Erster Test: Der brandneue Geradezugrepetierer Haenel Jaeger NXT im Kaliber .308 Winchester

"Straight Pull Rifles", wie man Geradezug-Repetiergewehre international bezeichnet, erfreuen sich zur Zeit einer großen Beliebtheit, was die vielen Neuerscheinungen auf diesem Marktsektor belegen. Nachdem Savage Arms aus den USA die Impulse-Serie vorgestellt hat, betreten auch Beretta aus Italien mit der BRX1 und Haenel aus Deutschland mit der Jaeger NXT diese Arena. Dabei gibt es neben dem deutschen Platzhirsch auf diesem Gebiet in Form der Blaser R8/R93 ohnehin schon einige Vertreter dieser Spezies auf dem Markt wie beispielsweise: Browning Maral (Belgien), Heym SR 30 (Deutschland), Lynx TD15, Light Hunter und Target (Finnland), Merkel Helix (Deutschland), Rössler Titan 16 (Österreich), Steel Action HS/HM (Deutschland) oder Strasser RS 14 (Österreich). Bezüglich der drei Neueinsteiger verhält es sich so, dass Beretta die BRX1 aufgrund technischer Probleme zurückrufen musste. Berücksichtigt man weiterhin, dass US-Waffen oftmals nur spärlich den Weg nach Deutschland finden, dann hat Haenel mit der Jaeger NXT momentan einen gewissen "Heimvorteil". Kann der Hersteller aus Suhl ihn auch durch ein gelungenes Waffenkonzept nutzen?

Video: Auf facebook sehen Sie die Haenel Jaeger NXT im Schuss und beim Repetieren!

Haenel Jaeger NXT: Die nachhaltige Technik

Die rund 3,2 Kilogramm schwere Jagdbüchse mit Leichtmetall-Systemhülse, Drei-Warzen-Verriegelung, 52 Zentimeterlauf und Laminatschaft aus Birkenholz gefällt auf den ersten Blick. Alle Baukomponenten der NXT harmonieren im Erscheinungsbild miteinander und die Verarbeitung befindet sich hinsichtlich der Toleranzfelder und Oberflächenvergütungen der Metallteile auf einem hohen Niveau. Die Systemhülse mit integraler Picatinny-Schiene für die Optikmontage wird hartanodisiert, der Lauf Ilaflon-beschichtet und weitere stählerne Bauteile werden nitrocarburiert und schwarz oxidiert. Das sorgt für die gewünschte Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse und einen hohen Korrosionsschutz. Bei der Demontage der Haenel Jaeger NXT wurde der gute Eindruck bestätigt, denn es waren spielarme Toleranzen zwischen den Hauptbauteilen Schaft und System vorhanden. Großzügig dimensionierte Flächen an der Systemhülsen-Unterseite sowie ein massives Rückstoßschild leiten die Torsions- und Rückstoßkräfte in den Schaft ab. Abgerundet wird die solide Basis durch ein nachhaltiges, umweltbewusstes Gesamtkonzept sowie durch clevere Ausstattungsdetails. Der "FSC-Wood-Compoundschaft" besteht aus Holz von schnell nachwachsenden Birken. Den Schaft gibt es neben der Standardversion auch in einer DS-Ausführung, der in seiner Ergonomie für Jägerinnen oder kleingewachsene Waidmänner optimiert wurde. Punzierte Flächen am Pistolengriff und am Vorderschaft erhöhen die Griffigkeit. Allerdings zeigte sich bei unserer Testwaffe die Oberfläche des Schichtholzschaftes als empfindlich und sah schon nach vergleichsweise kurzer Erprobungszeit an den relevanten Kontaktstellen etwas abgegriffen aus. Hier wäre trotz aller Nachhaltigkeit ein weniger empfindliches Material eine willkommene Alternative. Selbst bei den Kunststoffteilen wie Abzugsbügel-Magazinschacht-Einheit und Magazin (mit einer Kapazität für fünf Patronen) setzt man auf nachwachsende Rohstoffe, denn sie bestehen aus einem Verbundmaterial aus Zellulose und Baumharz. 

Die "Grüne Philosophie" hinter der Jaeger NXT

Bei dem Materialkonzept der Haenel NXT geht es um Nachhaltigkeit und Schutz von Umwelt und Ressourcen, wie oben beschrieben. Interessant ist dabei auch die "Green Barrel"-Technologie des Laufes mit einer für bleifreie Jagdgeschosse optimierten Innenkontur, die in vielen Versuchsreihen ermittelt wurde. Nach Herstellerangaben soll dieses präzisionsfördernde Innenleben aber auch genauso gut mit herkömmlichen Bleigeschossen harmonieren. Anstatt des im Kaliber .308 Win. vorherrschenden 1-10“-Dralls ist der NXT-Lauf mit einem 1-12“-Drall (in .30-06 = 1-11“-Drall) ausgestattet. Hier hat man sich wohl für den längeren Drall entschieden, um die leichteren Kupfermassiv-Jagdgeschosse besser stabilisieren zu können. Das sollte man in der Praxis beachten und nur Geschossgewichte bis 170 Grains/11 Gramm verwenden, wobei wir in der Praxis mit der Hornady 178 Grains Precision Hunter mit ELD-X-Jagdgeschoss eine durchaus brauchbare 5-Schuss-Gruppe von 29 mm auf 100 Meter realisieren konnten.

Smart ausgestattet: Über diese Features verfügt die Jaeger NXT

Durchdacht zeigt sich die Ausstattung der Haenel Jaeger NXT auch im Detail. Der beidseitig bedienbare Magazinauslöser sitzt tief versenkt vor dem Magazin an der Schaftunterseite und kann seitlich verschoben werden, wodurch das Magazin gegen unbeabsichtigtes Auslösen und etwaigen Verlust gesperrt wird. Die mechanische "i-Sight"-Visierung mit Fiberglaseinsätzen, die das Auge beim flüchtigen Schießen schneller ins Ziel leiten, kann bei Bedarf einfach und bequem abgenommen werden. Natürlich besitzt der Lauf ein Mündungsgewinde für die Anbringung eines Schalldämpfers wie etwa dem von B&T aus der Schweiz stammenden Haenel JGR. Schnell abnehmbare Riemenbügel gehören ebenfalls zum Standard. Nach Herstellerangaben verspricht man für den Direktabzug ein Abzugsgewicht im 1.000 Gramm-Bereich. Das gemessene Abzugsgewicht unserer Testwaffe betrug 1.160 Gramm, womit man in der Praxis auch aufgrund der kultivierten Charakteristik durchaus arbeiten kann.

Jaeger NXT: Geradliniger Torsionsverschluss

Doch widmen wir uns nun dem technischen Kernstück der neuen Haenel Jaeger NXT in Gestalt des Geradezug-Zylinderverschlusses. Haenel bezeichnet ihn als Torsionsverschluss. Mit dem "Kickdown"-Kammerstängel bewegt man den Zylinderverschluss linear, wobei diese geradlinige Bewegung durch ein Kegelgetriebe automatisch in eine Drehbewegung umgewandelt wird, so dass der Verschlusskopf mit seinen drei Warzen in der korrespondierenden Kulisse des Laufes verriegelt. Darüber hinaus erfüllt der Kammerstängel aber auch die Funktion eines Handspanners. Denn die NXT wird erst gespannt, wenn man den Kammergriff in der vorderen Position bei verriegeltem Verschluss weiter nach vorne drückt. An der Kammerstängelwurzel erscheint dann als Signalgeber eine rote anstatt weiße Markierung, die anzeigt, dass die Waffe nun gespannt ist. Bleibt der Schuss aus, zieht man den Kammerstängel ein wenig zurück, wodurch die NXT wieder entspannt wird.

Die horizontale Drei-Positionen-Sicherung am Schlösschen ermöglicht in der linken Stellung das Entladen bei entspannter Waffe, in der mittleren Stellung mit roter Markierung ist die NXT feuerbereit und in der rechten Position wird die Kammer als Transportsicherung für Pirsch und Nachsuche gesperrt. In dieser Stellung kann die Haenel Jaeger NXT weder gespannt noch geöffnet werden.

Im Praxistest: Das leistet die neue Haenel Jaeger NXT

Der Repetier- und Spannvorgang in einem flüssigen Bewegungsablauf erfordert eine kurze Eingewöhnungsphase, lässt sich dann aber sicher und kontrolliert ausführen. Zieht man die Haenel Jaeger NXT stabil in die Schulter ein, sind allzeit schnelle, treffsichere Schussfolgen möglich. Hier kann das "Einspannen" mit dem Gewehrtrageriemen im Anschlag für noch mehr Stabilität sorgen. Mit dem entsprechenden Gegendruck der haltenden Unterstützungshand kann man der im Repetier- und Spannvorgang entstehenden Bewegung entgegenwirken und sie neutralisieren. Das haben wir auch im Trockentraining mit Dummypatronen ausprobiert.

Während unserer Erprobung kam es zu keinerlei Funktionsstörungen, wobei sich der Geradezugrepetierer auch hinsichtlich der Schussleistung nicht verstecken musste. Unsere Testwaffe war mit einer Dentler-Montage und einem ZEISS Conquest V6-Zielfernrohr 1,1-6x24 bestückt. Mit dem 52 cm langen, dünnen Jagdlauf mit 18 Millimeter Außendurchmesser und der zu Erprobungszwecken genutzten, nicht jagdlichen RWS 168 Grains Target Elite Plus konnten wir beispielsweise einen 5-Schuss-Streukreis von 18 Millimeter auf 100 Metern realisieren. Bei Nutzung eines leistungsstärkeren Zielfernrohrs wären die Schussgruppen unter Umständen noch etwas weiter geschrumpft.

Technische Details und Preis der Haenel Jaeger NXT

Test-Fazit von all4shooters zur Haenel Jaeger NXT

Vor allem auch Jungjäger wird es freuen, dass neben "dem" etablierten Geradezugrepetierer Blaser R93/R8 nun auch preisgünstigere Alternativen von namhaften Großserienherstellern auf dem Markt erscheinen, die in Sachen Technik durchaus viel zu bieten haben. Dies beweist die Haenel Jaeger NXT mit technisch innovativen Detaillösungen, die, sieht man einmal von dem wirklich empfindlichen Schaft aus Woood-Compound-Material ab, durch ein ausgewogenes Preis-/Leistungsverhältnis überzeugen kann. Der Geradezugrepetierer ist ein praxisnah gestaltetes Revierwerkzeug für Pirsch und Ansitzjagd, der gerade auf Bewegungs- und Drückjagden seine Vorteile der schnellen Handhabung und Schussbereitschaft voll ausspielen kann. Der Preis beträgt aktuell 2.099,- Euro. 

Extra-Interview: Praxis-Erfahrungen zur Haenel Jaeger NXT von Förster Alexander Ahrenhold (@adventure_is_outside)

all4hunters.com konnte den Förster Alexander Ahrenhold zu seinen Praxis-Erfahrungen mit dem neuen Geradezugrepetierer Haenel Jaeger NXT befragen. Welchen Eindruck er bereits von der Büchse gewinnen konnte, lesen Sie in unserem Kurzinterview von Matthias Haack.

all4hunters.com: Was denken Sie zum Gesamteindruck der Waffe (was finden Sie besonders gelungen)?

Alexander Ahrenhold: Eine Waffe ist für mich als Förster ein Gebrauchsgegenstand, von dem ich Zuverlässigkeit, Präzision und auch Unempfindlichkeit erwarte. Sie muss in jeder Situation zuverlässig funktionieren. Die NXT ist eine weder billig noch eine im puren Luxus designte Waffe. Eine Waffe für Macher, die jagen, um Beute zu machen. Die NXT ist schlicht gehalten, was mir sehr gefällt. Der Compoundschaft wirkt robust und hat aus meiner Sicht keine besonders anfälligen Bereiche. Das gefällt mir. Nehme ich sie in den Anschlag ist ein etwas steiler Pistolengriff zu spüren. Die Hand liegt so ergonomischer an der Waffe, wie ich es von der Jaeger 10 kenne. Der Abzug ist schön breit gehalten und fühlt sich ebenfalls gut an. Wenn es zum Repetieren kommt, habe ich echt Spaß mit der Waffe. Neuartig ungewohnt, aber funktional lässt sich die Waffe gut bedienen.

Meiner Erwartungen an die NXT wurden erfüllt und ich habe ausschließlich diese Waffe - als Langzeittester vor Markteinführung -  in den letzten 8 Monaten zur Jagd geführt.

a4h: Was halten Sie vom Abzug der NXT? 

Ahrenhold: Der Abzug ist schön breit gehalten und gibt ein angenehmes Feeling. Gerade bei Distanzschüssen ist dieser Abzug gut zu bedienen. Auch beim dynamischen Schießen auf der Drückjagd lässt der Abzug keine Wünsche offen. Er kommt sauber und klar. Der Schuss bricht sauber und klar. Der Abzug geht nicht zu filigran, ist aber auch nicht schwergängig.

a4h: Der Verschluss und das Repetieren. Ist ihrer Erfahruing nach ein schnelles Repetieren mit der NXT möglich? 

Ahrenhold: Das Repetieren ist anders als ich es von Geradezugrepetierern gewohnt war. Nach dem ersten Schuss ist zunächst einmal die Waffe entspannt. Schiebe ich den Kammerstängel wieder nach vorne, muss ich den Kammerstängel weiter nach vorne durchdrücken. Im Jagdgebrauch ist da aber wenig Unterschied zu spüren. Der erste Schuss ist gelöst und die zweite Patrone soll möglichst schnell im Patronenlager landen. Die Bewegungen sind dadurch schnell und kraftvoll, sodass das extra Spannen der NXT nicht ins Gewicht fällt. Bei Trockenübungen merkt man schon den Unterschied. Für die Einzeljagd ist es gut, dass die Waffe nicht automatisch wieder gespannt ist. Das ist für mich ein Sicherheitsfaktor. Schnelles Repetieren ist kein Ding und funktioniert gut, ohne dabei die Waffe im Anschlag großartig zu verreißen. So sitzt der zweite Schuss schnell dort wo er hin soll.

a4h: Wo sehen Sie als Praktiker den Haupteinsatz der Jaeger NXT? 

Ahrenhold: Ich habe bereits Einzelansitze, Drückjagden, Nachtjagd und Pirschjagden mit der NXT durchgeführt. Schwarzwild (mehrere aus einer Rotte), Muffelwild, Rehwild, Rotwild, Damwild und einen Fuchs mit der NXT geschossen. Die Präzision ist in Kombination mit der bleifreien GECO Star in Kaliber .30-06 und dem Haenel Schalldämpfer überragend. Die NXT ist meine präziseste Waffe und das seit dem ersten Schuss. Die Waffe ist zuverlässig, sehr schnell und robust/unempfindlich. Für mich eine klare Allround Waffe, die aber ihre größten Stärken auf der Drückjagd ausspielen kann. 6 Schuss (5+1), schnelles Repetieren und sauberes Mitziehen sind mit der Waffe ein Vergnügen. Wer eine Waffe zum Schießen braucht, die er 365 einsetzen kann, der wird mit der NXT einen tollen Begleiter haben. 

Mehr von Alexander Ahrenhold erfahren Sie auf seinem Instagram-Kanal: @adventure_is_outside

Weitere Informationen zur Haenel Jaeger NXT gibt es auf den Seiten von C.G. Haenel.