagdwaffenhersteller in Deutschland zu sein. Entsprechend erstreckt sich die Geschichte des Unternehmens auch auf über 260 Jahre mit eben der Erfahrung dieser Epochen. Der Name Sauer steht in jedem Fall für Waffen aus dem High-Class-Bereich, die mit Qualität und Innovation aufwarten. Für die Artemis-Flinte setzte man auf die Zusammenarbeit mit der italienischen Flinten-Schmiede Fausti Stefano.  Hochwertige Arbeit statt Massenprodukt steht, wie auch bei Sauer, auf den Fahnen des Herstellers aus dem Süden.

Das ist unsere Testwaffe: SAUER Artemis in 20/76

Die SAUER Artemis reiste in einem passenden Koffer an, wie es sich für eine feine Dame gehört. Schon das Öffnen des Behältnisses ließ die Tester staunen: Die Bockflinte zeigte sich einfach unfassbar schön, elegant, geschmackvoll und modern zugleich – und zugegeben, ein kleines bisschen göttlich eben. Eine Artemis kann man (aber eigentlich besser FRAU) im Kaliber 12/76 und 20/76 führen. Die Lauflänge beträgt 71 cm bei einer Gesamtlänge von 113,5 cm. Das Gesamtgewicht der Göttin liegt bei 3,3 kg. Werkseitig mit schwarz brünierten Läufen (Bündel verlötet und hartverchromt) ausgestattet, stehen 5 Wechsel-Chokes für die Schützin parat: Voll-, Dreiviertel-, Halb-, Viertel- und Zylinder-Chokes. Das Quintett gehört bereits zum Lieferumfang und schließt laufbündig ab. Ebenfalls schon ab SAUER an Bord: Das passende Wechselwerkzeug, um die Chokes bequem und einfach tauschen zu können. 

Prince-of-Wales-Pistolengriff der Sauer Artemis
Ein absoluter Blickfang an der Artemis: Der Prince-of-Wales-Pistolengriff mit Abzugseinheit.

Der Schaft der Flinte besteht aus dunklem Nussbaum mit einer Laser-Line-Maserung. Der Hinterschaft besticht durch die rote Gummischaftkappe. Der gerade Rücken des Monte-Carlo-Schaftes mündet in den Prince-of-Wales-Pistolengriff. Dieser wiederum zeigt sich sehr schmal und liegt besonders gut in der (kleinen) Hand und weist eine Fischhaut auf.  Der selektive Einzelabzug steht trocken und kriecht nicht. Das Abzugsgewicht lässt sich im Bereich von 1,8 bis 2,2 kg einstellen. Ein sehr guter Flintenabzug, ohne Wenn und Aber. Die Umschaltung nach dem Abschießen des ersten Laufes erfolgt mechanisch durch den Rückstoß. Als Sicherung der Flinte baut Sauer klassisch auf die Blockierung des Abzuges. Der Sicherungsschalter sitzt auf dem Kolbenhals. Zu den weiteren Ausstattungsdetails gehört ein Laufwahlknopf. Auf dem obersten Teil des Kolbenhalses befindet sich der Schwenkhebel zum Öffnen der Waffe. Die Basküle besteht aus Stahl und wird beidseitig mit einer schlichten güldenen SAUER-Schraube auf dem Scharnier verziert. In geöffnetem Zustand wird ein Sonnenschliff am unteren Teil des Laufbündels der Flinte sichtbar.

Four-Locks-Verriegelung der Sauer Artemis
Das Four-Locks-Verriegelungssystem aus dem Hause Fausti soll für eine besondere Stabilität sorgen.

Standardmäßig bringt die Artemis Ejektoren anstatt eines Ausziehers mit sich. Hier muss die Schützin darauf achten, beim Wechseln der Patronen die Artemis nicht einfach nur schnell aufzuklappen, denn dann kommen die Ejektoren mit einer enormen Auswurfkraft zum Tragen. Die Hülsen fliegen sehr weit. Der italienische Flintenbauer Fausti setzt bei der Artemis auf das patentierte "Four-Locks-Verriegelungssystem" des Verschlusses. Dieses System sorgt für besondere Stabilität. 2 Verschlusskeile greifen dabei tief in der Basküle ineinander. Die vertikal in der Waffe wirkenden Kräfte sollen so optimal abgebremst werden. Ein weiteres Verriegelungspaar greift seitlich im Verschlusskasten und sorgt so für Stabilität in der horizontalen Ebene. Die Artemis verfügt über ein Anson-Schloss. Dieses Kastenschloss erweist sich als besonders kompakt, da sich alle Schlossteile innerhalb des Verschlusskastens befinden. Auf den Läufen sitzt die 7 mm breite, ventilierte Laufschiene. Am Ende der Schiene thront das Messing-Perlkorn. Die zur Verfügung gestellte Testwaffe reagierte beim ersten Zusammenbau nicht zickig. Der Vorderschaft kann ganz einfach vom Laufbündel geklappt werden. Eventuelle weiblich lange Fingernägel werden nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die Verriegelung funktioniert ganz leichtgängig. Das Laufbündel lässt sich mühelos an die Basküle anfügen und einkippen. Auch hier alles vollkommen unproblematisch in der Handhabung. Der Vorderschaft zum Abschluss wieder an das Laufbündel und schon ist die Artemis zum Einsatz bereit.

Was macht die SAUER Artemis besonders?

Alle bisher aufgeführten Angaben sind für eine Flinte nicht sonderlich speziell oder extravagant. Was macht diese Flinte aber eben zu etwas Besonderem? Um mit einer Flinte gut treffen zu können, muss sie passen. So sagen die Flinten-Päpste jedenfalls. Frei nach dem Motto "Was nicht passt, wird passend gemacht" bringen viele eine bereits im Familienbesitz vorhandene Flinte zum Kürzen, zum Verlängern, um ein Hilfskorn aufzusetzen oder sonstige bauliche Veränderungen zu veranlassen. Die Aussage, damit hätten bereits Generationen vorher schon alles getroffen, schafft wenig Vertrauen in die eigenen Fertigkeiten. Manchmal passt es eben doch nicht.

Anson-Kastenschloss der Sauer Artemis
Das Anson-Kastenschloss verbindet Laufbündel und Hinterschaft. Gut zu sehen: der Sonnenschliff unten am Laufbündel.

Sauer hat bei der Artemis in Zusammenarbeit mit Fausti die wichtigen Schaftparameter speziell auf die Damenwelt zugeschnitten. Einer dieser Parameter ist der Monte-Carlo-Schaft im Zusammenspiel mit dem Prince-of-Wales-Pistolengriff. Als weiteren entscheidenden Faktor gibt Sauer den Wert Length over Pull (LOP) an. Dieser bezieht sich auf die Länge von der Mitte des Abzuges bis zur Mitte der Schaftkappe. Er beträgt bei der Artemis 34,5 cm. Mit dem kürzeren Schaft lässt sich die Damenwaffe ganz solide an den speziellen weiblichen Rundungen vorbeiführen und in die Schussposition bringen. Selbstverständlich darf dann auch die Abzugslänge (Abstand Mitte Abzug bis Vorderkante Pistolengriff) nicht außer Acht gelassen werden. Bei der Testwaffe wird diese mit 11,5 cm angegeben. Kleine Hände erfordern eben kürzere Wege. Die Senkung der Schaftnase beschreibt die Höhe von der Schaftspitze im 90-Grad-Winkel nach oben zur gedachten Verlängerung der Oberkante der Visierschiene. Dieser Wert bestimmt die Kopfauflage in der Höhe und wie das Auge zur Visierlinie in der Höhe ausgerichtet ist. Die Senkung der Nase beeinflusst die Trefferlage in der Höhe. Bei der Artemis werden dafür 34 mm angegeben. Ein weiterer Faktor für das Passen einer Flinte stellt die Schaftsenkung der Kappe dar. Dieser Wert beschreibt die Länge von der Mitte des Abzuges bis zum höchsten Punkt des Schaftes. Die Artemis-Schaftsenkung hat ein Maß von 5 cm. Wie alle anderen Werte wurde auch dieser konsequent an die Vorzüge eines weiblichen Körpers angepasst. Die Schränkung der Kappe gibt Sauer mit 3 mm rechts an. Diese Angabe ist wichtig, weil das Auge gerade über die Visierlinie schauen soll. Die Schränkung beeinflusst die Trefferlage seitlich. Als letztes Maß wird der Pitch mit 20 mm angegeben. Als Pitch wird der Winkel bezeichnet, in dem die Schaftkappe zur Laufschiene steht. Nach all der Theorie folgt immer die Praxis. So auch bei der Artemis.

Die technischen Daten der SAUER Artemis im Detail:

Modell: SAUER Artemis
Preis: 2.391,- Euro
Kaliber: 20/76
Kapazität: 2 Patronen
Lauflänge: 71 cm
Schaftlänge: 34,5 cm
Pitch: 20 mm
Schränkung: 3 mm / rechts
Links-/Rechts-Waffe: ja
Abzugsgewicht: einstellbar
Länge: 113,5 cm
Gewicht: 3,3 kg
Ausführung: Messing-Perlkorn, verstärker Stahlschrotbeschuss, selektiver Einabzug mit mechanischer Umschaltung, ventilierte Visierschiene, 5 Wechsel-Chokes mit Werkzeug.

Testfazit zur SAUER Artemis:

Chokes der Sauer Artemis
Insgesamt fünf Wechsel-Chokes gehören zur Ausstattung der Artemis, ebenso wie das passende Werkzeug zum Wechseln – alles schon von Sauer mitgeliefert.

Die SAUER-Bockflinte Artemis sieht nicht nur schön aus, nein, sie funktioniert auch einwandfrei. Der Schaft sowie der Pistolengriff sind speziell auf die Bedürfnisse von Frauen angepasst und gestaltet. Nahezu aus jeder Lage kann die Waffe in die passende Position in der Schulter eingezogen und abgefeuert werden. Der Rückstoß zeigt sich merklich, aber in keinster Weise unangenehm. Die Schaftkappe der Artemis-Flinte präsentiert sich glatt. Diesen Vorteil kann man gut ausspielen, wenn man unterwegs im Treiben ist und die Witterung nicht ausschließlich das Tragen einer eng anliegenden Schießweste begünstigt. Der Anschlag sitzt und die Schaftkappe gleitet über die Oberfläche der Kleidung. Zierliche Handflächen umfassen den Pistolengriff besonders gut. Der Weg des Zeigefingers vom Pistolengriff in Richtung Abzug erfolgt wie von selbst. Ohne über die Handhabung der Artemis nachdenken zu müssen, funktioniert alles einfach und fast automatisch. Die schlichte Eleganz im Einklang mit einer modernen Sportlichkeit machen pure Freude. Der Einzelabzug funktioniert sehr gut, die Abgabe von zwei schnellen Schüssen hintereinander ist sehr leicht zu bewerkstelligen. Rundum erhält man mit der Artemis eine hervorragende Flinte, die vor allem bei dem weiblichen Teil der Schützen keine Wünsche offen lassen dürfte.


Weitere Informationen zur Artemis und ihrem männlichen Gegenstück Appollon erhalten Sie auf der Homepage von J. P. Sauer & Sohn.

Den ausführlichen Test mit allen Schießergebnissen und einem Erfahrungsbericht von der Niederwildjagd finden Sie in  VISIER 3/2019.  Diese Ausgabe ist im  VS Medien-Shop  auch  digital verfügbar.