Praxistest: Jagdrepetierer Rößler Titan 6 mit modernem Kohlefaserschaft

Sicherung und Spannzustandsanzeige der Rößler Titan 6.
Der rote Signalpunkt am Sicherungsschieber und die rote Markierung am Schlagbolzen verraten, dass diese Rößler Titan 6 gespannt und entsichert ist.

Rößler Austria ist ein kleiner, familiengeführter Waffenhersteller, vor einem Vierteljahrhundert gegründet. Kern der heutigen Produktion in Kufstein ist die Repetierbüchse Rößler Titan 6, die Erich Rößler gemeinsam mit seinem Sohn Walter entwickelte. Die Baureihe Titan basiert auf einem aus Stahl gefertigten Zylinderverschluss mit 60-Grad-Öffnungswinkel, die Warzen verriegeln direkt im Lauf. Für den geringen Öffnungswinkel sorgt die Anordnung der Warzen. Bei der Rößler Titan 6 sind es drei Warzenpärchen, angeordnet jeweils in Doppelreihe. Die Auszieherkralle der Rößler Titan 6 sitzt in einer der drei oberen Verriegelungswarzen, der gefederte Ausstoßer findet sich im Stoßboden. 

Zwei Schrauben sorgen für die Klemmverbindung zwischen Systemhülse und Lauf. Für einen Kaliberwechsel braucht es dann im Idealfall auch nur das Ausschäften des Systems über die beiden Systemschrauben und das Austauschen der Läufe nach dem Lösen der Klemmverbindung. Ansonsten kommt halt wie üblich je nach Wechselkaliber noch ein passendes Magazin und eventuell auch ein entsprechender zweiter Verschluss hinzu. Und dann muss man freilich auch verschiedene Laufkonturen im Auge behalten: Ein bulliger Match-Lauf mit 19-mm-Mündungsdurchmesser wird nicht in einen für einen gertenschlanken Jagdlauf ausgestochenen Vorderschaft passen. Umgekehrt ginge es schon, aber dann bleibt halt viel Luft zwischen Schaft und Lauf. Die Schiebesicherung auf dem Kolbenhals blockiert Abzug, Abzugsstollen und den Verschluss. Hinsichtlich des Korrosionsschutzes hat der österreichische Hersteller jüngst nachgelegt: Die samtmatt keramikgestrahlten Läufe schützt nun eine Nitrierung vor Rost und Kratzern, die Leichtmetall-Systeme eine farblich passende Harteloxierung.

Konfigurator für die Rößler Titan 6 bietet mehr als 100.000 Kombinationsmöglichkeiten

Rößler setzt konsequent auf die individuelle Zusammenstellung der persönlichen Wunschwaffe nach dem Baukastenprinzip, über 100.000 Kombinationen sind möglich. Für den deutschen Kunden gilt hier beispielsweise: Er stellt sich seine Büchse mit dem Konfigurator auf der Rößler-Firmenseite zusammen – dort werden für alle einzelnen Komponenten auch die jeweiligen Listenpreise und Wartezeiten beziffert. Mit dem kompletten Angebot als Ausdruck geht er dann zum Waffenhändler seines Vertrauens. Dieser unterbreitet dann ein individuelles Preisangebot. Sind alle Seiten einverstanden, ordert der Händler die nach gusto konfigurierte Büchse über den Vertrieb des Fürther Unternehmens RUAG Ammotec. Laut Liste starten die Preise für eine Rößler Titan 6 bei etwas über 1.400,-  Euro. Das wäre dann ein Basismodell mit Direktabzug in einem gängigen Kaliber und einer üblichen Laufkonfiguration, ohne Visierung oder Mündungsgewinde, mit Dural-System sowie einem Abzugsbügel und Jagdschaft aus Kunststoff. Da geht aber auch mehr: Rößler fertigt die Systeme alternativ auch aus Stahl und als Linksversion, Details wie den Abzugsbügel gibt’s auch in Leichtmetall, den Magazinboden aus Stahl anstelle von Plastik, Picatinny-Schienen aus Dural oder Stahl, letztere auch mit Vorneigung.

Rößler Titan 6 mit entnommenem Magazin.
Drei Patronen in Standardkalibern passen ins Magazin, fünfschüssige Magazine gibt es für die Rößler Titan 6 als Option.

Allein bei den Schäften kann der Käufer sich aus 17 Typen das passende Exemplar heraussuchen, wahlweise eher sportlich oder jagdlich, Polymer, Holz in diversen Klassen, verstellbare Sportschäfte oder Chassis-Schäfte. Mehrere Optionen gibt es auch bei den Abzügen inklusive eines Rückstechers, dem Kammerstängel, bei Kimme und Korn und natürlich auch bei der Laufkonfiguration nach Kaliber, Länge, Durchmesser, Mündungsgewinde und diversen Sonderwünschen. Hier ist auch am ehesten mit (teilweise erheblich) längeren Wartezeiten zu rechnen. Die auch als Röwa bekannte Rößler Waffen GmbH versucht natürlich, die gängigsten Laufkonfigurationen und Kaliber lagernd vorrätig zu halten. Hat man sich aber beispielsweise festgelegt auf einen kannelierten 70 cm langen Lauf in 6,5-284 Norma mit 17-mm-Mündungsdurchmesser und Sonderdrall, dann muss man sich in Geduld üben. 

Was die Kaliberpalette betrifft: Rößler bietet eine reiche Auswahl auch an weniger gängigen Sorten, angefangen bei den kleinen Patronen wie .222 Remington und 5,6 x 50 Magnum bis hinauf zu Magnums wie 8 x 68 mm S und .375 Ruger. Wie sieht die Zusammenstellung im Einzelnen bei dem vorliegenden Testmuster aus? Diese 308er Rößler Titan 6 basiert auf einem Rechtssystem in Leichtmetall nebst Alu-Abzugsbügel, Standard-Kammerstängel und einem Feinabzug (hier auf 630 g justiert). Der Carbon-Schaft mit Daumenloch leistet seinen Beitrag zum niedrigen Gewicht, ebenso der dünne, kannelierte 510-mm-Lauf mit 16-mm-Mündungsdurchmesser und Mündungsgewinde. Als Schnittstelle für Optiken dient hier eine einteilige Picatinny-Schiene aus Leichtmetall, das einreihige Blechmagazin stellt die Standardversion mit Kunststoffboden für drei Patronen dar. Diese Konfiguration kostet freilich erheblich mehr als eine Basis-Rößler ohne jegliche Extras. Dabei entfällt der Löwenanteil der zusätzlichen Kosten gegenüber einer schlichter ausgestatteten Version im konkreten Fall auf den teuren Kohlefaserschaft und die Kannelierung des Laufes.

Blick auf die Verarbeitung und die Bedienung der Rößler Titan 6

Verschluss der Rößler Titan 6.
Sechs in zwei Reihen angeordnete Warzen am Verschlusskopf sorgen bei der Rößler Titan 6 für die Verriegelung mit einem Öffnungswinkel von 60 Grad.

Dass die Rößler Titan 6 schon ab einem sehr übersichtlichen Startpreis zu erstehen ist, sieht man dem Testexemplar nicht an. An der Büchse fanden sich keine kleinen Schmuddelecken, bei denen man sich denkt "eigentlich gehört das anders". Die Spaltmaße fielen fein und gleichmäßig aus, die Oberflächen wirkten allesamt sorgfältig überschliffen. Der Verschluss lief geschmeidig und ohne Hakeln in der Hülse, die Drei-Stellungssicherung rastete klar – und schwungvoll bedient auch gut hörbar. Für den geräuschlosen Betrieb brauchte es schon etwas Gefühl im Daumen, damit der Schieber einen Stellungswechsel nicht mit einem vernehmlichen Klicken kommentierte. Der Abzug punktete durch die trockene Charakteristik und das moderate Auslösegewicht. Wer anstelle des Direktabzuges einen Trigger mit Rückstecher bevorzugt, kein Problem. Und neuerdings werden auch die Rückstecher mit der Drei-Stellungs-Sicherung kombiniert, zuvor gab es hier nur eine Zweistellungs-Sicherung. Kleiner Abzug in der B-Note: Die dünne Gummischaftkappe und ihre Zwischenlage aus Kunststoff passten bei der vorliegenden Waffe nicht ganz perfekt an den Kohlefaserschaft. Keinerlei Probleme gab es beim Einsteckmagazin. Der Munitionsbehälter saß klapperfrei, fiel nach Druck auf die beiderseits des Systems angebrachten Entriegelungsknöpfe anstandslos aus dem Schacht und ließ sich leicht aufmunitionieren. Für Bewegungsjagden offeriert Rößler natürlich auch Magazine mit höherer Kapazität.

So schlug sich die Rößler Titan 6 mit Carbon-Schaft dem Schießstand

Carbon-Lochschaft der Rößler Titan 6.
An die Sicherung der Rößler Titan 6 kommt man trotz Daumenloch-Schaft gut heran. Der Schieber muss aber mit etwas Druck betätigt werden, sonst droht ein hörbares Klicken.

Funktionstechnisch traten keinerlei Probleme auf, wie von einem ausgereiften Repetierer mit Zylinderverschluss zu erwarten. Alle getesteten Munitionssorten wurden reibungslos zugeführt, sicher gezündet und die abgefeuerten Hülsen schwungvoll aus dem Auswurffenster geschleudert. Der leichte, trocken auslösende Direktabzug ließ ebenfalls keine Wünsche offen. Das in Relation zum Gewicht sehr gutmütige Schussverhalten überraschte die Tester. Rückstoß kann man berechnen, aber wie angenehm oder störend man ihn wahrnimmt, ist eine eher subjektive Angelegenheit. Und rein subjektiv schoss sich die ohne Zielfernrohr rund 2,6 Kilo leichte Büchse in .308 Winchester verblüffend angenehm, auch ohne den bei der Testwaffe mitgelieferten Schalldämpfer SK156 MKII von Hausken. Die .308 Winchester schob herzhaft, aber nie schmerzhaft in die Schulter. Möglicherweise tragen dazu auch die gut passende Schaftform und das Materialgefüge des Carbon-Schaftes ein bisschen bei. Aber der Rückstoß blieb gefühlt soft genug, dass wir auch mit den konventionellen Patronensorten mit schweren, ummantelten Bleigeschossen keinerlei Probleme hatten. Rein für den Schießkomfort müsste der Jäger bei dem Kohlefaser-geschäfteten Ultraleicht-Modell von Rößler nicht auf extraleichte Geschosse aus Kupfer oder Messing zurückgreifen und der Schalldämpfer schützte auf der hier getesteten Rößler Titan 6 in erster Linie das Gehör; für den reduzierten Rückstoß bräuchte es ihn hier nicht. Der Versatz der Trefferlage mit und ohne Schalldämpfer lag im Test bei rund sechs Zentimetern auf 100 Meter Entfernung in Seite und Höhe, mit montiertem Dämpfer wanderten die Gruppen nach rechts oben. An der guten Präzision gab es auch nichts zu kritisieren. Mit den beiden Laborierungen von Sellier & Bellot und Browning kam die Testwaffe zwar nicht so gut klar. Aber mit den drei anderen Munitionssorten waren Trefferbilder von drei Zentimetern und kleiner kein Problem, egal ob bleifreie Geschosse oder ummantelte Projektile. Den besten Streukreis lieferte die HIT Evo Green von RWS mit 23 Millimetern auf 100 Meter Entfernung ab.

Komplettansicht der Rößler Titan 6 Carbon.
Durch den schlanken, kannelierten Lauf in Verbindung mit dem Kohlefaserschaft wiegt diese Variante der Rößler Titan 6 mit Dural-Systemhülse nur rund 2,6 Kilogramm.

Technische Daten und Preis der Rössler Titan 6 mit Kohlefaserschaft

Modell:Rößler Titan 6 Carbon
Preis:2.999,- Euro
Kaliber:.308 Winchester
Kapazität:3 + 1 Patronen
Länge:1040 mm
Lauflänge:510 mm
Dralllänge:1:12" (305 mm)
Abzugsgewicht:630 g
Gewicht:2596 g
Links-/Rechts-
Ausführung:
Linksversion erhältlich
Ausstattung: 
Sechs-Warzen-Verschluss, Direktabzug, M14 x1-Mündungsgewinde, Picatinny-Schiene, kanellierter Lauf, Rohr titannitriert, Einsteckmagazin.

Unser Fazit zur Repetierbüchse Rößler Titan 6

Modern designt, präzise, sauber verarbeitet und je nach Zahl und Art der Sonderwünsche des Käufers durchaus moderat im Preis, macht die Titan 6 unter dem Strich einen ebenso praktischen wie hochwertigen Eindruck. Das besondere Schmankerl sind freilich genau die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten durch den Ausstattungskonfigurator, mit dessen Hilfe man sich seine Rößler Titan 6 individuell maßschneidern kann.


Diesen Testbericht finden Sie auch in der VISIER 12/2021. Dort sind auch alle Schießergebnisse (fünf Laborierungen) mit Vund Eim Detail enthalten. Das Heft gibt es im VS Medien-Onlineshop auch als e-Paper.

Mehr Informationen zur Rößler Titan 6 erhalten Sie auf den Seiten der Rößler Waffen GmbH.

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