GermanGunWorks, ein Unternehmen mit Sitz in Albstadt auf der Schwäbischen Alb, arbeitet seit über einem Jahrzehnt explizit am Umbau von Schusswaffen. Der Grundstein dafür wurde aber bereits 1987 gelegt: Sei es die Anfertigung von Museumsmodellen oder von Prototypen für die Rüstungsindustrie, GermanGunWorks sieht keine Probleme, sondern nur die geeignete Lösung. 2013 erweiterte das Unternehmen das Portfolio um einen Handelsbereich für Endkunden. Mit diesem Schritt rückte das bisherige Hauptaugenmerk auf Waffenumbauten etwas in den Hintergrund. Durch eine Umstrukturierung konnte sich die GermanGunWorks als eigenständiges Unternehmen 2020 aufstellen. Seitdem verwirklichen die Tuner und Experten wieder das, was sie am liebsten tun: Getreu ihren eigenen Grundsätzen nach bestem Wissen, Ge- und Fachwissen beraten, auch wenn die ehrliche Meinung vielleicht unbequem erscheinen mag und nicht nur den Kunden gegenüber, sondern auch innerhalb der Firma, mit großer Transparenz zu arbeiten.
Aus der Redaktion wurde der Testerin "der Widder" angekündigt. Aber was um Himmels Willen sollte das sein? Der Begriff Widder steht zum Beispiel für männliche Schafe, für ein astronomisches Sternbild und ein Tierkreiszeichen, es gibt eine altägyptische Gottheit mit diesem Namen, eine Kaninchenrasse und die militärische Version eines VW-Transporters T5. Bleibt man in der Astrologie, wird ein Widder als dynamisch, extrovertiert, selbstbewusst, zielstrebig, mutig, ehrgeizig und visionär beschrieben. Das zugehörige Element ist das Feuer. Als Schwächen eines Widders werden die Attribute impulsiv, aggressiv, unberechenbar und stürmisch aufgeführt. Was sich beim Blick in den Waffenkoffer offenbarte, war tatsächlich sehr eindrucksvoll. So etwas hatte die Testerin noch nie gesehen oder anfassen dürfen, oder auch nur gewusst, dass so etwas existiert: Eine Waffe in einem, frei nach Loriot fröhlichen Mausgrau kam zum Vorschein – grundsätzlich mal nichts Außergewöhnliches. Aber das restliche Design erschien im ersten Moment außerordentlich exzentrisch, fast ein wenig bizarr. Das war mal was ganz anderes! Eine weitere Premiere war die Mitteilung, dass diese Waffe nicht auf dem Schießstand getestet werden durfte, da es hier sich um eine nagelneue Ausstellungswaffe handelt, die bislang noch keine Messe gesehen hat.
GermanGunWorks "Widder": Das ist die Basiswaffe Unique Alpine JPR-1 Nordland Scout
So beschränken wir uns bei dieser Waffe auf die Oberflächlichkeiten – im wahrsten Sinne des Wortes. Wohlan, ans Werk: Der Widder ist ein Gemeinschaftsprojekt von GermanGunWorks, GnClay, Unique Alpine, Spuhr, Cerakote, PBN Coatings, Sierra Weapon Coating und Harris. Als Grundwaffe fungiert das Modell JPR-1 Nordland Scout von Unique Alpine. Die Waffen des Erdinger Herstellers wurden in unterschiedlichen Ausführungen schon vielfach bei all4shooters.com und all4hunters.com getestet und haben immer durch Präzision und Leistung überzeugt.
Die JPR-1 Nordland Scout kann in der Basisversion sehr gut als Jagdwaffe wie auch sportlich genutzt werden. In der Grundausstattung besitzt der Repetierer einen GRS-Schaft. Dessen Wangenauflage ist mittels eines Druckknopfes in der Höhe verstellbar. Die Länge des Hinterschaftes kann ebenfalls per Knopfdruck an den Benutzer angepasst werden. Die zur Verfügung stehende Kaliberpalette umfasst .243 Winchester, 6,5 Creedmoor, 6,5 x 47 mm Lapua und .308 Winchester. Der Käufer kann zwischen den Lauflängen 16,5, 20, 24 und 26 Zoll wählen. Der Druckpunktabzug ist zwischen 900 und 2.500 Gramm verstellbar. Die Nordland Scout ist mit einem Match-Lauf ausgestattet, dessen Mündung Unique Alpine mit einem 5/8-24-Gewinde versieht. Hier kann wahlweise ein entsprechender Schalldämpfer oder eine Mündungsbremse aufgeschraubt werden. Über dem Lauf thront eine lange NATO-Schiene (STANAG 4694, kompatibel zu Picatinny). Diese bietet genügend Platz und Halt für sämtlichen Schnickschnack wie etwa Vorsatzgeräte. Unique Alpine verspricht eine Präzisionsgarantie von einer Winkelminute und verschickt jede Büchse mit einem entsprechenden Beleg des Schussbildes an den Kunden. Die Testerin selbst durfte sich von der Leistung der bayrischen Waffenschmiede in Form einer JPR-1 Highland im Kaliber 6,5 Creedmoor in einem früheren Test überzeugen. Hier konnten wir auf dem Schießstand Streukreise mit Munition von unterschiedlichen Herstellern im Bereich von 9 bis 22 Millimeter erreichen. Unique Alpine setzt auf eine Drei-Stellungs-Sicherung, die auf den Schlagbolzen wirkt. Der Drei-Warzen-Verschluss besitzt einen Öffnungswinkel von 60 Grad. Der Primärauszug wirkt Hülsenklemmern entgegen und hilft zugleich bei einem störungsfreien und geschmeidigen Repetiervorgang. Je nach Repetiergeschwindigkeit fliegt die Hülse entweder aus dem Auswurffenster oder fällt dem Benutzer gemächlich entgegen. Dies wird durch den fest mit dem System verbauten Ausstoßer erreicht. Die Auszieherkralle hält die Hülse dafür so lange fest, bis der Ausstoßer zum Tragen kommt. Die Preise der Basiswaffe starten ab etwa 2.300,- Euro, das ist ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Der Schalldämpfer auf dem Projektbau von GermanGunWorks stammt ebenfalls von der Erdinger Waffenschmiede. Der 500 Gramm schwere Edelstahldämpfer besitzt ein Innenleben aus Titan und dämpft etwa 25 dB. Soweit zum Fundament dieses Gesamtwerkes. Als weitere Ruderer im Boot setzt GermanGunWorks auf die Hersteller Harris und Spuhr. Das S-BRM-Zweibein von Harris hat Klasse und Format. Es ist nicht besonders filigran, erfüllt einfach seinen Zweck und ist dabei robust und zuverlässig. Mehr muss ein Zweibein ja auch eigentlich nicht können.
Farben der GermanGunWorks Widder: Cerakote
Der schwedische Hersteller Spuhr beteiligt sich an dem Projekt mit der Zielfernrohr-Montage SCP-3022. Dank deren ISMS-Schnittstelle auf dem vorderen Montagerring kann hier weiteres Zubehör befestigt werden. PBN Coatings ist der Generalimporteur für den Keramiklack Cerakote in Deutschland und unterstützt GermanGunWorks bei dem gemeinschaftlichen Vorhaben Widder. Bei den Farben des Widders handelt es sich um "213 Battleship Grey" und "214 Bull Shark Grey". Beide Farben finden sich in der H-Serie des Herstellers. Bei Cerakote handelt es sich um einen Zwei-Komponenten-Keramiklack, der nach dem Auftragen zusätzlich noch in einem Ofen eingebrannt wird. Hier betritt Sierra Weapon Coatings die Bühne. Wer glaubt, dass man mal eben ein bisschen Lack draufpinselt und die ganze Chose dann im Ofen gar backt, irrt gewaltig. Im Vorfeld muss alles sorgsam vorbereitet werden in Bezug auf die Zerlegung der Waffe in ihre Einzelteile, der Oberflächenbehandlung, dem Entfetten und Strahlen der Teile, um so den perfekten Untergrund zu erzielen, auf dem der Keramiklack einwandfrei hält. Kunst kommt ja bekanntlich von Können und es bedarf schon einer großen Menge an Können, ein gasgefülltes Zielfernrohr mit einem Lack zu versehen, der in einem Ofen eingebrannt werden muss, ohne hinterher einen Haufen Scherben auskehren zu müssen.
Das Felsdesign an der Repetierbüchse GermanGunWorks Widder
Das markanteste Merkmal des Widder-Projektes ist freilich das Felspanorama auf dem Schaft sowie dem Zielfernrohr. Diese 3D-Optik wurde durch die von GermanGunWorks entwickelte Zwei-Komponenten-Modelliermasse namens GnClay erzielt. Die Masse ist lufttrocknend und schrumpft dabei nicht zusammen. Eine Bildung von Rissen wurde ebenfalls nicht beobachtet. Die Substanz ist nach Aushärtung wasserfest, sehr kompakt und stabil. GnClay zeichnet sich durch eine Hitzebeständigkeit von bis zu 200 Grad Celsius aus, ist aber nicht brennbar. Eine Kältebeständigkeit besteht bis zu -30 Grad. Die Modelliermasse haftet nicht nur auf sich selbst, sondern auch an Metall, Holz, Stein, Kunststoff, Keramik und Fiberglas. Als Grundfarben sind Weiß, Schwarz, Grau, Grün und Braun verfügbar. Die eingefärbten Grundmassen können gemischt und nach etwa 24 Stunden Aushärten lackiert werden. Nach Austrocknung und Aushärtung ist das GnClay sehr schockresistent und eignet sich entsprechend für die Verwendung unter extremen Bedingungen. Derzeit ist die Verarbeitung der Modelliermasse noch sehr aufwendig. Es fehlt an Investoren und Kapital, um dieses 3D-Verfahren der breiten Masse zugänglich zu machen. Im Moment kann man seine Waffe nur exklusiv bei GermanGunWorks damit schmücken lassen. Und warum auch nicht, Schönheit liegt ja immer im Auge des Betrachters! Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass irgendjemand diese Plastikschäfte einem schönen, mit aufwendiger Fischhaut verzierten Holzschaft vorziehen würde? Und dann diese Farben: Wenn es schon eine sein muss, dann bitte doch schwarz, bestenfalls noch dunkelbraun. Und all das schlicht und dezent, bitte auch kein Muster.
Doch all diese Möglichkeiten gibt es seit eh und je. Warum soll man nicht auch die Wahl haben, mittels des GnClay die Oberfläche der eigenen Waffe perfekt auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen? War die Modifikation von Waffen bisher nur durch einen Büchsenmacher möglich und zog in vielen Fällen einen Neubeschuss nach sich, würde letzteres bei reinen Veränderungen der Waffenoberfläche entfallen. Selbstverständlich ist die Modellierung von Oberflächen auch für den militärischen Bereich unglaublich interessant. Hier steht nicht die Verschönerung im Vordergrund, sondern vielmehr die Tarnung. Dank der hervorragenden Knet- und Modelliereigenschaften können sehr natürliche Nachbildungen und Formen verschiedenster Oberflächen realisiert werden. Und wie bereits erwähnt, besteht die Option, die Muster und Formen zusätzlich zu lackieren. Das minimiert den Rückstrahlwert und unterbricht die Konturen. Als i-Tüpfelchen zieren den Widder kleine Laser-Gravuren. Man findet sie in Form des Logos auf einer Platte rechts auf dem Hinterschaft oder als kleines Edelweiß auf dem Zielfernrohr.
Fazit: Unser Gesamteindruck zu der Widder auf Basis der UA JPR-1
Der Widder ist als Gesamtkunstwerk zu verstehen. Das Konzept wurde stringent durchgezogen und mit kleinen Details unterstrichen. Die Felsformationen sollten nicht rein dekorativ auf der Waffe platziert werden. Im Gegenteil sollten sie die Funktionalität nicht beeinträchtigen, sondern eher noch unterstreichen. Ganz konkret zum Beispiel bei der Ausformung des Pistolengriffes: Auf den ersten Blick sieht es einfach nur massiv aus, beim Anfassen spürt man aber, wie Raum für die einzelnen Finger herausgearbeitet wurde. Für die Hand der Testerin im konkreten Fall viel zu massig, aber das kann nicht als Nachteil angekreidet werden. Nach diesem Muster wurde auch an der Unterseite des Vorderschaftes verfahren. Im ersten Moment wirkt es einfach irgendwie felsig, doch hält man das Gewehr in der Hand, dann fühlt man sofort, wie die Waffe liegen muss. Bei dem Widder hat sogar das Zielfernrohr Steinschlag abbekommen. Laut GermanGunWorks wurden acht Farbschichten in unterschiedlichen Techniken aufgetragen, damit das Ergebnis besonders realistisch wird. Bis zum fertigen Produkt brauchte es etwa zehn Stunden Arbeit und zirka 300 Gramm GnClay.
Wie heißt es so spitzzüngig: Ist das Kunst oder kann das weg? Was will uns der Künstler damit sagen? Die Autorin hatte immer gedacht, dass sie Neuem gegenüber offen eingestellt sei, aber der Widder hat sie anfangs überfordert. Doch je länger man die Waffe ansieht, umso mehr kleine Details fallen ins Auge, die mit der groben Schale einen weichen Kern beschützen. Das zarte kleine Edelweiß, die monströse Struktur, die sich gar nicht unbequem anfühlt oder störend ist, der Widder-Schriftzug, der im "W" nochmals die stilisierte Silhouette der Berge darstellt. Alles passt zusammen und ergibt eine Einheit. Besonders gut gefällt die Harmonie von Gewehr und Schalldämpfer. Die schlanke Gesamterscheinung des Schalldämpfers bricht das grobschlächtig anmutende, unruhige Äußere der Waffe. Die kleinen, roten Farbtupfer des Abzugszüngels, des Logos von Unique Alpine auf der Unterseite des Magazins sowie auf dem Verschluss symbolisieren das Alpenglühen und setzen einen Akzent zu dem Grau in Grau. Schade, dass die Waffe nicht auf dem Schießstand im praktischen Einsatz zeigen konnte, was die JPR-1 zu leisten imstande ist. Aber vielleicht ergibt sich nochmal die Gelegenheit. GermanGunWorks hat mit diesem Projekt aufgezeigt, was in Zukunft möglich ist – sei es für den jagdlichen, sportlichen als auch für den dienstlich-militärischen Bereich. Das Konzept Widder entspricht den eingangs erwähnten, astrologischen Eigenschaften. Es ist visionär und mutig und sicherlich nicht der Geschmack von jedermann. Aber das muss es ja auch nicht, das wäre ja furchtbar langweilig. Und wer will das schon sein?
Modell: | GermanGunWorks Widder |
Preis: | Einzelstück |
Kaliber: | .308 Winchester |
Kapazität: | 10+1 Patronen |
Länge: | 910 Millimeter |
Lauflänge: | 419 Millimeter (16,5") |
Dralllänge: | 1:12" |
Abzugsgewicht: | 900 - 2500 Gramm |
Gewicht: | 4.500 Gramm |
Links-/Rechts Ausführung: | Rechtsausführung |
Ausstattung: Match-Lauf, Schalldämpfer, Mündungsgewinde 5/8-24 UNEF, einstellbares Abzugsgewicht, Primärauszug, 60-Grad-Öffnungswinkel des Verschlusses. |
Dieser Beitrag stammt aus der Visier 03/2022. Sie können das Heft – auch als Digitalausgabe – ganz bequem im VS Medien-Onlineshop bestellen.