Diese zweiläufigen Büchsen besitzen eine für Jäger magische Anziehungskraft. Eigentlich braucht man sie nicht, aber, Gott sei Dank, besteht das Leben ja nicht nur aus Dingen, die man braucht. Und wenn man eine dieser edlen Büchsen besitzt, deren Läufe gut zusammenschießen und mit der man regelmäßig trifft, wird man sie lieben und sich auch nicht mehr von ihr trennen wollen.
Doppelbüchse als Lebensversicherung
Auch oder besonders bei der Großwildjagd in Afrika erweist sich eine Doppelbüchse mit dem sofort zur Verfügung stehenden zweiten Schuss als eine feine Sache. Mehr noch: Bei der Jagd auf Büffel etwa kann der zweite schnelle Schuss gelegentlich sogar lebensrettend sein. Doch bei zwei Doppelbüchsen, einer für Drückjagden in heimischen Revieren und einer für Afrika, kommt unweigerlich ein hübsches Sümmchen zusammen. Das lässt manchen Waidmann zögern. Die .375 Flanged Magnum Nitro Express, also die Randversion der .375 Holland & Holland Magnum-Patrone, bietet hier vielleicht eine Alternative.
Mit rund 5.200 Joule Mündungsenergie liegt die „Flanged“ in der Leistung nur geringfügig unter ihrem randlosen Pendant, aber mehr als zehn Prozent über der 9,3 x 74 R. Die Büchse müsste also auf Drückjagden in Europa zu beherrschen sein und bei sauberem Schießen auch Großwild in Afrika sicher zur Strecke bringen. Für die Jagd auf Dickhäuter liegt die Patrone aber an der unteren Leistungsgrenze, und für Weitschüsse im offenen Gelände ist die Doppelbüchse das falsche Gewehr.
Mancher fragt sich nun, warum nicht die etwas stärkere randlose 375er Variante gewählt wurde. Aber es spricht doch einiges gegen randlose Patronen in Kipplaufwaffen (und Blockbüchsen):
„Bei festsitzenden Hülsen - und das passiert gelegentlich im heißen, staubigen Afrika - stellen die filigranen Auszieherkrallen, die in die Rillen der randlosen Patronen greifen, einen gefährlichen Schwachpunkt dar“, weiß VISIER-Tester Andreas Rockstroh aus eigener Erfahrung zu berichten. „Zweimal habe ich schon beobachtet, wie die Auszieher beim Öffnen so beschädigt wurden, dass die Hülsen im Patronenlager stecken blieben. Einmal bei einer Büffelnachsuche, kein Spaß also! In Doppelbüchsen gehören nach meinem Dafürhalten also Randpatronen, die sicher ausgezogen beziehungsweise ausgeworfen werden“, so Rockstroh weiter.
Unser Testkandidat
Da er schon einmal vor 15 Jahren eine KRIEGHOFF „Big Five“ erfolgreich in Kamerun geführt hatte, sollte es wieder dieses technisch gut bekannte Modell sein. Zu den Stärken der 104 Zentimeter langen Big Five im Test zählen ein fest verlötetes 60-cm-Laufpaar mit sehr guter Schussleistung. Zudem gestattet es die Handspannung, die Büchse im Busch geladen sicher zu führen. Überdies rangiert das Universal-Abzugssystem an der Spitze der besten Trigger, die bei Doppelbüchsen überhaupt zur Verfügung stehen.
Der Plan für diesen Langzeittest: Ausführliche Erprobung auf dem Schießstand, Führen der Waffen im Herbst und Winter auf Drückjagden, bei der Tagespirsch auf Hochwild sowie Einsatz der Doppelbüchse möglichst auf Großwildjagden in Afrika.
Zu Letztgenanntem kam es diesmal leider nicht. Die Idee fiel bei KRIEGHOFF auf fruchtbaren Boden. Anfang Oktober 2012 lieferte die in Ulm ansässige Waffenschmiede die Büchse. Oben drauf saß ein mittels Brückenschwenkmontage angebrachtes LEICA Magnus 2-10 x 42 - ein Zielfernrohr für den universellen Einsatz.
Die Testwaffe: KRIEGHOFF Doppelbüchse Classic "Big Five"
KRIEGHOFF schickte eine besonders edle Variante: Schaft aus Wurzelmaserholz und von Hand gestochene Tierstückgravur. Diese zeigte links das Portrait eines Leoparden, rechts das eines Löwen und unten das einer Pferdeantilope oder Roan. In dieser Ausführung schlägt die Büchse allerdings einschließlich Zielfernrohr und Montage mit 17.000 Euro zu Buche.
Die KRIEGHOFF Doppelbüchse im Praxistest:
Gut gefielen der griffige Biberschwanz-Vorderschaft und die perfekt stehenden Abzüge der Büchse. Bei der Testwaffe löste der vordere Abzug für den rechten Lauf bei 2,1 Kilo und der hintere für den linken Lauf bei 2,5 Kilo aus. Der vordere Trigger besitzt ein Rückgelenk, um geprellte Finger zu vermeiden. Die Büchse mit ihrer 15 Millimeter starken Gummischaftkappe lag nach einigen Anschlagübungen gut. Auch die offene Visierung mit klassischer, offener Express-Kimme und Stahl-Perlkorn konnte dabei überzeugen.
Plastikkorne, die man gelegentlich auch auf Großwildbüchsen findet, sind nichts für den harten Einsatz! Die Brückenschwenkmontage für das Zielfernrohr ist sicherlich robust und praktisch zu handhaben, einen Schönheitspreis gewinnt sie aber nicht. Vielleicht wäre die Ziegler-Einhakmontage hier eine stabile und ästhetisch gelungene Alternative.
Nach telefonischer Kritik an nicht abnehmbaren Riemenbügelösen kamen die gewünschten am nächsten Tag prompt per Post. Bei Drückjagden und Pirsch oder Nachsuche im unübersichtlichen Gelände besonders auf gefährliches Wild empfiehlt es sich, den Gewehrriemen abzunehmen. Zu groß ist die Gefahr, sich im entscheidenden Augenblick mit dem Riemen im Gebüsch zu verheddern. Einige afrikanische Berufsjäger lehnen übrigens Handspannsysteme bei ihren Backup-Büchsen ab. Sie vertreten die Meinung, dass sich die Handspannung in kritischen Situationen, wie etwa dem Angriff eines kranken Büffels im Dickbusch oder dichten Elefantengras, nicht schnell genug betätigen lässt.
Mit Selbstspanner-Büchsen und Schiebesicherung sei man ihrer Ansicht nach schneller schussfertig. Andere Professional Hunters wiederum teilen diese Meinung nicht und bevorzugen den sicheren Cocking Slide an ihrer Side-by-Side Double Rifle.
Als die Büchse ankam, fehlte die Zeit für die lange Fahrt zum Schießstand. Daher ging es zunächst kurz ins Revier. Nach einem Doppelschuss auf 70 Schritt Distanz vom Hochsitz aus sahen die Einschüsse durch das Zielfernrohr bei achtfacher Vergrößerung aus wie einer. Doch es waren zwei, perfekt drei Zentimeter hoch und nur 1,3 cm auseinander. Um sich ein Bild vom Warmschussverhalten der Büchse zu machen, folgte ein kurzer Spurt zurück zum Hochsitz, und keine drei Minuten nach der ersten Doublette das nächste Schusspaar: 6,5 cm über dem Zielpunkt und sechs Zentimeter auseinander, aber auf derselben Höhe. Top-Ergebnisse, zumal unter Revierbedingungen und kurzer „Sprinteinlage“ auch eine leichte Schützenstreuung nicht auszuschließen ist.
Als erste Testmunition hatte KRIEGHOFF NORMA Patronen African PH 19,4 Gramm (300 grs) Woodleigh, jeweils Teil- und Vollmantel mitgeliefert. Ob beide Laborierungen zusammen schießen, sollte der spätere Schießstandtest zeigen. Einziger Wermutstropfen bisher: Laut NORMA-Preisliste kosten die Patronen satte neun Euro pro Stück.
Noch vor dem Schießstandtest ging es dann Mitte Oktober zur ersten Drückjagd. Mit zwei Doppelschüssen kamen ein Frischling und außerdem ein hochflüchtiger Fuchs zur Strecke - zugegebenermaßen jeweils mit dem zweiten Schuss. Das war jedoch die Folge von unnötiger Hast, aber die Büchse schwingt trotz des Gewichtes von rund fünf Kilo mit Optik recht gut.
Auf dem Schießstand stellte sich heraus, dass die Waffe bei Ölschüssen deutlich weiter streut. Nach Rücksprache mit dem Hersteller riet dieser zu vollständiger chemischer Entölung. Hierzu könne laut KRIEGHOFF beispielsweise Liqui Moly-Schnellreiniger benutzt werden. Gesagt, getan und siehe da: Das Problem war gelöst. Fünf Sauen, ein Hirschkalb und zwei Füchse kamen gleich zu Anfang der Drückjagdsaison zur Strecke. Allerdings zeigten die NORMA-Patronen selbst bei Kammertreffern (Herz-Lungen-Raum) nicht immer eine befriedigende Wirkung. Gelegentlich brauchte es auch bei guten Treffern zwei oder sogar drei Schüsse, bis das Wild verendete. Das Woodleigh-Teilmantelgeschoss erwies sich offensichtlich als zu hart für schwaches europäisches Wild. Es gab vor dem Ausschuss einfach nicht genug Energie im Wildkörper ab.
Ein Wechsellauf für heimische Drückjagden schien die Lösung zu sein. Nach erneuter Rücksprache mit KRIEGHOFF fiel die Wahl auf ein Laufpaar in 8 x 57 IRS (3.258 Euro). Bei diesem Kaliber lassen sich die Rohre durch einen Keil an der Mündung so justieren, dass sie „zusammenschießen“. Das hat den Vorteil, dass die Läufe nach einem Laborierungswechsel nicht neu garniert (verlötet) werden müssen. Diese Justiermöglichkeit birgt aber auch die Gefahr, dass sich die Rohre beim Schießen verstellen. Warum sonst sollten die Hersteller die Doppelläufe bei Großwildkalibern fest verlöten?
Schließlich erhielten beide Laufpaare, also auch das in .375 Flanged, SWAROVSKI-Drückjagdgläser vom Typ Z6i 1-6 x 24. Die kleine Optik bietet sich für die Tagesjagd auf kurze und mittlere Entfernung im In- und Ausland geradezu an.
KRIEGHOFF Doppelbüchse im Test mit RWS 8 x 57 IRS Evolution:
Die Büchse kam so ausgerüstet kurz vor der Drückjagdsaison Ende Oktober 2013 zurück. Ein kurzer Test des kleinen Laufpaares in 8 x 57 IRS mit der 13 Gramm (200 grs) Evolution von RWS im Revier über Zielfernrohr und auch über offene Visierung fiel völlig zufriedenstellend aus. Zwei Tage später fand eine Drückjagd im eigenen Revier statt. Mit je einem Doppelschuss kamen ein Überläufer und ein im Wildbret starker II b-Hirsch (mittelalt, mit unterdurchschnittlicher Trophäe) zur Strecke. Alle vier Schüsse saßen tödlich. Aber der zweite Lauf verleitet auch dazu, schnell nachzuschießen, wenn das Stück nicht direkt im Knall liegt. Die Fluchtstrecken betrugen rund 30 Schritt.
Drei Wochen später - zwischendurch war bei anderen Jagden kein Anlauf zu verzeichnen - gelang eine Doublette auf Frischling und Überläufer. Dem Standnachbarn glückte Selbiges mit seiner KRIEGHOFF-Doppelbüchse in 9,3 x 74 R. Zwei Frischlinge, ein Überläufer und ein recht guter Keiler lagen also mit insgesamt vier Schuss zwischen beiden Ständen.
Ende November 2013 endlich war Zeit für einen ausführlichen Schießstandtest: Der erste Doppelschuss vom Benchrest-Gestell aus der Schulter auf 100 Meter mit dem „kleinen“ Laufpaar in 8 x 57 IRS schreckte den Tester auf: 25 Zentimeter Hochschuss! Doch dann dämmerte es ihm: Nach der letzten Jagd bei feuchtem Wetter hatte die Büchse nach dem Trocknen nicht nur von außen die nötige Portion an vor Korrosion schützendem Öl erhalten, sondern die Rohre auch von innen. Nach dem zweiten Schusspaar waren die Läufe dann komplett entölt und schossen wieder einwandfrei. Zwei Doppelschüsse jeweils aus kalter Büchse auf 100 m ergaben einen Streukreis von 4,7 cm bei perfekter Höhe mit der oben genannten Munition von RWS. Auf 50 m lagen die Doppelschüsse aus kalten Läufen 2,5 cm auseinander. Besser geht es kaum.
Doch das 375er Laufpaar gab sich noch präziser: Die Doppelschüsse auf hundert Meter saßen perfekte 1,7 cm auseinander. Aber da man Büffel eher auf kurze Distanzen anpirscht und oft auch Vollmantel-Laborierungen einsetzt, wurden jeweils Doppelschüsse mit Voll- und Teilmantelpatronen auf 50 Meter abgegeben. Streukreis dieser vier Schuss mit zwei Laborierungen aus kalten Läufen: 2,2 cm!
Alternativlösung in Kaliber .375 H & H:
Die KRIEGHOFF-Büchse kostet in der beschriebenen Ausführung mit zwei Laufpaaren und zwei Zielfernrohren fast 30.000 Euro und belastet selbst in der einfachsten Ausführung ohne Zielfernrohre und Montagen noch mit rund 11.000 Euro das Budget. Da lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob nicht doch das 375er Bündel ausreicht. Geboren wurde diese Idee durch einen Jäger, der auf einer Drückjagd eine herrliche englische Doppelbüchse aus den 1920er Jahren im Kaliber .375 H & H mit einer weicheren Laborierung für einheimisches Wild führte. Die Waffe hatte er von seinem Vater geerbt. Sie schoss mit seinen Afrika-Laborierungen zusammen. Das könnte die Lösung sein.
Nach einigen Telefonaten bot Klaus Herrlinger vom LABOR FÜR BALLISTIK (www.labor-fuer-ballistik.de) in Bad Überkingen seine 19,4 g (300 grs) Lion-Load-Patronen für den Test an. Diese Munition verfügt über weiche Verbundkerngeschosse für schwaches und mittelstarkes Wild, die laut Herrlinger auch andere Jäger schon in ihren Afrika-Büchsen erfolgreich eingesetzt hatten. Er war optimistisch, dass seine Laborierung mit den NORMA-Patronen zusammenschießen würde.
Die „Lion-Load“ (v0 = 712 m/s, EO = 4.928 Joule) schoss ohne Verstellung des Zielfernrohrs perfekt mit den NORMA-Patronen zusammen. Dabei fiel ihr Rückstoß auffallend moderater aus als der der NORMA-Laborierungen. Die Doppelschüsse lagen aus kalter Waffe unter Revierbedingungen auf 50 Meter Entfernung knapp drei Zentimeter auseinander, aber auf fast gleicher Höhe. Zwei Doppelschüsse rasch hintereinander aus warmer Waffe, ebenfalls im Revier abgegeben, ergaben einen Streukreis von knapp fünf Zentimetern. Die zweiten Doppelschüsse lagen rund 3 cm höher als die ersten. Alle vier Schuss hätten aber (sofort tödlich) im Herz-Lungen-Raum des Wildes gelegen.
Bei der letzten Drückjagd der Saison Mitte Januar 2014 gelang „nur“ das Erlegen eines Schmalrehes (Kitz vom Vorjahr), was natürlich keine endgültige Bewertung der „Lion Load“-Laborierung zulässt. Die Wirkung war mit Blattschuss allerdings im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend. Trotz des schlanken Wildkörpers hinterließ das Projektil einen über Euro-Stück-großen Ausschuss. Das lässt den Schluss zu, dass das Geschoss auch bei anderen kleinen und mittelgroßen Wildarten befriedigend wirkt. Die Wildbretzerstörung war in diesem Fall mit der von Standardkalibern wie etwa .30-06 Springfield vergleichbar.
Technische Daten der KRIEGHOFF Classic Big Five:
Modell | KRIEGHOFF Classic Big Five |
Preis | € 11.059,- (ab € 7.799,- für die Standardversion) |
Kaliber | .375 Flanged Magnum Nitro Express |
Lauflänge | 600 mm |
Gesamtlänge | 1.040 mm |
Abzugsgewicht | 2.100 g (re.), 2.500 (li.) |
Gewicht | 4.300 g |
Ausführung: Universal-(Doppel)abzug, Handspannung, Nussbaumschaft (Kategorie 3) mit Deutscher Backe und 15-mm-Gummikappe, Big-Game-Gravur, nitriertes Finish,
V-Kimme, Perlkorn, vorbereitet für Brückenschwenkmontage.
Schießtest der KRIEGHOFF Big Five .375 Flanged Magnum N.E.
Fazit unseres Tests der KRIEGHOFF Doppelbüchse Classic:
Mit einer KRIEGHOFF-Doppelbüchse in .375 Flanged mit zwei Großwild-Laborierungen (Voll- und Teilmantel) und einer weichen Teilmantel-Laborierung ist man gut für Afrika und heimische Drückjagden gerüstet. Die Patronen vom „Labor für Ballistik“ sind mit zehn Euro pro Schuss nicht gerade ein Schnäppchen. Aber wenn man die Hülsen ab 100 Stück dort wiederladen lässt, halbiert sich der Stückpreis fast. Zudem spart man sich so auch die Investition in den zweiten Lauf. Und noch ein Vorteil: Wer mit der Waffe in .375 Flanged regelmäßig auf heimischen Drückjagden trifft, ist bei der Großwildjagd in Afrika 100-prozentig mit seiner Waffe vertraut und wird sie auch dort instinktiv richtig und sicher bedienen.
Beim Neukauf einer KRIEGHOFF-Doppelbüchse sollte man heute allerdings direkt den Mehrpreis von 1.388 Euro für das neue intelligente Ejektor-System (IES) mit einkalkulieren. Das zahlt sich sowohl bei hiesigen Drückjagden als auch bei der Afrikajagd aus. Das durchdachte und zeitgemäße System mit seinen über die Abzüge angesteuerten und abschaltbaren Ejektoren ist erst seit kurzem bei KRIEGHOFF zu haben und stellt eine sehr nützliche Aufwertung der Classic-Doppelbüchsenreihe des Ulmer Traditionsunternehmens dar.