Der Zeitraum des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 war einer der innovativsten und erfindungsreichsten im Bereich der zivilen Waffenfertigung. Nach der erfolgreichen Einführung des rauchlosen Pulvers und der Patronenhülse aus Metall machten sich zahlreiche Büchsenmacher und Erfinder daran, bestehende Systeme zu verbessern.
Ein großer Schritt in der Entwicklung der jagdlichen Kipplaufwaffen bestand in der Einführung hahnloser „Selbstspannergewehre“. Bei diesen spannten sich die Schlosse durch Abkippen der Läufe - im Gegensatz zu den Waffen mit Hahnschlossen waren diese nach dem Schließen schussbereit und erforderten kein separates Hahnspannen. Erbittert diskutierte man in den damaligen Jagdzeitschriften das Für und Wider der Selbstspannerwaffen.
Man befürchtete oftmals, dass diese schnelle Schussbereitschaft das unüberlegte Schießen fördern würde. Insbesondere Selbstspanner-Drillinge wurden als gefährlich angesehen. Dies führte schnell zu den wiederum nicht unumstrittenen automatischen Sicherungseinrichtungen. Beliebt waren die Hahnwaffen jedoch, weil man die Basküle klein und optisch vorteilhaft rund gestalten konnte. Moderne Technik konnte jedoch auch damals nicht aufgehalten werden. Die Selbstspannerwaffen fanden schnell Anhänger, und beide Systeme wurden nebeneinander lange Zeit hergestellt.
Eine besondere Idee hatte Emil Eckoldt aus Suhl. 1912 wurde ihm vom Kaiserlichen Patentamt das Deutsche Reichspatent (D.R.P.) Nummer 262444 erteilt, ziemlich lapidar lautete die Überschrift: „Schloss für Kipplaufgewehre“. Anspruch des Patents war die „Verbesserung der Schlösser von Selbstspannergewehren.“ Auf den ersten Blick ist allerdings kaum etwas Auffallendes an einer Waffe nach System ECKOLDT, lediglich der sauber gravierte Schriftzug auf der Unterseite der Basküle: „Patent ECKOLDT“.
Betätigt man den Verschlusshebel, seinerzeit bereits als „Toplever“ beworben, öffnet sich die Waffe selbsttätig - ähnlich wie bei hochwertigst gefertigten Doppelflinten englischer Herkunft mit „self opener“- Einrichtung.
Im Gegensatz zu den englischen Flinten benötigte ECKOLDT jedoch keine zusätzlichen Bauteile wie Federn. Üblicherweise werden die Schlosse von Kipplauf - Waffen beim Abkippen der Läufe gespannt, je nach Lage der Spannelemente mit teils großem Kraftaufwand. Werden die Läufe nicht weit genug abgekippt, spannen sich möglicherweise nicht alle Schlosse - ein Umstand, der besonders bei der Jagd mehr als ungünstig ist. ECKOLDTs Konstruktion beruhte jedoch auf dem Gegenteil: Die Schlosseinrichtung wird beim Schließen der Waffe gespannt. Die Läufe können dadurch nach Betätigen des Verschlusshebels ohne Überwindung von Federkraft abkippen. Durch die geschickte Anordnung der Spannelemente in einer Art Kniegelenk bemerkt man auch kaum den zum Spannen nötige Kraftaufwand beim Schließen der Waffe.
Bei herkömmlichen Kipplauf-Konstruktionen liegen die Spannhebel für die Schlosse in den als Banden bezeichneten Außenwänden der Basküle. Um diese Hebel dort unterbringen zu können, muss die Basküle aber in diesem kritischen Bereich durchbrochen werden. Neben einer Schwächung des Systems verhindert das auch eine elegante Abrundung der Unterseite wie bei Hahnwaffen.
ECKOLDTS Konstruktion benötigte nur einen in der Mitte der Basküle liegenden Spannhebel. Materialschwächende Durchbrüche für die in den Banden verlaufenden Elemente brauchte man nicht.
Links und rechts neben den Laufhaken blieb somit massiv Material, so dass man die elegante runde, von Hahnwaffen bekannte Form bei gleicher Systemfestigkeit herstellen konnte.
ECKOLDT verwendete dazu ein weiter modifiziertes, um 1875 von den Engländern ANSON & DEELEY erfundenes und nach ihnen benanntes Schloss. Diese mit wenigen Bauteilen auskommende Konstruktion bietet aufgrund der oberhalb vom Schlagstück liegenden Abzugsstange entscheidende Vorteile. Diese Stange liegt weit vom Drehpunkt des Schlagstückes entfernt, dadurch ergibt sich ein kräftemäßig vorteilhafter Eingriff der Abzugsrast. Durch penibles Bearbeiten der Rasten von Abzugsstange und Schlagstück lässt sich der Abzug weich und trocken justieren.
Bei anderen Schlosskonstruktionen können die Hersteller dies nur durch den Einsatz von komplizierten und entsprechend teuren Seitenschlossen erreichen. Der mit einem Rückstecher versehene vordere Abzug bedient den unten liegenden Kugellauf, auch uneingestochen ist dieser (im Gegensatz zu den meisten Stecherabzügen) einwandfrei nutzbar. Eine manuelle Abzugssicherung befindet sich auf der linken Seite des Schaftes.
Als Verschlusssystem wählte ECKOLDT für die vorliegende Bockbüchsflinte einen doppelten Riegeleintritt in die Laufhaken, dazu einen rechts liegenden, einseitigen Lauflappen für den Greener-Querriegel.
Nahezu klassisch für das erste Viertel des 20. Jahrhunderts ist die Kaliberkombination der 68 cm langen Läufe: die als „Försterpatrone“ heute noch bekannte 9,3 x 72 R für den unten liegenden Kugellauf sowie das Kaliber 16 mit einer Hülsenlänge von 65 mm für den oben liegenden Schrotlauf. Beide Läufe verfügen über einen Nitrobeschuss, als Kaliberangabe findet sich auf dem Kugellauf die Stempelung „8,7-72“. Denn im Gegensatz zu heutigen Kaliberangaben wurden seinerzeit das tatsächlich gemessene Feldkaliber sowie die Hülsenlänge angegeben.
Neben dem mit Krone versehenen N(itro)-Stempel findet sich die Angabe des für den Beschuss der Büchse vorgesehenen Geschosses: „K.m.G 13 gr.“, also ein Kupfermantel-Geschoss mit einem Gewicht von 13 Gramm.
In die mattierte Laufschiene sind ein Messingperlkorn sowie eine Klappkimme mit zwei Positionen eingesetzt, für den (gezielten) Schrotschuss mit einer großen halbrunden Kimme, eine kleine halbrunde für den Kugelschuss über die offene Visierung.
Für das Zielfernrohr wurde eine kombinierte Klemm- und Aufschubmontage eingesetzt. Hierbei legen sich nach dem Aufschieben und Betätigen der Klemmhebel deren einseitig abgeflachte Wellen in entsprechend ausgearbeitete Nuten der prismatischen Basen. Bei einwandfreier Anpassung lässt sich so das Zielfernrohr durchaus wiederholgenau abnehmen und aufsetzen. Die seitliche Verstellbarkeit der zumeist nur mit einer Höhenverstellung versehenen Zielfernrohre erfolgt durch die Supportschraube des hinteren Montagefußes. Mittels gelöteter Halbringe ist ein „Ajack“ 4 x 90 - Zielfernrohr des Berliner Herstellers A. JACKENKROLL montiert.
Obacht: Im Gegensatz zu den heutigen Angaben bei Zielfernrohren bedeutet „90“ nicht den Objektivdurchmesser. Mit dieser Zahl wurde die theoretische Lichtstärke bezeichnet. Sie errechnete sich aus Objektivdurchmesser und Vergrößerung (Objektivdurchmesser geteilt durch die Vergrößerung, das zum Quadrat). Die Scheibe der Höhenverstellung, bezeichnet als Elevationsschraube, ist mit den Zahlen 1-8 markiert, üblich war dies bei militärisch verwendeten Zielfernrohren. Die ebenfalls vorhandene Wasserablaufbohrung in der Objektivblende sowie das heute als Nr. 1 beschriebene Absehen legen die Vermutung nahe, dass dieses für militärischen Gebrauch vorgesehene Glas nach 1945 auf die vorliegende Waffe montiert wurde.
Aufgrund des Mangels an Zielfernrohren in den Nachkriegsjahren fanden viele der hochwertig gefertigten Scharfschützengläser der ehemaligen Wehrmacht ihren Weg auf zivil genutzte Jagdwaffen.
Als Schaftholz diente Nussbaum. Der Pistolengriff sowie der zierlich gehaltene und mittels Patentschnäpper befestigte Vorderschaft verfügen über eine sauber geschnittene Fischhaut. Schaftkappe und Griffkäppchen sind aus dem damals beliebten Horn angefertigt. Eine sehr schön ausgeführte Gravur der Basküle, des Abzugsbügels und des Patentschnäppers wertet die Waffe optisch auf: In typischer Suhler Art vollflächig tief graviert, neben floralen Elementen findet sich auf der linken Systemseite eine Ricke mit zwei Kitzen, auf der rechten Seite ein balzender Auerhahn. Dies zeigt auch die typische Verwendung einer kombinierten Jagdwaffe in den Revieren Anfang des 20. Jahrhunderts.
EMIL ECKOLDT fertigte neben Bockwaffen mit seinem Schloss auch Drillinge. Durchsetzen konnte sich jedoch sein System nie. Aber es hat überlebt: In hochwertiger handwerklicher Arbeit werden heute wieder Waffen mit ECKOLDTs Patent-Schloss in Suhler Manufakturen als Einzelstücke auf Kundenwunsch hergestellt.
EMIL ECKOLDTS Waffenfabrik
EMIL ECKOLDT gründete 1876 in der Suhler Judtihstraße eine Waffen- und Gewehrfabrik. Hergestellt wurden neben Jagd- auch Scheibenwaffen, insbesondere aber nach seinem Patent gefertigte Kipplaufwaffen. EMIL ECKOLDT verstarb 1930 mit 76 Jahren. Bereits 1923 wurde die Firma durch Hugo Eckoldt und Robert Schilling in eine Handelsgesellschaft geändert.
Als Firmenzeichen diente zumeist E.E.S. umrahmt von einem Herzen. Im Jahr 1935 meldete man mehrere Gebrauchsmuster für eine doppelläufige Signalpistole an. Nach Anfang des Krieges entstand die doppelläufige "Flieger"-Leuchtpistole Modell L im Kal. 4 auch in der Eckoldt'schen Fabrik. Diese Waffen erhielten das Kürzel "ECKO". Im weiteren Verlauf des Krieges bekam die Waffenfabrik ein übliches Kürzel aus drei Buchstaben: "ojr".
Das Kriegsende bedeutete auch das Ende für diese Suhler Waffen- und Gewehrfabrik.
Die "Försterpatrone" 9,3 x 72 R
Um 1890 diente die englische .360 Express als Mutterhülse für eine ganze Anzahl von Patronen mit verschiedenen Hülsenlängen von 48 bis 82 mm Länge. Die bekannteste dieser Entwicklungen war die Patrone 9,3 x 72 R. Aufgrund der häufigen Verwendung bei Berufsjägern bekam sie den heute noch bekannten Beinamen "Försterpatrone". In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war sie eine der meist verwendeten Patronen in jagdlichen Kipplaufbüchsen, heute oftmals aufgrund ihrer ballistischen Leistungen belächelt.
Ihre überaus weite Verbreitung zeigt schon der Umstand, dass sie zu den ersten vier der sogenannten "normalisierten" Hülsen gehört: Aufgrund von minimalen Abweichungen in den Maßen der verschiedenen Hersteller konnte es vorkommen, dass Patronen unterschiedlicher Fabrikate nicht dem Patronenlager einer Waffe entsprachen und sich somit nicht verladen ließen.
1909 legte ein Konsortium von Firmen und Institutionen verbindliche Maße für die Hülse fest, diese wurde als 9,3 x 72 R NORM. bezeichnet. Die Maße der neuen Hülse wurden so gewählt, dass sich die Patronenlager der Waffen mit einer entsprechenden Reibahle auf die einheitliche Hülse ändern ließen. So geänderte Waffen unterlagen nicht einer erneuten Beschusspflicht, auch ein Reparaturbeschuss war nicht erforderlich.
Eine der typischen ursprünglichen Schwarzpulverlaborierungen war eine Ladung von 3,2 Gramm Schwarzpulver mit einem 16,7 g-Bleigschoss. Diese Kombination erbrachte eine v0 von rund 440 m/s. Recht schnell wurde die Patrone auf rauchloses Nitro-Pulver umgestellt. Es entstanden unzählige Pulver und Geschosskombinationen. Als gutes Beispiel kann ein Flachkopf-Kupfermantelgeschoss von 2,5 g Rottweiler Büchsen No. 5 genannt werden. Diese erreichte eine v0 von 614 m/s.
Typischerweise liegen die Energiewerte je nach Ladung bei 100 Metern um 1400 Joule. Eine Verwendung auf Hochwild scheidet daher aufgrund der sachlichen Verbote im deutschen Bundesjagdgesetz aus. Durch die moderne Entwicklung der Massivgeschosse ist es IMPALA EUROPE gelungen, eine Laborierung zu entwickeln, die bei einem Geschossgewicht von 11,7 g eine E100-Leistung von rund 2140 Joule erreicht. Allerdings sollte man auch diese Patrone nur bei einem einwandfreien technischen Zustand der Waffe verwenden.
Aufgrund der zylindrischen, großvolumigen Hülse ist das Wiederladen nicht unproblematisch. Um extreme Gasdrucksteigerungen mit modernen Nitropulvern zu vermeiden, sind Laborierungsdaten zwingend zu beachten. Der Gebrauchsgasdruck liegt bei niedrigen 1800 bar.
Problematisch ist die Geschossauswahl im klassischen Bereich. RWS, Premium-Hersteller von Jagdmunition, fertigte ein speziell für die Patrone 9,3 x 72 R angepasstes Teilmantel-Geschoss mit einem Geschossgewicht von 12,5 Gramm. Dieses Kaliber ist inzwischen leider auch von RWS als Fabrikpatrone nicht mehr verfügbar. Es gibt jedoch die passende Hülsen und Geschosse von RWS für Wiederlader im Angebot.
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