Sehnsüchtig erwarteten mein Vater und ich die erste Weiße im Winter. Endlich sollte es dann wieder richtig spannend werden. Schließlich fiel das Mondlicht bei uns im Schilf- und Bruchbereich meistens sehr schwach aus. Für gewöhnlich mussten wir hoffen, dass die Wildschweine nicht in den Schatten zogen, sondern auf die freien Flächen traten und dort brachen. In der ersten Kalenderwoche des Jahres 2017 war es nun endlich soweit – die Neue kam.
Jagderlebnisse im Winter: Ansitz auf Frischlinge an der Kirrung
Das Abfährten offenbarte uns, was wir erwartet hatten: die ersten Tage waren sehr ruhig. Lediglich der Fuchs, durch die Ranz angetrieben, schnürte bei uns die Schilfkante entlang. Trotz der Flaute kontrollierte Vater die Kirrungen regelmäßig und berichtete mir jeden Abend vom aktuellen Stand. Am Samstag, den 7. Januar 2017, kam er schließlich aufgeregt in mein Zimmer und wedelte mit der SD-Karte seiner Wildkamera herum. "Ich hab's gewusst!", lachte er mich an. Zunächst wusste ich gar nicht, was er meinte. Doch als ich die Aufnahmen sah, blieb mir der Mund sprichwörtlich offen stehen: Zwei sehr schwache Frischlinge brachen über eine Stunde lang auf unserer Kirrung. An sich nichts Besonderes, doch die Uhrzeit war erstaunlich. Das Schwarzwild war gegen 13:30 Uhr an unserer Futterstelle.
Vater meinte, dass die beiden Frischlinge wegen des sonnigen Wetters so früh zogen. Zudem hatten sie an solch einer Kirrung wohl noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Für mich hieß das nur eins: am Montag gegen Mittag ansitzen und hoffen, dass sich die jungen Wildschweine wieder blicken lassen würden! Da mein Umriss hinter dem Ansitzschirm deutlich zu erkennen war, zog ich zur besseren Tarnung den weißen Anzug meines Vaters an. Ich genoss diesen Tagesansitz auf Schwarzwild so richtig. Der Anblick fiel mit nur einem Fasan allerdings sehr mager aus. Die Frischlinge zogen an diesem Tag nicht so früh. Doch die weiße Landschaft ließ mich zur Ruhe kommen und ich erfreute mich an ein paar Meisen, die in einem Hagebuttenstrauch hin und her flogen. Die Jagd ist einfach mein Leben!
Tom von Jäger TV – Pirschjagd auf Rehwild im Winter
Um kurz nach 16:00 Uhr baumte ich ab und beschloss noch ein wenig auf die Pirsch zu gehen. Schließlich steht das Rehwild bei uns nur zu gern in den Zwischenkulturen, die Schutz und Äsung bieten. Zudem wollte meine Hündin Una noch Auslauf haben – und den hatte sich meine treue Begleiterin nach der langen Wartezeit am Stand auch wirklich verdient. An den Feldern angekommen, sah ich auch schon die dunklen Punkte des Wildes in der Ferne. Ich konnte drei große Sprünge ausmachen und zählte insgesamt 30 Rehe. "Sollte ich es tatsächlich probieren einen Sprung anzugehen, um dann ein schwaches Stück zu erlegen?" Schließlich gehört schon viel Naivität dazu, Rehwild auf einem recht freien Feld anzupirschen, wo nur ein paar trockene Gewächse Deckung bieten. Um es kurz zu fassen, diesmal war mir Diana leider nicht hold: die Rehe sprangen auf einer Entfernung von rund 150 m ab. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Tom von Jäger TV – Wildschweine an der Kirrung
Gegen 18:00 Uhr kehrte ich ohne Jagdglück wieder zuhause ein. Wegen der langen Zeit im Kalten war mein Handy ausgegangen. Als ich es wieder anmachte, fiel mir sofort eine Nachricht meines Vaters von vor rund einer halben Stunde ins Auge: "Frischling liegt!". Ich konnte nicht mehr vor Lachen. Die Beiden waren also doch an die Kirrung gezogen, diesmal aber drei Stunden später. Vater wollte dort nämlich noch Ansitzen und sein Glück versuchen – was sich am Ende des Tages als richtige Entscheidung erwiesen hat. Der Frischling brachte rund 17 kg auf die Waage. Nach dem Schuss war das Stück noch etwa zehn Meter ins Schilf weggebrochen und schließlich verendet. Ich dachte, jetzt sei erstmal Ruhe an dem Futterplatz und der Zweite hätte das Weite gesucht.
Am Donnerstag fuhr Vater dann wieder an die gleiche Stelle raus. Er hoffte, dass der andere Frischling doch nochmal an die Kirrung ziehen würde. Zur gleichen Zeit saß ich auf einer anderen Kanzel am Schilf, wo das Schwarzwild einige Tage zuvor gebrochen hatte. Bis etwa 19:30 Uhr hörte ich nur, wie sich die jungen Wildschweine im Schilf bissen und einen Fuchs, der bellend durch das Revier schnürte. Auf einmal vernahm ich einen Schuss aus Vaters Richtung! Nach zehn Minuten rief ich ihn neugierig an. Aufgeregt berichtete er mir, dass der zweite Frischling wieder an die Kirrung gezogen sei, um dort die Äpfelchen aufzunehmen. Schließlich lieben Frischlinge Äpfel. Zudem ermöglichen die Abbisse am Futter Rückschlüsse, ob in einer Rotte junge Tiere dabei sind. Wir vereinbarten also, dass ich in einer guten viertel Stunde zu ihm fahre und wir den Anschuss gemeinsam untersuchen.
Die Pirschzeichen verrieten uns, dass Vater leider nicht so gut abgekommen war. Also machten wir uns auf zur Nachsuche! Dank der Weiße war der Schweiß gut zu erkennen und nach knapp 100 m fanden wir das erste Wundbett. Vorsichtig und vor allem leise bahnten wir uns unseren Weg durch das dichte Buschwerk. Das Schilf machte es uns nicht leicht, die Übersicht zu behalten. Doch nach ca. 50 m fanden wir den Frischen, er lag verendet hinter einem dichten Busch. Die Kugel lag leider zu weit hinten, so dass sie weder das Leben noch ein anderes wichtiges Organ hätte zerstören können.
Dieses Erlebnis zeigt eindrucksvoll: auch sichere und erfahrene Schützen können Fehler machen. Doch sie zeichnen sich in solch einer Situation dadurch aus, dass sie bei der Nachsuche hartnäckig bleiben und das Wild schlussendlich erlösen. Freudig wünschte ich Vater "Waidmannsheil!". Wir verharrten noch kurze Zeit am Stück, um die vergangenen Minuten Revue passieren zu lassen. Anschließend bargen wir die junge Bache von rund zwölf Kilogramm aus dem Schilf und verluden das Stück im Wagen. Auch wenn ich einmal mehr leer ausgegangen war, freute ich mich umso mehr für meinen Vater. Denn letztendlich investiert er regelmäßig viel Arbeit und Zeit in das Beschicken und Abfährten der Kirrungen.
Jagderfolg auf Schwarzwild bei Nacht
Was sich dann allerdings am folgenden Sonntag zutrug, ließ mich langsam wirklich daran glauben – Vater hat Diana auf seiner Seite. In diesem Jagdjahr hatten wir eine große Fläche mit Mais gehabt. Das Schwarzwild hatte sich dort richtig wohl gefühlt und einiges an Schaden verursacht. Nun war dieses Feld wie eine riesige Kirrung für das Schwarzwild. Der Hintergrund ist recht einfach erklärt: Da hin und wieder Kolben nicht richtig abgeerntet werden konnten und anschließend nur untergepflügt wurden, zog es die Wildschweine regelmäßig auf die Freifläche. Vater hatte sich allerdings nicht an diesem Feld angesetzt, sondern an einer nahen Wiese. Dort zogen die Sauen ebenfalls lang und stachen auch ab und zu rein. Da aber bis etwa 22:00 Uhr nichts weiter geschah, baumte er ab. Vater war bereits auf dem Weg zu seinem Wagen als ihm einfiel, "Ich könnte ja nochmal das ehemalige Maisfeld ableuchten!".
Gesagt, getan – bevor er das Glas überhaupt erst angesetzt hatte, konnte er in der Ferne schon einen schwarzen Punkt ausmachen. Ein einzelner Keiler brach seelenruhig auf der Freifläche. Das Stück ließ sich auch nicht stören, als mein Vater sich auf rund 80 m Entfernung zum Fliegenlassen bereit machte. Der Schuss brach und instinktiv lud er seine Bockbüchsflinte im Kaliber 8 x 57 IRS (RWS Büchsenpatronen) nach. Zeitgleich versuche Vater auszumachen, was das Wildschwein nach dem Schuss vorhatte. Voller Schrecken stellte er fest: der Keiler brach direkt auf ihn zu! Er hörte schon das Rauschen und nahm sein Gewehr sofort wieder in Anschlag. Keine 20 m vor ihm kam das Stück jedoch zum Liegen. Äußerst angespannt blieb Vater mit dem 1er-Absehen seines Zielfernrohrs auf dem Keiler, jederzeit bereit einen zweiten Schuss anzutragen. Doch die Bewegungen wurden langsamer und der Keiler verendete. "Waidmannsheil!"
Erleichtert setzt er sich erstmal hin, in seinen Gedanken spielte sich die Situation wieder und wieder ab. Nach einer halben Stunde trat er schließlich an das Stück heran und war erstaunt, was für ein Keiler vor ihm lag. Im Dunkel der Nacht geht das Maß für die Größe und das Gewicht eines Wildschweins schnell verloren. Dieses erlangte Vater jedoch schnell zurück, als er das Stück vom Acker barg und es zu Hause an die Wildwaage hängte. Aufgebrochen brachte der Keiler zwar nur 74 kg auf die Waage, doch seine Waffen konnten sich schon sehen lassen.
Die Wildschweinjagd im Winter kann so viele Überraschungen bereithalten – sie ist nicht kalt und trist, wie es zunächst erscheinen mag. Für die Jäger gilt es nur sich an die Begebenheiten anzupassen, so dass sie erfolgreich auf das Schwarzwild waidwerken können. Ich wünsche euch allen noch viel Anblick und Waidmannsheil!
Euer Tom von Jäger TV
Pirschfreund aus Leidenschaft
Begleitet Pirschfreund Tom von Jäger TV, seinen Vater und seine Hündin Una auf die Schwarzwildjagd bei Nacht mit anschließender Nachsuche.
Erlebt gemeinsam mit Pirschfreund Tom von Jäger TV die Ansitzjagd auf Füchse im Frühsommer.