Long Range Experience 2023 − deutsche Schützen schießen in Polen auf bis zu 1.000 Yards: WAIMEX erprobt dabei jagdliche Hybridwaffen und eine SL-Büchse 

Federführend organisiert wurde die Longe Range Experience 2023 von Alexander Skley, einem BDS-Schützen aus Berlin, zusammen mit Jan Kern vom Versandhandelsunternehmen Core Guns aus Mannheim. Geschossen wurde auf 300, 600 und 800 Meter sowie auf 1.000 Yards in unterschiedlichen Klassen. Daneben gab es noch ein Sidematch auf 100 Meter. Die Startplätze für dieses über www.steelmatch.de „als Training unter gleichgesinnten Longe Range-Schützen“ ausgeschriebene Event waren schnell vergeben, als man sich im September des letzten Jahres online anmelden konnte. Wir von all4hunters/all4shooters.com wurden von WAIMEX zu diesem „Trainingsschießen mit Wettbewerbscharakter“ eingeladen. Zusammen mit den Experten für Sport- und Jagdwaffen aus Fürth wollten wir dann auch wissen, ob man mit sogenannten jagdlichen Hybridwaffen bei den Sportschützen mithalten kann. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, bis auf welche Entfernung die Repetierer, die primär für den Jäger konzipiert wurden, sich auch im Matchbereich auf größere Distanzen einsetzen lassen und wie gut sie dabei in Sachen Präzision performen. Die Kandidaten für unsere Probe aufs Exempel:

Testkombi 1: Eine Repetierbüchse Howa 1500 im Kaliber .308 Winchester mit sandfarbenen GRS-Schaft des Typs Warg und dem Zielfernrohr Noblex NZ 6 Inception 5-30x56, das mittels der neuen 3D-Montage von EAW montiert wurde. Geschossen wurde mit der 185 Grains Lapua Mega, also einer reinrassigen Jagdpatrone mit Teilmantelgeschoss.

Testkombi 2: Eine Repetierbüchse Anschütz 1782 in .300 Winchester Magnum mit dem schwarzen Bifrost-Schaft von GRS und dem neuen Noblex NZ8 2,5-20x50 Inception Zielfernrohr. Ebenfalls mit einer Montage von EAW, hier allerdings mit der genau auf diese Waffe abgestimmten Aufkippmontage. Verwendete Munition: 190 Grains RWS Target Elite Plus. Eine bewährte, speziell für das Long Range schießen entwickelte Matchpatrone. Diese Waffen-Optik-Kombination wurde nach dem Schießen übrigens als einer der Hauptpreise unter allen Teilnehmern verlost, aber dazu später mehr.

Testkombi 3: Neben den Repetierern kam als drittes Waffen-Set-up ein G28 Z von Heckler & Koch in der Semi-Auto-Klasse zum Zuge. Das G28 Z ist die sportliche Zivilversion des bei der Bundeswehr im Einsatz befindlichen G28 DMR. Diese SL-Büchse ist ausschließlich im Kaliber .308 Winchester erhältlich. Der passionierte Long Range-Schütze und Jäger Simon Deffner aus Franken sollte für das ad hoc zusammengestellte Team WAIMEX/all4shooters hier die Kastanien aus dem Feuer holen. Als Munition kam auch bei dem G28 Z wieder die 190 grs RWS Target Elite Plus zum Einsatz. WAIMEX bietet das G28 Z auch in Kombination mit dem Zielfernrohr 3-20x50 PM II von Schmidt & Bender und einem darauf gesetzten Aimpoint Micro T-1 Rotpunktvisier samt Montage an. Diese HK G28 Z-Kombi kam in Polen „out of the box“, also ohne jegliche Veränderungen zum Einsatz.

Warum schießen wir mit jagdlichen Hybrid-Set-ups in Polen auf Entfernungen von 300, 600, 800 Meter und darüber hinaus auf 1.000 Yards?

Darauf gibt es zwei Antworten: Zum einen fehlt es in Deutschland an Möglichkeiten auf solche Entfernungen zu trainieren. Auf der anderen Seite möchten wir dem Jäger die Herausforderungen und Probleme aufzeigen, die mit dem Verlassen des GEE-Bereiches auftreten, wenn Wind, Ballistik, Mirage und der kleinste Schützenfehler zum Fehlschuss führen können. Natürlich schauen wir auch über den Tellerrand und berichten über die Long Range Experience 2023 als solches. Am Ende des Artikels finden Sie auch die Ergebnislisten und davor noch sehr interessantes Video zum überraschenden Ausgang dieses Weit-Distanz-Schießens...  

Wie schlug sich die Howa 1500 mit GRS-Warg und dem Noblex NZ 6 5-30x56 inception beim Longe Range Event?

Das Set-up für diese Waffe ist mit knapp 3.400,- Euro für System, Schaft und Zielfernrohr bewusst sehr günstig gewählt. Damit war es von vorne herein klar, dass es ggf. schwer werden würde, mit dieser Kombination präzise Schussgruppen weit jenseits der GEE (günstigste Einschießentfernung), die beispielsweise bei der verwendeten RWS Target Elite Plus bei 167 Metern liegt,  zu schießen. Hubert Bodächtel, der das Set-up zusammengestellt hatte, definiert den Bereich „Long Range“ ab dem Punkt, an dem der Schütze eine Haltepunktkorrektur zu seinem anvisierten Ziel vornehmen muss.

Bodächtel meint: „Schon ab 200 Meter wird es selbst für den geübten Jäger umso schwieriger einen waidgerechten Treffer anzutragen, wenn zusätzliche Einflussfaktoren wie Wind, Geschossabfall und die Bewegungscharakteristik von Wild berücksichtigt werden müssen“. Da das Thema Long Range Shooting immer mehr Fahrt aufnimmt, schiebt Bodächtel noch einen Satz hinterher: „Als Jäger sollte man die Möglichkeiten nutzen, seine Waffenkombination auch über den üblichen Bereich von ca. 100 Meter hinaus auszutesten. Dazu lohnt sich eine Reise auf einen 300-Meter-Stand allemal. Wer die Chance hat, sollte seine Schießfertigkeiten auch darüber hinaus gerne auch auf Entfernungen bis 1.000 Meter auf der Schießbahn sportlich ausreizen. Dann lernt man die vielen Einflussfaktoren, die beim Schuss auf weite Distanz auftreten kennen und lässt im Zweifelsfall auf Wild den Finger gerade.“

Die Howa 1500 mit dem Noblex NZ6 hatten wir zuvor auf 100 Meter „Fleck“ eingeschossen. Beim Einschießen wurden auf diese Entfernung hochpräzise 3-Schuss-Gruppen erzielt, die sich mit einem einzigen Schusspflaster abdecken ließen. Der starke Wind am Trainingstag 1 machte es jedoch schon auf 300 Meter zu einer Herausforderung mit dieser Büchse eine ordentliche Gruppe zu schießen. Schon da zeigte sich, dass die eigentlich nur für die Jagd konzipierten Lapua-Mega-Laborierung mit ihrem 185 Grains schweren Geschoss schnell an ihre Grenzen stößt.  Es war jedoch möglich − und mit etwas mehr Training und Zeit wären die Ergebnisse sicherlich auch besser geworden. 

Die Herausforderung begann also ab dem Bereich von 300 Metern. Auf 600 Meter konnten wir nach intensivem Training am ersten Tag, dann auch am Wettkampftag mit entsprechender Haltepunktanpassung eine brauchbare Gruppe schießen. Insgesamt 44 Punkte von möglichen 100 Ringen brachte unser Schütze in die Wertung. Das klingt jetzt erstmal wenig. Doch wenn man bedenkt, dass Schütze und Jagdwaffe erst das zweite Mal zusammen auf der Range waren, lässt dieses Ergebnis das Potential der Howa 1500 nach oben deutlich erkennen. Für uns war klar, dass man mit mehr Training und dieser Kombination aus günstiger Jagdwaffe und Zielfernrohr sportlich im Bereich von 300 bis 600 Meter durchaus mithalten kann. Irgendwann stießen wir dann doch an unsere Grenzen und das lag an vielen Faktoren. Zum einen hätten wir mit einer Montage mit Vorneigung das Potential des Zielfernrohrabsehens (BDC-Absehen) sicherlich besser ausnutzen können. Ab 600 Meter hatten wir den Höhenverstellweg des Zielfernrohrs voll ausreizt. Ab 800 Meter hatten wir keinen Haltepunkt mehr im Ziel und mussten „ins Blaue“ anhalten. Zum anderen wäre das Noblex NZ8 2,5-20x50 inception eine Alternative gewesen, das wir auf der Anschütz 1782 benutzen. Auf 800 Meter hätte es damit funktionieren können. Hätten wir dann auch noch ein schnelleres Geschoss eingesetzt wären wir absolut konkurrenzfähig gewesen. So blieb uns nur der Glückstreffer auf 800 Meter vom Trainingstag 1.

Unser Fazit zum Set-up: Jagdlich ist die Kombination aus Howa 1500 und Noblex NZ 6 Inception  5-30x56, nach entsprechendem Training, bis 300 Meter eine sehr gute Option, um damit fast alle jagdlichen sinnvollen Situationen in hiesigen Revieren abzudecken. Vom Handling her ist diese Waffen-Optik-Kombination für den Ansitz und die Pirsch uneingeschränkt geeignet und auch auf der Drückjagd profitiert man insbesondere von dem ergonomisch hervorragenden GRS-Warg-Schaft. Als Hybridwaffe für Jagd und Sport ist die Howa 1500 eine sehr gutes Basis für den Einsteiger. Durch entsprechende Tuningmöglichkeiten wie etwa Abzug oder Zweibein, kann man sie  auch soweit bringen, um im Bereich bis 1.000 Meter damit zu performen. Hier muss man dann aber auch auf Montage, Kaliberauswahl und letztendlich auf das Zielfernrohr schauen, um sich ein wettkampftaugliches Set-up zusammen zu stellen.

Welche Präzision brachte die Anschütz 1782 mit dem GRS-Schaft Bifrost und dem  Noblex NZ8 2,5-20x50 inception auf 1.000 Yards mit der RWS Target Elite Plus in .300 Win. Mag? 

Bei unserem Anschütz/Noblex-Set-up waren wir von vornherein der Überzeugung, dass wir damit auf der langen Bahn besser abschneiden würden als mit dem Howa-Set-up. Dafür sprachen vor allem das hier eingesetzte Kaliber .300 Winchester Magnum und das neue, sowohl für die Jagd und das Sportschießen, entwickelte Noblex NZ8 Zielfernrohr. Für knapp 4.000,- Euro erhält man hier ein preiswertes Gesamtpaket, das mit etwas mehr Training auch auf 800 Meter sehr gut performen würde. Und auch die ersten Schussgruppen auf 1.000 Yards ließen den Schluss zu, dass diese Waffenkombination mit Fug und Recht als Hybridwaffe bezeichnet werden kann. Wie immer spielen viele Faktoren eine Rolle, um auf so weite Entfernung verlässlich und wiederholgenau zu treffen. Einer der wichtigsten Punkte ist neben dem Gesamtpaket aus Waffensystem, Schaft, Montage und Optik die Auswahl von Kaliber und Geschoss. In unserem Set-up verwendeten wir die 195 grs RWS Target Elite Plus in .300 Winchester Magnum, die von Haus aus eine sehr gute Präzision liefert. 

Die jagdlichen Hybrid-Repetier Howa 1500 und Anschütz 1782 im  Vergleich mit dem halbautomatischen HK G28 Z von WAIMEX

Der Dritter im Bunde war mit Simon Deffner ein waschechter Sportschütze mit Schussbuch fürs Long Range-Schießen, der mit dem  G28 Z von Heckler & Koch in der Klasse "Semi Auto" mit 159 Ringen den vierten Platz erreichte. Ein Indiz dafür, dass auch eine Serienwaffe „out of the box“ in die Siegerränge führen kann, wenn der Schütze alle anderen Einflussfaktoren im Griff hat. Zugegebenermaßen handelt es sich hierbei sicherlich um ein absolutes Topmodel aus dem Bereich der Serienwaffen. Die UVP der Kombi liegt bei 11.500 €. Auch wenn im direkten Vergleich mit den jagdlichen Hybrid-Repetierern der Eindruck entstehen könnte, dass man mit dem halbautomatischen G28 Z besser trifft, muss man an dieser Stelle betonen, dass eine Vielzahl von Faktoren über Treffer auf 300, 600 und 800 Meter ausschlaggebend sind. Wir haben insgesamt 13 Punkte dazu ausgearbeitet, die wir Ihnen demnächst im Video zur Longe Range Experience 2023 nachreichen. 

Beachtliche Erfolge und überraschende Ergebnisse bei der Long Range Experience 2023 

Blickt man auf das Teilnehmerfeld, kann man zunächst den Eindruck gewinnen, „Long Range Shooting“ sei ein reiner Männersport. Frauen und Männer im Sport zu vergleichen ist mit dem Problem behaftet, dass, wenn es um die reine Physis geht, dieser Vergleich in der Regel immer hinkt. So ist es etwa für uns kaum vorstellbar, dass eine Frau jemals den Weltrekord im Sprint auf 100 Meter von Usain Bold einstellen wird. Überhaupt gibt es vergleichsweise wenig Sportwettkämpfe, wo Frauen und Männer im direkten Vergleich um Punkte, Zeiten oder Tore kämpfen können. An diesem Wochenende in Polen aber, wurden wir eines Besseren belehrt. Hier zeigte eine Schützin aus Berlin den Vertretern des „starken Geschlechts“, wo der Hammer hängt. Daniela Kroll lag am Ende in fast allen Kategorien vorn. In den Klassen „Magnum“ „Semi Auto“ und auf „1.000 Yards“ ließ sie den Männern keine Chance. In der Repetierer-Klasse trat sie nicht an. Als Krönung des Tages gewann Daniela Kroll dann bei der Tombola auch noch den zweiten der unter allen Teilnehmern ausgelosten Preise: Die Dreifachgewinnerin durfte sich auch noch über die von WAIMEX bereitgestellte Anschütz 1782 freuen. Den Hauptpreis, eine Jagdscheinausbildung, hatte Andreas Telm von der Jagdschule Berlin Brandenburg gesponsert. Diesen gewann dann eine andere Schützin. Die Frauen räumten an diesem Wochenende auf alle Fälle kräftig ab. Glückwunsch!

Daniela Kroll und ihr Teampartner Endru Holzhüter sind aktive Mitglieder des Schützenvereins Lichtenrade e.V, im BDS LV1, im BDMP und in der polnischen Schützenvereinigung Delta. Als Team „KrollHüter“ konnten sie schon den einen oder anderen Wettkampf gewinnen. Bei der Long Range Experience 2023 trat Kroll in drei Disziplinen an, die sie ausnahmslos gewann. Holzhütter belegte in der Klasse der Repetierer den zweiten Platz. Er bereitet für seine Teamkollegin die Munition vor und ist ein wichtiger Baustein ihres Erfolges bei der Long Range Experience 2023. Wen Sie wissen möchten mit welchen Waffen-Set-ups die erfolgreiche Schützin in Polen ihre Siege eingefahren und, warum auf allen ihren Büchsen ERATAC-Montagen aus dem Hause Recknagel zum Einsatz kommen, dann schauen Sie doch einfach einmal unser Video an.

Unser Fazit zur Premiere der Long Range Experience 2023

Einer der prägendsten Sätze der „Long Range Experience 2023“ war folgender: „Vom Applaus lernt man nicht. Das Negative ist wichtig und bringt dich voran“. So sprach Alexander Skley zu den knapp 150 Teilnehmern, nach dem die Ergebnisse feststanden. Jan Kern von Core Guns wollte als Mitveranstalter der „Long Range Experience 2023“ wissen, was man im Jahr 2024 besser machen könnte. Viel wird da nicht kommen, denn die Veranstaltung war professionell organisiert. Wenn auch so mancher Teilnehmer sich zwischendurch sicher über einen Imbisswagen gefreut hätte. Von unsere Seite − und da lehnen wir uns jetzt mal ganz stark aus dem Fenster − wäre eine weitere Klasse für Jäger mit jagdlich angepassten Zielen und Entfernungen sicher eine Bereicherung für die Longe Range Experience 2024. 

Fest steht und da waren sich alle Teilnehmer einig, dass mit der ersten Auflage der Long Range Experience in diesem Jahr ein besonderes Event geboren wurde, und das aus zweierlei Gründen: Zum einen fiel der Teamspirit der Veranstaltung angenehm positiv auf. Die Bedingungen für hohe Ringzahlen auf 300, 600 und 800 Meter sowie auf 1.000 Yards waren gut. Für Anfänger war der erste Trainingstag wichtig, um sich mit Haltepunkten, Windböen und Mirage vertraut zu machen. Zum anderen steht die Long Range Experience 2023 exemplarisch für einen besonderen Sport, der in Deutschland immer mehr Fans findet. Es ist also davon auszugehen, dass die Startplätze für das Jahr 2024 genauso schnell vergriffen sein werden, wie bei der diesjährigen Premiere des Events. Sie sollten sich also den Monat September 2023 schon mal vormerken, dann soll die Anmeldung für das Jahr 2024 starten.

Das Besondere bei der Long Range Experience 2023 war, dass sich Frauen und Männer auf Augenhöhe begegnen konnten und hier um das beste Ergebnis kämpften. Dass eine Frau den Männern bei der Premiere den Schneid abkauft, damit war nicht zu rechnen, zeigt aber dass hier auch das scheinbar schwache Geschlecht ganz, ganz vorne dabei sein kann. Wir drücken daher allen, die im nächsten Jahr wieder oder neu dabei sein wollen, die Daumen, dass sie einen der raren Startplätze ergattern können. Bei dem Event hat sich gezeigt, dass viele Long Range-Schützen auch zur Jagd gehen und das Thema Hybridwaffe daher topaktuell ist. Wir werden deshalb die Anschütz 1782 GRS für sie weiterhin im Auge behalten: Wie uns zu Ohren kam, möchte Daniela Kroll, die dreifache Siegerin der Long Range Experience 2023, die von ihr gewonnene Anschütz 1782 mit dem Noblex-Zielfernrohr jetzt ausgiebig testen und wird diese wohl künftig auch im Wettkämpfen einsetzen. Wir sind also gespannt, was Daniela Kroll aus aus ihrer neuen Anschütz 1782 mit dem Noblex NZ8 in Zukunft herausholen wird und bleiben für Sie am Ball.

Alle Ergebnisse der Long Range Experience 2023 in Walcz (Polen):